Reportagen

Webarbeiten im Ramses Wissa Wassef Art Center

Das Kunstzentrum Wissa Wassef: Ein Laboratorium der Kreativität

1951 gründete Ramses Wissa Wassef das Wissa Wassef Art Centre in dem Dorf Harrania in der Nähe von Kairo. Das Zentrum war nicht nur eine Schule, sondern ein lebendiges Experiment in Sachen Kreativität. Wissa Wassef lud einheimische Kinder ein, von denen viele noch nie mit Kunst in Berührung gekommen waren, das Handwerk des Tapetenwebens zu erlernen.

Er stellte das konventionelle Bildungssystem in Frage, das seiner Meinung nach die Kreativität durch starre Regeln und vorgefasste Meinungen unterdrückte. Er glaubte, dass jeder Mensch, unabhängig von Alter und Herkunft, die natürliche Fähigkeit besitzt, Kunst zu schaffen, wenn man ihm die Freiheit gibt, sich auszudrücken. Diese Überzeugung wurde zur Grundlage seines Lebenswerks.

Die Geburt eines Visionärs

Ramses Wissa Wassef wurde 1911 in Kairo, Ägypten, geboren. Nach seiner Ausbildung zum Architekten in Paris kehrte er nach Ägypten zurück, mit einer tiefen Wertschätzung für das traditionelle Handwerk und dem Wunsch, die Kluft zwischen modernem Design und alten Techniken zu überbrücken. Es war jedoch sein Glaube an das ungenutzte kreative Potenzial der einfachen Menschen, der ihn auszeichnete.

Es ging ihm um Kreativität, Freiheit und die Bewahrung des kulturellen Erbes.

Ramses Wissa Wassef (1911-1974) war mehr als nur ein Künstler oder Architekt – er war ein Visionär, dessen Arbeit traditionelle Grenzen überschritt und der Welt der Kunst und Kultur einen unauslöschlichen Stempel aufdrückte. Sein Glaube an die jedem Menschen innewohnende Kreativität und sein Engagement für die Erhaltung des traditionellen Handwerks führten zur Gründung des Wissa Wassef Art Centre in Harrania, Ägypten.

Sein Ansatz war revolutionär:

Keine formale Ausbildung
Wissa Wassef brachte den Kindern nicht bei, wie man mit Mustern oder Schablonen webt. Stattdessen stellte er ihnen die Werkzeuge und Materialien zur Verfügung und ermutigte sie, ihrem Instinkt zu folgen.

Freiheit des Ausdrucks
Die Weberinnen und Weber konnten ihre Themen, Farben und Designs selbst wählen. Dieser Ansatz ermöglichte es ihnen, ihre Kreativität ohne die Zwänge einer formalen künstlerischen Ausbildung zu entfalten.

Fokus auf Natur und Kultur
Viele der Wandteppiche zeigen Szenen aus dem ägyptischen Landleben, der Natur und der Folklore und spiegeln die Umgebung und das kulturelle Erbe der Weber wider.

Die Ergebnisse waren außergewöhnlich. Die im Zentrum hergestellten Wandteppiche waren lebendig, detailliert und sehr persönlich und zeigten die einzigartigen Perspektiven der einzelnen Weberinnen und Weber. Nach und nach erlangte das Wissa Wassef Art Centre internationale Anerkennung für seinen innovativen Ansatz und die außergewöhnliche Qualität seiner Wandteppiche.

Wissa Wassefs Grundprinzipien

Wissa Wassefs Vision wurde von mehreren Grundprinzipien geleitet, die auch heute noch Künstler und Pädagogen inspirieren:

Kreativität ist angeboren
Wissa Wassef war davon überzeugt, dass Kreativität eine natürliche menschliche Eigenschaft ist und nicht eine Fähigkeit, die nur einigen wenigen vorbehalten ist. Seine Arbeit zeigte, dass jeder Mensch Kunst schaffen kann, wenn er das richtige Umfeld hat.

Kunst als Mittel zur Selbstverwirklichung
Für Wissa Wassef ging es bei der Kunst nicht nur um die Herstellung schöner Objekte, sondern auch um Ausdrucksfähigkeit und persönliches Wachstum. Er sah den kreativen Prozess als eine Möglichkeit für den Einzelnen, sich selbst zu verwirklichen und seine kulturellen Wurzeln zu stärken.

Bewahrung des traditionellen Handwerks
In einer Zeit, in der die Industrialisierung das traditionelle Handwerk zu verdrängen drohte, bemühte sich Wissa Wassef, es zu bewahren und wiederzubeleben. Seine Arbeit trug dazu bei, die uralte Kunst der Wandteppichweberei am Leben zu erhalten und sie gleichzeitig an moderne Gegebenheiten anzupassen.

Stärkung der Gemeinschaften
Das Wissa Wassef Art Centre bot der lokalen Gemeinschaft, insbesondere Frauen und Kindern, wirtschaftliche Möglichkeiten. Durch die Vermittlung wertvoller Fertigkeiten befähigte Wissa Wassef sie, für sich und ihre Familien zu sorgen.

Das Vermächtnis der Vision von Wissa Wassef

Ramses Wissa Wassef verstarb 1974, doch seine Vision lebt durch das Wissa Wassef Art Centre weiter, das weiterhin als Genossenschaft betrieben wird. Das Zentrum ist ein Zeugnis für seinen Glauben an die Kraft der Kreativität und die Bedeutung der kulturellen Bewahrung.

Heute werden die Wandteppiche von Wissa Wassef weltweit für ihre Schönheit, Authentizität und kulturelle Bedeutung gefeiert. Sie werden in Museen, Galerien und Privatsammlungen ausgestellt und erinnern an Wissa Wassefs bahnbrechende Arbeit.

Darüber hinaus hat seine Philosophie zahllose Künstler, Pädagogen und Organisationen dazu inspiriert, integrativere Ansätze in Kunst und Bildung zu verfolgen. Wissa Wassefs Vision erinnert uns daran, dass Kreativität kein Privileg, sondern ein universelles Geschenk ist, das, wenn es gefördert wird, Leben und Gemeinschaften verändern kann.

Das Vermächtnis von Ramses Wissa Wassef

Ramses Wissa Wassefs Vision war eine radikale Abkehr von konventionellen künstlerischen Praktiken und fand dennoch bei Menschen auf der ganzen Welt großen Anklang. Sein Glaube an die jedem Menschen innewohnende Kreativität, sein Engagement für die Bewahrung der Kultur und sein Einsatz für die Stärkung von Gemeinschaften inspirieren und beeinflussen die Kunstwelt auch heute noch.

Die Beschäftigung mit dem Vermächtnis von Wissa Wassef erinnert uns an die transformative Kraft der Kunst und die Bedeutung der Förderung von Kreativität in all ihren Formen. Ob durch einen Wandteppich, ein Gemälde oder einen einfachen Akt der Selbstverwirklichung – wir alle können zu einer Welt beitragen, in der Kreativität gefeiert und geschätzt wird.

 

Ich habe Herrn Ihab Elsaeed vom Ramses Wissa Wassef Art Center Team gebeten, zwei Webern bzw. Weberinnen Fragen zu ihrer Arbeit zu stellen. Die Antworten finde ich ganz erstaunlich! Es antworteten Frau Reda Ahmed und Herr Ali Saleh.

Wie lange weben Sie schon im Wissa Wassef Art Center?

Reda Ahmed: „Mein ganzes Leben. Ich habe hier in Harrania angefangen, als Herr Wassef die Werkstatt eröffnete. Ich war noch ein junges Mädchen, kaum alt genug, um den Webstuhl zu bedienen, und ich bin immer noch hier. Ich würde also sagen, es sind jetzt etwa 49 Jahre.“
Ali Saleh: „Ich webe seit 66 Jahren in diesem Zentrum.“

Ist es ein Vollzeitjob für Sie?

Reda Ahmed: „Ja, es ist meine Vollzeitbeschäftigung! Ich verbringe den ganzen Tag hier im Atelier, umgeben von all unseren Webstühlen, lausche den Geräuschen der Webschiffchen und dem rhythmischen Anschlagen der Schussfäden. Es ist nicht nur etwas, womit ich meine Zeit verbringe. Ich lebe hier im Dorf und habe eine große Leidenschaft für die Weberei.“

Ali Saleh: „Es ist auch bei mir eine Vollzeitbeschäftigung. Ich bin jeden Tag hier. Zuerst war ich nur neugierig und wollte sehen, was es damit auf sich hat, und dann begann mir zu gefallen, wie ich mich fühle, wenn ich mich auf das Weben konzentriere. Ich mag es, wie sich die Fäden in etwas verwandeln können, das ich selbst geschaffen habe. Ich mag das Geräusch des Webstuhls, es ist wie Musik.“

Welches sind Ihre bevorzugten Motive?

Reda Ahmed: „Ah, das ist die Frage, die es wirklich auf den Punkt bringt! Ich glaube nicht, dass ich nur eine einzige Vorliebe habe, wenn ich Wandteppiche kreiere. Was ich kreiere, hängt wirklich davon ab, was mich gerade bewegt. Am Anfang sahen unsere Bilder aus wie Pflanzen oder Bäume, vielleicht auch ein Tier, wobei es sich zunächst nur um Linien und Formen handelte, aber dann wurde mir klar, dass mein Weben eine Form ist, meine Gedanken auszudrücken. Wenn ich mir jetzt die Welt anschaue, sehe ich, wie jedes Ding auf dieselbe Weise miteinander verbunden ist wie die Fäden meines Wandteppichs. Es ist wirklich erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt. So versuche ich manchmal, das Gefühl der warmen Sonne auf meinem Gesicht einzufangen, oder vielleicht die Art, wie die Vögel über unser Dorf fliegen. Ein anderes Mal fühle ich mich zu Formen hingezogen, die nicht unbedingt an etwas Reales erinnern, aber dennoch eine gewisse Wahrheit in sich tragen. Manchmal webe ich eine Geschichte, ein anderes Mal erkunde ich neue Farben, die mein Interesse geweckt haben. Jedes meiner Werke ist etwas Besonderes und drückt verschiedene Aspekte meines Wesens aus.
Es ist etwas ganz Besonderes, hier zu sein, und ich bin Herrn Wassef sehr dankbar, dass er uns diese Gelegenheit gibt. Wir weben mehr als nur Wollfäden, wir weben Leben, Geist und Geschichten. Es ist kaum zu glauben, dass etwas so Einfaches wie ein Webstuhl so viel Kraft haben kann.“

Ali Saleh: „Hmm, ich liebe es, alle möglichen Dinge zu weben! Am Anfang haben wir versucht, Bäume und Tiere zu weben, aber dann habe ich gemerkt, dass ich machen kann, was ich fühle und sehe. Manchmal webe ich meine Lieblingsblumen aus dem Garten, die mit den leuchtenden Farben, oder die Vögel am Himmel. Manchmal webe ich Geschichten, wie die, die mir meine Großmutter erzählt hat, und manchmal webe ich Formen und Farben, die mich glücklich machen. Ich mag es zu experimentieren und neue Wege zum Weben zu finden.“

 

RWW Art Center
Harrania Dorf, Sakkara Straße
Gizeh, Ägypten.
Täglich von 10 Uhr bis 16 Uhr geöffnet.
(Montag – nur nach Vereinbarung)
E:

Dieser Text ist eine freie Übersetzung des Texts auf der Website https://www.wissawassef.com/
Mit freundlicher Genehmigung des Wissa Wassef Art Centers.
Die Bilder wurden vom Wissa Wassef Art Center und von Roswitha Duffner-Feiler zur Verfügung gestellt.