Portraits & Interviews

Interview mit der niederländischen Textilkünstlerin Francisca Henneman

Im European Textile Network habe ich Arbeiten von Francisca Henneman entdeckt. Ich fand, die raffinierten verschlungenen Strukturen ihrer Arbeiten haben einen mathematischen Touch.  Ich habe sie um ein Interview gebeten.

Here you can read the interview in English.

Wo sind sie aufgewachsen und wo leben Sie heute ?

Ich wuchs in einer Familie mit 7 Kindern in einer Stadt in der Nähe von Rotterdam auf. Weil die Familie so groß und alles sehr lebhaft war, brauchte ich als Teenager einen Platz für mich. Auf dem Dachboden des Hauses verbrachte ich viel Zeit allein und nähte Kleidung für meine Barbiepuppe. Später stellte ich handgewebte Wandteppiche her und begann, meiner Mutter bei der Herstellung von Kleidung für die Familie und Bekannte zu helfen.

Was oder wer waren Ihre frühen Einflüsse und wie hat Ihr Aufwachsen Ihre Arbeit beeinflusst?

In dieser Zeit lernte ich, ein Leben mit Herausforderungen zu führen. Das Geld war knapp. Das lehrte mich, mit wenig zufrieden zu sein. Es machte mich kreativ, mehr die Möglichkeiten und weniger die Probleme zu sehen. Die Verwendung und Wiederverwendung von Materialien, Kleidung usw. war für mich selbstverständlich. Wirf nichts weg, wenn du nicht musst. Zufrieden sein. Ein Beispiel: Später, in meinen Zwanzigern hatte ich einen abgenutzten Wollteppich und konnte mir keinen neuen leisten, also malte ich einen goldenen Teppich auf den Boden.

Haben Sie eine künstlerische oder textile Ausbildung?

Als ich etwa 23 Jahre alt war, ging ich an die Kunstakademie in Rotterdam und studierte Modedesign (1985-1990). Ich wusste bald, dass ich nicht in der Modeindustrie als solche enden wollte. Also gründete ich ein kleines Unternehmen mit dem Namen „Pasklaar“, das Kleidung für Menschen mit Behinderungen entwirft und herstellt. Ich denke über Lösungen für Behinderungen nach, die das Tragen schöner Kleidung unmöglich machen. Ich entwerfe zum Beispiel eine Hose für eine Person, die im Rollstuhl sitzt. Die sitzende Form wird mit einem Schnittmuster für die sitzende Position anstelle einer stehenden Form hergestellt. Ich mag die technische Herausforderung beim Herstellen und Entwerfen.
In diesen Jahren experimentierte ich auch mit der Bildhauerei in Stein und Holz. Ich stellte Keramikobjekte her und fertigte Kleidung für das Theater und für mich selbst an.

Mit welchen Materialien arbeiten Sie?

Etwa im Jahr 2006 entdeckte ich die Materialien Industriegummi und Silikon. Ich fand sie in einem Geschäft in Rotterdam, das Abfallprodukte aus der Industrie verkaufte. Ich war sofort Feuer und Flamme. Wenn man diese Produkte miteinander verbindet, kann man eine Halskette herstellen. Ich begann eine Schmuckkollektion unter dem Label Difranci zu entwickeln.
Und auch heute noch verkaufe ich diese auf Kunstmessen. Ich verkaufte sie in Barcelona, Madrid, Miami, Düsseldorf usw. Ich denket immer über neue Wege nach, die Materialien zu verbinden und habe eine breite Palette von Schmuckstücken hergestellt.

2018 wurde ich gebeten, mich für die internationale Textilkunst-Triennale „Textile art of Today“ in Bratislava, Slowakei, zu bewerben. Ich fertigte drei Statement-Schmuckstücke aus gehäkeltem Gummi an und wurde für die Triennale akzeptiert. Der Architekt, der die Präsentation vornahm, sah etwas anderes als Schmuck. Er sah eigenständige Objekte. Ich war mit dieser Sichtweise auf meine Arbeit zufrieden. Das war es, was ich brauchte: eine völlig neue Herausforderung bei der Herstellung von Objekten und Skulpturen mit Gummi und Silikon.
Ich versuchte immer noch, mit den Materialien etwas anderes zu machen als das, wofür sie gedacht waren.
Im Laufe der Zeit stieß ich auf verschiedene Arten von Gummiresten, jetzt verwende ich weiche und harte, aber hauptsächlich flexible Materialien.

Was sind Ihre Lieblingstechniken?

Ich fertige Objekte mit handwerklichen Techniken wie zum Beispiel Häkeln und Nähen an.
Ich fühle mich immer wieder herausgefordert, über verschiedene Möglichkeiten nachzudenken, wie ich Gummistücke miteinander verbinden und neue Formen schaffen kann.

Haut, Texturen und Strukturen sind in meinen Arbeiten sehr wichtig. Das kann man besonders in der Kollektion Bleached sehen. Alle weißen Objekte erzählen die Geschichte vom Ausbleichen der Korallenriffe. Aber sie sind so vielfältig und schön, dass wir darauf achten müssen, sie zu retten. Alle Objekte sind unterschiedlich in Textur und Technik, aber mit dem gleichen Silikonschaum aus der Industrie hergestellt. Stickerei, Canadian Smock, Häkeln, Handarbeit, Binden, was auch immer man sich als Technik vorstellen kann, ich werde es verwenden.

Sie mögen die Möbiusschleife, was ist daran so faszinierend?

Die unendliche Schleife wie die Möbiusschleife ist mir eine große Inspiration. Ich variiere bei der Herstellung verschiedener Verdrehungen, so dass es nicht mehr immer Möbiusschleifen sind. Aber die Unendlichkeit ist immer da. Und ich experimentiere mit schwierigeren Techniken, um nicht nur eine Schleife, sondern auch eine dreidimensionale Form mit einer Verdrehung darin herzustellen. Ich versuche immer noch, neue Dinge zu machen, die ich noch nie gemacht habe.

Wie arbeiten Sie? Können Sie die Entwicklung eines Werkes von der Idee bis zum fertigen Kunstwerk beschreiben?

Wenn mir Material in die Hände fällt, beginne ich bereits mit einer Technik und Materialien wie Garn, ohne zu wissen, was dabei herauskommen wird. Bei meiner Arbeit habe ich erfahren, wie sich manche Gummimaterialien beim Häkeln bewegen. Während der intuitiven Arbeitsweise treffe ich Entscheidungen, die zur Endphase führen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheide ich, dass ein Objekt fertig ist. Manchmal ist das Objekt eher ein Fantasiewesen aus der Tiefsee. Dafür gebe ich dem Objekt den passenden lateinischen Namen. Ein anderes Mal ist es eine abstrakte weiche Skulptur.

Wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben?

Es ist immer Faserkunst.

www.difranci.com
www.francisca-henneman.eu