Würden Sie Ihre Ausbildung und Ihren Werdegang hin zur Textilkunst beschreiben?
Ich habe immer gemalt und Accessoires gebastelt, daher habe ich nach dem Abitur die einjährige Schule für Gestaltung in Romanshorn (CH) besucht. Danach kamen für mich zwei Richtungen in Frage, die mich gleichermaßen stark angezogen haben: Die Malerei, welche mir jedoch zu „brotlos“ erschien, und die Textilgestaltung, für die ich mich entschieden habe, da sie so vielfältig ist.
Zuerst habe ich an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Textildesign studiert, bin dann an die Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam gewechselt, und ein Jahr später an die Fachhochschule Reutlingen, wo ich mein Diplom gemacht habe.
Ich habe öfter den Studienort, nicht aber das Studienfach gewechselt, da ich mit meinem Verständnis für Textilgestaltung immer wieder an Grenzen gestoßen bin, welche es meiner Meinung nach zwischen Kunst, Handwerk und Design nicht zwingend geben sollte. Meine Vorbilder in dieser Beziehung sehe ich in der Arts and Crafts Bewegung, und in Künstlern wie Ernst Ludwig Kirchner, welcher neben seinen Bildern und Skulpturen selbst Möbel und Textilien gestaltete.
Nach dem Studium habe ich vorwiegend Designs für Fabric Frontline in Zürich entworfen, meistens für Haute Couture Stoffe. Dort waren meine „Gemälde“-artigen Entwürfe sehr gefragt, auch einige meiner experimentellen Gewebe wurden digital auf Seide gedruckt. Zwischen den Kollektionen hatte ich Zeit, eigene Projekte zu verwirklichen und auszustellen, und habe so den Kontakt zur Kunst nie verloren. Seit zwei Jahren arbeite ich verstärkt an meinem Label, und an Kunstobjekten.
Sie haben auch nicht textile Kunsthandwerke gelernt?
Mein Hauptaugenmerk liegt auf textilen Techniken, aber ich bin an sehr Vielem interessiert.
Während des Studiums hat mich neben dem Textilen, sowie dem Malen und Zeichnen, die Drucktechnik fasziniert- ich war in der graphischen Werkstatt um Radierungen herzustellen, wann immer ich die Möglichkeit hatte. In meinem Atelier stelle ich Holz- und Linolschnitte her, die wiederum teilweise von Fabric Frontline Zürich auf Seide gedruckt wurden.
Auch durfte ich zweimal je einen Monat lang mit Bronzegießern in Kondagaon (Indien) arbeiten, deren disziplinierte und gleichzeitig gelassene Herangehensweise mich beeindruckt hat.
In meinen Arbeiten wird die Kombination großgeschrieben. So verbinde ich z.B. gemalte oder gedruckte Arbeiten und Elemente mit textilen Techniken, oder eine in Indien gegossene Bronze-Lampe mit gewobenen Einsätzen. Je nachdem, was ich zum Ausdruck bringen möchte, wähle ich das passende Medium.
Wie drücken Sie sich heute bevorzugt aus?
Nach wie vor webe ich viel auf dem Schulwebrahmen, da ich dazu Kurse gebe, und da ich diese Gewebe als Grundlage für meine Druck-Kollektionen benutze.
Das Weben fasziniert mich, weil es sehr tolerant ist- von rostigen Nägeln über Photos und Geschenkband bis hin zu Hölzern, Federn und weiteren Fundstücken lässt sich beinahe alles verweben, daraus entsteht Unerwartetes.
Außerdem finde ich im Moment das Stricken auf dem „loom“ interessant, da auch hier untypische Materialien, wie z.B. Plastiktüten verwendet werden können, und wunderschöne Oberflächen und Farbverläufe entstehen, und da die Elastizität des Gestricks zum Experimentieren herausfordert.
Da ich gerade textile Skulpturen entwickle, arbeite ich mit diversen Techniken dreidimensional, was eine völlig neue Komponente in meine Arbeit bringt.
Sie reisen viel, wo waren Sie zuletzt und was haben Sie entdeckt? Sind diese Reisen für Sie inspirierend?
Vor drei Wochen bin ich von einer viermonatigen Reise nach Singapur, Thailand, Laos und Malaysia zurückgekehrt, welche mein Lebensgefährte und ich zusammen mit unserer fünfjährigen Tochter unternommen haben.
An Singapur faszinieren mich die Bauwerke, in Thailand liebe ich das Essen und das Lächeln der Menschen, an Laos begeistert mich die Landschaft, und daß beinahe vor jedem Haus ein Webstuhl steht, mit dem unglaubliche Kunstwerke hergestellt werden. Vietnam hat eine sehr kreative Modeszene, von Malaysia haben wir leider nur Kuala Lumpur gesehen, dann mussten wir wieder zurück nach Hause.
In allen Ländern, die wir besucht haben, machten wir sehr gute und berührende Erfahrungen mit der Freundlichkeit, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft ihrer Bewohner.
Die Lebenseinstellung in anderen Ländern ist für mich eine Inspiration, obwohl ich manchmal auch froh darüber bin, Europäerin zu sein. Natürlich interessieren mich auch die jeweiligen kunsthandwerklichen Techniken, die dort oft lebendiger und selbstverständlicher im Alltag anzutreffen sind, als in Europa.
Als Reisende, welche häufig in eher „untouristischen“ Orten unterwegs sind, waren wir oft auf die Hilfe der dort lebenden Menschen angewiesen. Das bringt Erfahrungen mit sich, die für mich sehr wertvoll sind, und aus denen ich viel lernen kann.
Sie arbeiten auch als Textildesignerin, würden Sie davon erzählen?
Seit dem Studium habe ich hauptsächlich als Textildesignerin gearbeitet, und hatte dabei das Glück, meine malerischen und zeichnerischen Fähigkeiten ausschöpfen, und auch gewebte Arbeiten als Vorlagen für Designs verkaufen zu können, welche im Siebdruck und digital auf Seide aufgebracht wurden.
Seit ca. einem Jahr entwerfe ich unter meinem Label Designs. Diese werden in Kleinstauflagen in Italien und Deutschland gedruckt.
Zwei Kollektionen mit den Namen „Uruca“ und „Kakadu“, bestehend aus Schals, Stolen und Miniröcken, gibt es bereits, die meisten davon sind Einzelstücke. Da, wie gesagt, für mich die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst fließend sind, verwende ich für die Druckdessins gerne meine textilen und gemalten Objekte als Collage, oder ergänze z.B. ein Gewebe mit eigens dafür gemalten Motiven, und entwickle daraus einen Entwurf.
Ich habe gelesen, dass Sie auch als Illustratorin arbeiten, illustrieren Sie Bücher?
Unter anderem habe ich für eine Kundin, die sich auf Vintage-Schmuck spezialisiert hat, viele Jahre Glückwunschkarten zu Neujahr und Einladungskarten zu Vernissagen gestaltet, außerdem habe ich das Intro für ihre Website, und den Schriftzug des Labels entwickelt, sowie das Bienenwaben- Label für den „Zürihonig“.
Ich möchte mich noch mehr mit diesem Bereich beschäftigen, da für mich Illustration mit Textildesign durchaus verwandt ist, und plane, meine neuesten Reiseerfahrungen zu bebildern. Was daraus wird, darauf bin ich selbst gespannt und hoffe, daß ich bis zum Herbst dieses Jahres mein geplantes Buch fertiggestellt haben werde.
Zu welchen Themen geben Sie Workshops?
Ich gebe vorwiegend Workshops in denen ich zeige, wie man auch als Anfänger/in mithilfe eines simplen Schulwebrahmens und mittels Leinwandbindung Accessoires wie Armbänder, Armstulpen und Schals, oder sonstige textile Kunstwerke herstellen kann.
Für die Schmuckstücke werden Bänder aller Arten verwoben und prächtige Borten, welche ich von meinen Reisen mitbringe.
Einer meiner Weberei-Kurse beinhaltet das Verweben in Streifen geschnittener Photografien. Das finde ich sehr spannend, da dieser Kurs besonders viel über die Persönlichkeit der Teilnehmer verrät.
Seit Kurzem vermittle ich auch malerische Techniken, wie den Umgang mit Acrylfarben.
Während meiner Workshops bin ich immer wieder beeindruckt davon, wie es den Kursteilnehmern gelingt, mit ihrer Farb- und Materialwahl etwas ganz Eigenes, Individuelles zu erschaffen.
Die Daten und Orte meiner Workshops sind auf meiner Website www.eva-li.com ersichtlich, an der Textile Art Berlin gebe ich auch dieses Jahr wieder Kurse.
Was planen Sie für die unmittelbare Zukunft?
Am 30. März 2017 gab es im MAGGS Store in Bern, welcher zum Kaufhaus Loeb gehört, eine Vernissage meiner Accessoires, die dort ein halbes Jahr lang ausgestellt werden http://www.maggs.ch/de/art-culture/micro-galerie/micro-bern/ .
Da ich 2016 für den Prix Jumelles des Kurszentrums Ballenberg nominiert wurde, wurde ich im Zuge dessen für diese Ausstellung ausgewählt.
Das ist eine wunderbare Bestätigung meiner Arbeit, und ermutigt mich, noch stärker meinen “eigenen Weg“ zu gehen.
So möchte ich mich sowohl auf textile Skulpturen konzentrieren, als auch auf eine Erweiterung meiner Kollektionen, die bisher gut angenommen wurden, und auch die Illustration des schon erwähnten (Bilder-) Buches über unsere Reise liegt mir am Herzen.
Ich sehe mich gleichermaßen als Künstlerin, Designerin, Kunsthandwerkerin und Illustratorin und empfinde es als spannende Herausforderung, aus der Kombination dieser Richtungen etwas Neues, Überraschendes zu entwickeln.
Auf der Website von Eva Lippert http://eva-li.com sind viele weitere schöne Arbeiten zu finden.