Reportagen

Bericht über die Ausstellung Oxymora in der Leipziger Baumwollspinnerei

Die Leipziger Baumwollspinnerei kündigte die Ausstellung wie folgt an:

„Litauen – Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse 2017 begleitet seine Teilnahme mit einem vielfältigen kulturellen Programm. Ein Höhepunkt ist die gemeinsam mit dem Goethe-Institut Vilnius und dem Lithuanian Culture Institute organisierte Ausstellung „Oxymora“, die bereits am 25. Februar in der Leipziger Baumwollspinnerei eröffnet wurde.

Die Kuratoren John Colton (Berlin) und Virginija Vitkiene (Kaunas) konstruieren unter dem Titel „Oxymora“ (Wortwuchs) Verbindungen, die paradoxe Bedeutungen betonen und verbinden Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die verschiedene historische Perspektiven, geographische Bezugspunkte und Generationen vertreten sowie ganz unterschiedliche Ausdrucksmittel verwenden.

Die Kollektion, die John Colton zusammengestellt hat, besteht aus Arbeiten und Texten von Mitgliedern der „Berliner Malerpoeten“. Die vierzehnköpfige Autoren- und Künstlergruppe wurde 1972 von der aus Litauen stammenden Berliner Dichterin und Malerin Aldona Gustas gegründet. Sie brachte Doppeltalente wie den Nobelpreisträger Günter Grass, Günter Bruno Fuchs, Roger Loewig, Christoph Meckel, Arthur Märchen, Kurt Mühlenhaupt, Karl Oppermann, Oskar Pastior, Robert Wolfgang Schnell, Wolfdietrich Schnurre, Friedrich Schröder-Sonnenstern, Joachim Uhlmann und Hans-Joachim Zeidler zusammen, die sich künstlerisch und literarisch Ausdruck verschafften und je nach individuellen Vorlieben kombinierten.

Virginija Vitkiene kombiniert damit moderne litauische Kunst: textile Werke, Tapisserien, Stickereien, die mit Digitaldruck, Jacquardweberei, Videoanimationen verbunden werden; Kunstwerke, die als Textilien und Texte zugleich wahrnehmbar sind. In diesem Zusammenhang werden Kunstwerke der zeitgenössischen litauischen Künstlerinnen Monika Žaltauskiate-Grašiene, Brone Sofija Gideikaite, Lina Jonike, Inga Likšaite, Almyra Weigel und Laima Oržekauskiene (Trägerin des Nationalpreises) vorgestellt.“

Am 23. März, zwei Tage vor Ausstellungsschluss, bin ich nach Leipzig gefahren, um mir die Ausstellung anzusehen. Einige der Künstlerinnen kenne ich schon von der TEXTILE ART BERLIN. Ich war wieder sehr beeindruckt von ihren Arbeiten.

Die Baumwollspinnerei besteht aus schönen alten Industriebauten, die mit roten Ziegeln erbaut wurden. Unweit der S-Bahn weist ein großes Schild darauf hin. Auch die Ausstellung in Halle 12 ist unübersehbar.

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In der großzügigen Halle werden schon am Eingang über eine Wandzeitung die Textilkünstlerinnen vorgestellt und in Vitrinen die Bücher der Schriftsteller gezeigt, teilweise angegilbte Schätzchen.

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Mein Blick fiel als erstes auf die Installation „Der alte Juzė“ von Lina Jonikė. Sie hat darin die Geschichte ihres Großbaters verarbeitet, der im Partisanenkrieg gegen die Sowjetarmee erschossen wurde und dessen Partisanenname „Der alte Juzė“ war. Sie hat ein Hemd, das in etwa so ausgesehen haben muss, wie das ihres Großvaters, von Hand nachgestickt. Es hängt über einer Fotografie von Waldboden. Davor liegt eine Art Teppich aus 4.000 Patronenhülsen, die auf einer Metallplatte befestigt sind.

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Laima Oržekauskiene zeigt vier weibliche Arhats, Danute, Lina, Violeta und Kristina. Was ich erst für einen Schreibfehler hielt, ist in Wirklichkeit die Bezeichnung für einen buddhistischen Heiligen, der zu Lebzeiten das Nirwana erreicht hat.  Mit handgewebter Tapisserie, Doppelweberei, Goldfaden und Frauenhaar erzielt sie eine erstaunliche Tiefenwirkung. Hier lohnt sich unbedingt der Blick auf das Detail.

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Die „Frauen in den Fünfzigern“, ebenfalls von Laima Oržekauskiene, haben mir schon bei der TEXTILE ART BERLIN 2014 ausnehmend gut gefallen. Hier bin ich noch einmal näher heran gegangen und habe die feinen Details bewundert. Bei diesen Arbeiten ist neben Tapisserie und Doppelweberei auch Digitaldruck auf der Kette zum Einsatz gekommen.

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Computergesteuerte Jacquardweberei setzt Monika Žaltauskiatė-Grašienė zur Gestaltung der „Klamotten der Heiligen Maria“ ein. Auch hier ist der Blick aufs Detail absolut faszinierend.

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Almyra Weigel zeigt in einer wunderbaren Installation aus 11 Bildern mit horizontal oder quer verlaufenden Papierschnüren „Wissen aus zweiter Hand“.  Sie erläutert dazu: „Jedes Bild war zuvor eine Drucksache – eine bestimmte Zeitung oder Zeitschrift. Die Bildgröße entspricht dem Format der jeweiligen Drucksache. Die Oberflächenstruktur reproduziert den Inhalt neu.“

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Bronė Sofija Gideikaitė und Monika Žaltauskiatė-Grašienė haben in Zusammenarbeit mit Ignas Kazakevicius die Installation „Absolute Gleichheit“ gewebt und genäht. Es sind übergroße Babybodies mit Namensschildern, auf diesem hier steht: „Gabriel, 2 Monate alt, fesch, Fernsehstar.“ Auch die anderen Bodies haben solche Schilder, zumeist von Babies und deren späterem Leben.

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In ihrem Kunstwerk „Schmerzensmann II“ hat Lina Jonikė auf ein Kunststoffpanel, das vor ein  Foto montiert ist, sehr aufwändig gestickt. Ich war fasziniert von der Dreidimensionalität und der phantastischen Stickerei der Arbeit.

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Abschließend möchte ich einen hier ausgestellten Maler erwähnen, der mir mit seinen sehr surrealistischen Arbeiten ausnehmend gut gefallen hat: Friedrich Schröder-Sonnenstern.  Ich muss zugeben, ich hatte noch nie von ihm gehört, dabei wurde er in den 50er Jahren schlagartig im Ausland als Deutschlands bekanntester Maler berühmt. Laut Wikipedia gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Art Brut oder der Outsider Art.  Da ich keine Bilder zeigen kann, empfehle ich, sie sich hier anzusehen.