Portraits & Interviews

Interview mit der Filzkünstlerin Yvonne Zoberbier

Die Filzkünstlerin Yvonne Zoberbier wird bei der TEXTILE ART BERLIN 2021 ihre erste Einzelausstellung präsentieren. Ich habe ihr Fragen zu ihrem Werdegang und ihrer Kunst gestellt.

Hat das Textile Sie schon in Kindertagen interessiert?

Eher nicht. Vielmehr hat mich die Vielfältigkeit der Natur schon immer fasziniert und inspiriert. Wenn es z.B. schneite, versanken meine Gedanken im Schnee. In der Natur sammelte ich alles, was ich schön und interessant fand: Blüten, Moose, Steine, Hölzer, Rinden. Begeistert haben mich da bereits verschiedene Oberflächenstrukturen in ihrer haptischen Vielfalt.
Das Interesse am Textilen kam erst später. Für  Mode habe ich mich als Teenager interessiert, eigene Pullover entworfen und gestrickt, andere Kleidungsstücke bestickte und verzierte ich. Damals entstand bereits das Bedürfnis, meine eigenen Kreationen zu erschaffen. Die eingeschränkten Materialien zu DDR Zeiten machten mich dabei erfinderisch!

Haben Sie textile Techniken zu Hause oder in der Schule erlernt?

Mir wurde es praktisch in die Wiege gelegt. Meine Großmutter war Weißstickerin und Korsagen Macherin. Vieles habe ich mir jedoch selbst beigebracht und einfach ausprobiert.

Bitte schildern Sie ihre Berufsausbildung.

Meine Berufsausbildung spielte für meinen künstlerischen Werdegang so gut wie keine Rolle. Den Beruf als Facharbeiterin für Textiltechnik habe ich mir nicht ausgesucht. Da es in der damaligen DDR nicht sehr viele Wahlmöglichkeiten gab und ich selbst noch nicht genau wusste, welche berufliche Richtung ich einschlagen wollte, wurde er mir letztendlich zugewiesen. Auch wenn ich dort verschiedene Prozesse der Textiltechnik (z.B. Färben) kennen gelernt habe, konnte diese Art der Arbeit mich keinesfalls inspirieren. Vielmehr wuchs in mir das Bedürfnis, einen ganz eigenen Weg zu gehen. Später beschäftigte ich mich durch meine eigenen Kinder eine Zeitlang verstärkt mit der Waldorfpädagogik und entdeckte Filz als Material.

Was hat sie an dem Material bzw. der Technik besonders gereizt.

Zunächst reizte es mich, mit Filz kleine Welten zu erschaffen, die meine Liebe zur Natur und den Naturwesen wiederspiegelte. Durch einfaches Tun verfeinerte ich meine Technik, meinen eigenen Horizont und bevorzugte zunehmend das Nadelfilzen. Ohne es selbst zu wissen, arbeitete ich dabei ähnlich wie eine Bildhauerin. Ich entwickelte eine Technik, Körper aus einem Stück fertigen zu können. Meine Objekte forme ich frei aus der Intuition heraus, ohne Hilfsmittel wie integrierten Draht etc. Dabei lasse ich mich ganz auf die intuitive Reise meines Inneren ein und weiß am Anfang oftmals nicht, welches Objekt meine Hände formen. Meistens bevorzuge ich die Farbe Weiß. Weiß verkörpert, physikalisch gesehen, nicht das Nichts, sondern Alles und lässt so einen unendlichen Spielraum des Schauens und Empfindens zu. Gern kombiniere ich meine Objekte und Skulpturen mit natürlichen Materialien wie z.B. Treibholz.
In Filz habe ich das Material gefunden, welches den Schichten meiner ganz persönlichen Wahrnehmung eine Gestalt geben kann.

Erzählen Sie uns etwas über Ihre Werke. Auf Ihrer Website habe ich beeindruckende Köpfe und Figuren entdeckt.

Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und aufmerksamer Betrachter all dessen, was mich umgibt. Mein Interesse gilt- neben der Natur- vor allem dem Menschen in seiner Vielschichtigkeit. Dessen Gesichts- und Charakterzüge sowie Eigenheiten ganz nuanciert herauszuarbeiten, fasziniert mich stets aufs Neue. Die Köpfe und Skulpturen sind Gegenstand meiner inneren Bilder. Oftmals inszeniere ich sie mit Fundstücken wie Treibholz, Rinden, Steine usw. Darin wird auch meine Liebe zu anderen Ausdrucksformen wie dem Tanz sichtbar.

Könnten Sie uns Ihren Schaffensprozess von der ersten Idee bis zum fertigen Werk beschreiben?

Dieser Prozess ist nicht wirklich erklärbar. Mein künstlerischer Schaffensprozess ist ein zutiefst weiblicher. Intuitiv entstehen Körper, Geschöpfe und hauchzarte Hüllen meiner eigenen inneren Wirklichkeit. Ich lasse mich dabei ganz auf den Dialog des Materials mit den Empfindungen meiner Seele ein. Das künstlerische Ergebnis ist am Anfang offen und kristallisiert sich erst allmählich heraus. Zum Beispiel entstehen die Gesichter aus der gebündelten Erinnerung an Menschen, die mein Leben wesentlich mit geprägt haben. Wie bei einem Puzzle können sich verschiedene Merkmale einzelner Menschen zu einem neuen Antlitz vereinen und so wiederum zur Fiktion werden.

Wie lange dauert die Arbeit an einem Kopf?

Zeit und Raum sind für mich im Moment des Schaffensprozesses nicht existent und so für mich auch nicht messbar. Meistens arbeite ich parallel an verschiedenen Ideen. Jede dieser Ideen hat ihre eigene Zeit und Daseinsberechtigung.

Bitte erzählen Sie uns über Ihre Ausbildung an der Filzschule Oberrot.

Um noch tiefer in den künstlerischen Prozess einzutauchen und neue Techniken und Sichtweisen zu erlernen entschied ich mich, eine dreijährige Ausbildung zur Filzgestalterin an der Filzschule in Oberrot zu absolvieren. Dort erhielt ich von erfahrenen Ausbilderinnen ein fundiertes technisches Filzwissen, gekoppelt mit künstlerischen Elementen der Gestaltung. Ich konnte dort vor allem Erfahrungen in der Nassfilztechnik und Komposition machen und profitierte von einer Gruppe ganz unterschiedlicher Künstlerinnen und ihren Sichtweisen. Es wechselten sich theoretische und handwerkliche Kurseinheiten ab und führten zu einem individuellen künstlerischen Abschlussprojekt.

Sie befassen sich auch mit figürlichem Zeichnen, bitte erzählen Sie uns davon.

Von allen Künsten, die mich umgeben wie Musik, Tanz, Malerei und Bildhauerei werde ich inspiriert. Ich  wage gern Neues, probiere mich in verschiedenen Kunstformen aus und besitze ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit, um meine eigene Filzkunst zu verfeinern. Um der Vielfalt des menschlichen Körpers auf die Spur kommen, habe ich mich mit dem Aktzeichnen auseinandergesetzt und am Modell gearbeitet.

Sie bereiten eine Ausstellung vor. Wo wird sie stattfinden und unter welchen Bedingungen?

In der Ausstellung „FilzAspekte“ zeigen 11 namhafte Filzkünstlerinnen vom 20.11.2020 bis 13.03.2021 Bilder und Objekte in den Räumen der Volkshochschule Neckarsulm. Ziel ist es, die Vielseitigkeit der Filzkunst zu zeigen, die durch verschiedene Arbeitsweisen oder durch die Verbindung mit fremden Materialien entstehen. Es wird eingeladen, die unterschiedlichen Filzkunstwerke aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Corona-bedingt gilt eine Anmeldepflicht und die landesweit aktuellen Hygienebestimmungen.

Die Website von Yvone Zoberbier ist: Yvonne Zoberbier – Filzplastiken (yvonne-zoberbier-filzplastiken.de)