Entzückend, bezaubern, hinreißend – wie anders ließe sich auch sonst eine Rose beschreiben! Rosen wurden wie kaum eine andere Blume seit Urzeiten geliebt, bewundert, verehrt, besungen, gepriesen… Seit dem Altertum werden Rosen in Gärten kultiviert. Griechen und Römer brachten von ihren Feldzügen Kultursorten der Rosen, wie etwa die Damaszenerrose, aus dem Vorderen Orient mit nach Europa. Sie nutzten die stark duftenden Blüten zur Gewinnung von kostbarem Rosenöl und pflanzten die ersten Ziergärten an. Mittelalterliche Kreuzritter hatten die wohl wichtigste Kulturrose Westeuropas aus Kleinasien mit im Gepäck: die purpurrote Apothekerrose oder Rosa gallica ‘Officinalis’. Menschen nutzten ihre Kräfte zum Heilen und Schützen, wie der Name Apotheker- oder Essigrose deutlich macht. Sie ist der Ursprung für zahlreiche noch existierende Alte Rosen der Gallica Gruppe, die noch in manchem Rosarium oder in Liebhabergärten zu bewundern sind. Da sie nur einmal blüht, ist sie mit dem Aufkommen der Kulturrosen leider etwas in Vergessenheit geraten.
An der Seite der zarten Lilien sind die Rosen an den ersten beiden Stellen in der Krongüterverordnung Karls des Großen zu finden: einmal Rosa alba und natürlich Rosa gallica. Sie sollten die Menschen auf berührende Art durch ihre Geschichte begleiten. So waren die weiße und die rote Rose Marienpflanzen und symbolisierten Mariens Freuden, ihre Jungfräulichkeit (weiß) ebenso wie ihre Schmerzen und verwiesen auf das Leiden Christi (rot). Im Märchen halten beide als Schneeweißchen und Rosenrot schwesterlich zusammen und werden dafür mit zwei liebenswerten Prinzen belohnt. In England war die rote Rose als „Red Rose of Lancaster“ das Symbol für einen schrecklichen Krieg, wobei ihre weißblühende Gefährtin als Symbol für das gegnerische House of York dienen musste.
Rosen galten als die wirksamste Medizin mancher Zeiten und wuchsen zweifellos in jedem Klostergarten. Bereits Plinius zählte 32 Heilmittel auf, die aus Rosen herzustellen waren. So soll jedes dritte Heilmittel Rosenbestandteile enthalten haben. Geschätzt wurden auch die Vitamin C enthaltenen Hagebutten. Zugleich waren Rosenessenzen bereits in der Antike auch ein gern verabreichter Liebestrank – war die Rose doch auch das Symbol der Liebe in Gestalt der Göttin Venus. In der Bildsprache des 18. Jahrhunderts versinnbildlichten Rosen die außergewöhnliche Schönheit der antiken Göttin Venus. Wenn der Maler François Boucher in seinen überlieferten Skizzen für ein großes Gemälde der Mätresse Madame de Pompadour Rosen am Ausschnitt des Kleides malt, ihr zugleich Rosen zu Füssen legt, dann verweist er damit auf die nahezu göttliche Schönheit dieser faszinierenden Frau.
In Stein gehauen, in Holz geschnitzt, auf Leinwand gemalt und in Keramik gebrannt, in feine Stoffe gestickt und in Liedern besungen, verzaubern sie bis heute. Wenn die Minnesänger die Schönheit der Geliebten mit einer Rose verglichen, werden sie eine rotfarbige Blüte vor Augen gesehen haben. Ob Königin, Magd, Ritter oder Knecht, Bauer oder Bettelmann – sie werden sie alle auf irgendeine Weise gesehen haben, vielleicht ließ ihr feiner würziger Duft die Betrachter für Momente die Mühsal des Lebens vergessen.
Zweifellos lässt sich über Rosen viel berichten. Wie die Rose in der Mode in Erscheinung trat und bis heute in vielgestaltiger Weise schmückt, verfolgt der Begleitkatalog zur Ausstellung „Ravishing: The Rose in Fashion“ im Museum at the Fashion Institute of Technology, New York (im Frühling 2021: ) http://www.fitnyc.edu/museum/exhibitions/upcoming/index.php. Dieser Band erzählt in fundierten Textbeiträgen ebenso wie durch umfangreiche farbige Illustrationen eine inspirierende Geschichte der Rose, wie sie sich auf seidenen Roben, dekorativen Vorhängen bis hin zu modischen Accessoires, Parfums und Schmuck nachverfolgen lässt. Dass sich dieser Band der Königin der Blumen widmet, zeigt nicht zuletzt die farbenfrohe, stark durch kräftiges Rot und zartes Rosa dominierte Gestaltung des Buches. Abwechslungsreich, ja regelrecht zauberhaft begleitet die Leserschaft bei dieser kunst- und textilhistorischen Reise die Rose als ein Symbol der Liebe und des Todes, des Handwerks und des Kommerzes, der weltlichen Versuchungen und der himmlischen Genüsse. Zur Rose der Poesie gesellt sich die Rose im Film, auf dem Catwalk, in der Duftherstellung. Während in erster Linie die historischen Epochen vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit im Fokus der Mode stehen, werden im Zuge der Interpretation durchaus auch Rückblicke auf weiter zurückliegende Zeiträume geboten.
Die Lektüre des Buches und das herrliche Schwelgen in den farbenfrohen Abbildungen erinnern daran, wie sehr durch die Darstellung der Rose unser zeitgenössischer Schönheitssinn mit dem Mittelalter oder dem Barock verbunden ist. Wenn uns das auf den ersten Blick kaum auffällt, gelinkt es den hier präsentierten kulturhistorischen Betrachtungen die facettenreiche Wahrnehmung auf das vielgepriesene Objekt der Verehrung und Liebe von gestern und heute zu verknüpfen. Die Darstellung der Textilien und der Menschen, die sie hergestellt und getragen haben, ist dabei nicht nur spannend, sondern oft sehr bewegend. Unweigerlich denkt man die Gedichtzeile von Gertrude Stein: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose – und geht auf eine blütenreiche Reise durch Zeit und Raum.
The Rose in Fashion
Ravishing
Amy de la Haye
Ausgabe in englischer Sprache
ISBN:9780300250084
240 Seite, 228 farbige und 38 schwarz-weiße Illustrationen‘
Yale University Press Newhaven and London 2020
https://www.yalebooks.co.uk/display.asp?K=9780300250084