Reportagen

Marion Baruch, Retrospektive – innenausseninnen – Luzern

Noch bis zum 11. Oktober 2020 zeigt das Kunstmuseum Luzern eine Retrospektive mit Arbeiten von Marion Baruch. Der folgende Text entstammt einer Medienmitteilung des Museums.

Entlang des langen Lebens der Künstlerin Marion Baruch (*1929) in Rumänien, Israel, Italien, Grossbritannien und Frankreich lassen sich die Zäsuren des 20. Jahrhunderts schildern: Faschismus, Kommunismus, Kapitalismus, Feminismus, Pazifismus, Migration, Klassen, Nationen, Religionen, Sprachgemeinschaften, politische Ideologien. Marion Baruch bezieht sich in ihrer Kunst auf gesellschaftliche Themen und beschäftigt sich mit Innenwelten und Aussenräumen.

innenausseninnen ist eine Wortschöpfung, die unmittelbar verständlich ist, nur steckt «aussen» hier im Innern. Sprache ist für Marion Baruchs Werk zentral.  innenausseninnen bezeichnet eine Suche nach einer Perspektive, eine Versuchsanordnung zu den Mechanismen des Ein- und Ausschlusses.

Für ihr Projekt une chambre vide (2009) räumte die Künstlerin ein Zimmer ihrer kleinen Pariser Wohnung leer, um während eines Monats jeden Nachmittag zum Gespräch einzuladen. Das Zimmer ist zwar leer, aber alles andere ist da: Offenheit, Neugier, das Glück des Austauschs, das warme Sonnenlicht… Anlässlich der Retrospektive bleibt denn auch ein Ausstellungsraum leer, diese «chambre vide» wird mit einer losen Reihe von Begegnungen, Diskussionen und Referaten fürs Publikum bespielt.

Marion Baruchs erste Skulpturen aus Stahl ab 1966 sind filigrane, begehbare Zeichnungen im Aussenraum. Eine historische Aufnahme zeigt die Künstlerin zwischen den Stahlträgern in einer turnerischen Pose. Diese Skulpturen dürfen berührt und sogar benutzt werden. Sie sind spielerisch und ihre Dimension ist auf den Menschen ausgerichtet. Innen und Aussen greifen ineinander.

Wir sind weder drinnen noch draussen. Marion Baruchs Kunst besteht darin, diese einladende Offenheit zu schaffen. Die Objekte Ron Ron (1972) und Lorenz (1972) sind eine Art unbrauchbare Möbel, Spielzeug im Kontext erwachsener Wohnungseinrichtungen, weder ganz Teppich noch ganz Hocker sind sie eine Einladung, unseren Sinnen mehr Raum zu gewähren. Mit dem Label NAME DIFFUSION reagiert Marion Baruch ab 1988 kritisch auf den Kunstmarkt. NAME DIFFUSION meint verteilen, teilen, miteinander als Prinzip, aber nicht als Dogma. Als Firma im Handelsregister eingetragen realisiert NAME DIFFUSION die Kunst in der Geschäftswelt. Die vermeintlich unterschiedlichen Systeme geraten durcheinander. Natürlich ist das Spiel und Systemkritik zugleich, Sichtbarmachung von Arbeitsstrukturen, Klassen oder Marktmechanismen sowie Freude am Experiment.

Viele von Marion Baruchs jüngsten Werken sind formal so stark, dass hinter ihrer minimalen Ästhetik die inhaltliche Komplexität fast verborgen bleibt. Mit Abfällen der Textilindustrie thematisiert Marion Baruch erneut Arbeitswelt und Ressourcenverbrauch. Die gedrehten und gedehnten Stoffreste schaffen aber vor allem erneut begehbare Bilder. Formal betrachtet arbeitet die Künstlerin gerne mit Leerstellen, mit Durchsichten, Transparenz, Aussparungen. Sie selbst spricht von «void», aber meint damit nicht das spirituelle Nichts. Eher ist diese Leere ein Freiraum im wörtlichen Sinn, der als Einladung ans Publikum zu verstehen ist, diesen Raum zu betreten. Sie selbst, die Künstlerin, und wir, die wir vor und in ihrem Werk stehen, erfahren die Transformation des Sichtbaren ins Unsichtbare körperlich, wir sind innen und aussen zugleich.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Fanni Fetzer und Noah Stolz.

Das Foto über dem Artikel zeigt Marion Baruch in ihrem Haus in Gallarate, Italien, Foto: Marc Latzel

Kunstmuseum Luzern
Europapatz 1
Ch 6002 Luzern, Schweiz
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr
Mittwoch 11-19 Uhr
Montag geschlossen