Reportagen

„Frei sein“ – Entstehung einer Ausstellung bei der TEXTILE ART BERLIN 2017

Eine Gruppe von Frauen besuchte im September 2016 die Internationale Triennale der Tapisserie in Łódź, Polen. Bei einem Nachtreffen wurde die Idee zu einer Ausstellung bei der TEXTILE ART BERLIN 2017 geboren. Beim ersten Arbeitstreffen schilderten die Frauen, was sie für die Ausstellung planen, beim zweiten Arbeitstreffen beschrieben sie, was aus ihren Plänen und ihren Arbeiten wurde.  Die Ausstellung mit 25 Arbeiten wird auf der TEXTILE ART BERLIN 2017 auf dem Phorms-Campus Berlin-Mitte im Erdgeschoss in der Halle 2 unter dem Titel „Frei sein“ gezeigt. Ich zeige hier nur Detailaufnahmen als Appetithäppchen.

Margit Gröhlich
Beim ersten Treffen erzählte Margit: „Ich habe eine Arbeit angefangen und einen Stoff mit drei verschiedenen Farben marmoriert. Das wird jetzt noch mit Garn und Perlen ausgearbeitet. Es entsteht. Ich weiß noch nicht, wie es zum Schluss aussehen wird. Ich schaue es mir jeden Abend an und denke, jetzt muss ich da noch etwas und dort noch etwas machen.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte erzählt, dass ich eine Baumwolle marmoriert habe. Ich wusste dann gar nicht, wie ich weitermachen soll. Dann dachte ich, ich sticke die verschiedenen Farben einfach aus. So habe ich angefangen, aber auf einmal hat sich das bewegt und es kam zusätzlich eine Bewegung in diese marmorierte Struktur und dann sind auch noch Tiere entstanden. Letztendlich ist es für mich eine Unterwasserlandschaft geworden. Es ist wirklich gewachsen. Ich habe das nicht in einem Stück durchgemacht, sondern ich habe es immer mal wieder an die Wand gestellt und geguckt und es ist mehr und mehr lebendig geworden. Natürlich habe ich dann in meinem Fundus die passenden Sachen dazu gefunden, ob das Perlen oder Seidenfäden waren oder Agavenseide war. So ist es fertig geworden.“

Eva Kowalski
Beim ersten Treffen erzählte Eva: „Ich bin noch im Denkprozess. Wir haben ja das Thema „Frei sein“ und als wir das damals angesprochen haben, fiel mir gleich ein Buch ein, das ich mir vor Jahren gekauft habe. Da ging es um die Romantik, um Hölderlin. Der Titel ist eine Gedichtzeile von Hölderlin: „Ins Ungebundene geht eine Sehnsucht“. Es geht um Romantik und zu dem Thema werde ich auch arbeiten. Vielleicht beziehe ich neben Hölderlin auch Ingeborg Bachmann mit ein. Ich arbeite meistens mit Collage-Techniken. Es wird Textil.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte einen sehr literarischen Ansatz mit der Romantik und Hölderlin und mir ursprünglich vorgestellt, Textstücke in diese Arbeit einzubringen, z.B. Elemente aus alten Bücher zu benutzen. Das habe ich irgendwann verworfen.
Mir gefallen diese alten Sitze von Lederstühlen so gut, die schon kaputt sind, aus denen das Füllmaterial, das Rosshaar, herauskommt. Ich dachte mir, so etwas möchte ich gerne machen. Dann habe ich ein Experiment gemacht. Ich habe eine schmale rechteckige Arbeit bezogen und gepolstert und dann einen Schlitz hineingemacht. Ich habe erst nur ein quadratisches Teil mit Öffnungen gemacht, aus denen sozusagen das Innenleben mit Macht ins Freie dringt. Dann habe ich in der Richtung weitergearbeitet und ein Triptychon mit drei Arbeiten gemacht. Eines mit Schlitzen, das andere hat einen etwas opulenten Untergrund, der aber trotzdem nicht in der Lage ist, das, was drin ist, zu halten, wo also zumindest optisch die Fäden herausquellen. Und auch beim dritten versuchen die Fäden, wenn auch in geordneter Form, den Körper zu verlassen.“

Birgit Ströbel
Beim ersten Treffen erzählte Birgit „Ich bin keine Textilfrau, sondern die Papierfrau. Ich bin Bibliothekarin, das passt ja. Ich habe angefangen, ganz viel Material zu sammeln und auszuschneiden. Ich habe mir als erstes eine Präzisionsschere gekauft. Was sehr gut passte: Ich bin gerade dabei, alte Theater- und Balletprogramme und solche Sachen auszumisten und habe ganz viele Abbildungen gefunden. Daraus kommt wahrscheinlich auch das Thema, es hat etwas mit Tanz zu tun, zu verschiedenen Epochen. Ich habe schon ausprobiert, mit Legen. Ich bin mittendrin und es macht Spaß.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte erzählt, dass ich als erstes angefangen hatte, ganz viel Material für Collagen zu sammeln. Das habe ich weitergemacht. Und dann habe ich mich sehr beschäftigt mit dem Thema „Frei sein“. Das Thema hat mich schon fasziniert und ich habe mir immer wieder überlegt, was bedeutet denn „Frei sein“ für mich und womit verbinde ich das. Ich habe dann drei Themen gefunden, deshalb sind es auch drei Teile geworden: das erste ist „Tanzen“, das zweite „Träumen“ und das dritte „Neues Wagen“. Das habe ich in Collagen umgesetzt. Als Untergrund habe in meinen Schätzen ein ganz schönes Papier gefunden. So wie ihr Stoffschätze habt, habe ich Papierschätze. Dann habe ich gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, wenn man unterschiedliches Papier kombiniert, dass nämlich die Farben harmonieren und dass die Farbstärke und die Tonigkeit der Farben zusammenpassen müssen.“

Klara Atalla
Beim ersten Treffen erzählte Klara: „Ich bin dabei, mit Stoffen zu arbeiten, die alle schwarz/weiß gestreift sind und mache damit verschiedene Experimente. Ich habe zwei Arbeiten schon mitgebracht, die ich nachher zeigen kann. Ich bin damit aber noch nicht zu Ende. Oft ist es so: Ich habe eine Idee und denke, das ist ganz super und wenn ich es dann nähe, denke ich mir, nein, daran muss ich noch weiterarbeiten. Es ist also noch nicht zu Ende.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte ja letztes Mal schon zwei Arbeiten mitgebracht. Ich war auf der Suche nach Möglichkeiten, mit Linien zu arbeiten und die Linien in Bewegung zu bringen. Ich hatte ursprünglich vor, noch eine dritte Arbeit zu machen, aber die ist nichts geworden, sie wollte nicht, so dass ich mich auf die beiden Arbeiten, die ich letztes Mal schon mithatte, beschränke.“

Christel Rebuschat
Beim ersten Treffen erzählte Christel: „Ich habe mich mit der Frage befasst: Was wird vielleicht 2030 sein? Werden die Roboter vielleicht die Menschen antreiben, was heute umgekehrt ist. Das habe ich als Entwurf schon gemacht, aber erst auf Papier.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich bin meiner Überlegung vom Anfang an treu geblieben und habe versucht, das Bestmögliche daraus zu machen. Ich habe mühselig einen Roboter entwickelt. Mein Thema war ja, wäre ein Machtwechsel 2030 möglich? Werden die Roboter so intelligent programmiert, dass sie die Menschen beherrschen und nicht umgekehrt? Ich habe ein Sprachmodul gefunden, das mein Thema ein bisschen humorvoll unterstützt. Dieses Modul habe ich im Kopf eingearbeitet. Der Roboter stellt drei Fragen: Wer ist denn hier der Boss? Meckert hier etwa einer über den Boss? Jetzt komm mir nicht wieder mit Gehaltserhöhung!  Wenn man die Kopffasern des Roboters antippt, dann spricht er. Ansatz war die Frage: Was wird daraus? Es ging ja ruckartig durch die Presse, es wurden x Artikel darüber geschrieben, was vielleicht wirklich möglich wäre und das habe ich versucht, in drei Teilen umzusetzen. Die Menschen links und rechts, abstrakt dargestellt, und in der Mitte der Roboter, der das lenkt.“

Erika Hintze
Beim ersten Treffen erzählte Erika: „Ich bin noch in der Phase des Überlegens. Ich möchte gerne aus Alt Neu machen, Upcycling. Ich hatte die Idee, die vielen Deckel von meinen Saftflaschen zu verwenden. Ich habe mir überlegt, ob ich sie beziehe oder beklebe, wie ich die auf die Platte bringe. Zwischenzeitlich ist mir die Idee gekommen, dass ich daraus ein Mühlespiel bauen könnte. Ich habe einen kleinen Anfang mitgebracht. Ich möchte mit den Deckeln in verschiedenen Farben dieses Mühlespiel simulieren. Das war eine Idee. Dann ist mir heute noch eine zweite Idee eingefallen. Ich habe noch echte Schafwolle, die habe ich mal gewaschen, daraus könnte ich auch etwas Wolkenartiges, vielleicht mit Perlen gestalten. Ideen habe ich genug, ich bräuchte vielleicht nur noch mal einen Ratschlag.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte erst vor, etwa zu machen, das einem Schachbrett ähnlich ist, habe davon aber Abstand genommen. Ich habe mich dann entschieden, etwas mit roten und schwarzen Stoffen zu machen. Ich habe willkürlich Schnipsel oder Ausschnitte arrangiert, ohne geometrische oder bildliche Anordnung. Es heißt: Rot trifft Schwarz. Die Stoffe sind von längst verstorbenen Tanten von mir. Die Stoffe waren immer noch da und dann sind sie mir wieder in die Hände gefallen und ich fragte mich, was machst du mal draus. Ich habe sie irgendwie arrangiert und von jeder Tante einen Stoff genommen und von mir noch etwas dazu getan und alles ein bisschen in Form gesetzt. Die Farben sollen auch die unterschiedlichen Ansichten symbolisieren, die in den Generationen aufeinandertrafen. Es gab ja auch immer ziemliche Konflikte im Zusammenleben.“

Natacha Wolters
Beim ersten Treffen erzählte Natacha: „Ich interessiere mich für offene Türen, offene Fenster, offene Höhlen, wo man nach draußen etwas sieht oder auch nicht. Das ist mein Thema.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte gesagt, ich arbeitet oft auf Türen- und Fensterbildern. Ich habe immer auch Sachen, die angefangen und nicht abgeschlossen sind. Das ist sehr produktiv, denn irgendwann hat man einen neuen Blick drauf und hat neue Ideen. Ich hatte sowieso vor, eine gewebte Miniatur in Szene zu setzen und ich habe dazu mit meinen momentanen Lieblingsfarben gearbeitet. Ich hebe alles auf. Ich habe eine spezielle Box mit ganz kleinen Resten aus einem anderen Abschnitt meines Lebens, in dem ich sehr viel auf Seide gemalt habe. Ich habe den Hintergrund aus ganz kleinen Stoffstückchen gemacht. Das hat sich weiterentwickelt und ist zu einem kleinen Monument geworden, finde ich. Die ganze Zeit habe ich parallel auf Stramin gestickt und irgendwann habe ich die zwei Sachen zusammen gesehen und es war im Grunde genommen genau dieselbe Farbskala. Es gibt natürlich keinen Zufall.“

Edda Gehrmann
Beim ersten Treffen erzählte Edda: „Ich bin chaotisch und spontan. Auch meine Ideen sind chaotisch und spontan, das geht alles hin und her und durcheinander. Ich habe ein paar Versuche gemacht: Erst traditionell. Da ist mir beim Bettenschütteln die Feder eingefallen. Das Thema „Frei sein“ kommt mir sehr entgegen. Ich dachte: Die Feder, die Leichtigkeit. Ich habe mit weiß und hellblau etwas gemacht.  Oder dann habe ich die kleinen Figuren aus den Überraschungseiern in den Backofen geschoben und geguckt, wie sie ihre Form verändern, habe ein Bügeleisen draufgesetzt und habe daran gestaltet. Ich habe zusätzlich Kleckse mit Kreide gemacht und darüber gebügelt, damit die Kreide zerschmilzt.  Oder – weil ich mich frei fühlen wollte – nach keinen Regeln arbeiten, habe einfach genäht, geschnitten, genäht, geschnitten, nach dem Motto: Cutting free. Dann habe ich etwas mit Rollen gemacht: Rolling free.“

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Beim zweiten Treffen berichtete sie: „Ich hatte beim letzten Mal mehrere Arbeiten mitgebracht. Ich habe einfach ausprobiert, mich völlig frei gefühlt. Eines ist entstanden, in dem ich einfach in den Papierkorb gegriffen und gesehen habe, was ich da habe und wie ich das gestalten kann. Dann habe ich ein Drahtnetz um eine Weinflasche gesehen und dachte, oh, das kannst du abmachen und vielleicht darauflegen. Oder ich wollte sehen, was passiert, wenn man die kleinen Figuren aus den Überraschungseiern heiß macht und schmilzt. Beim Anbringen auf Wellpappe habe ich gesehen, es stimmt nicht ganz, es guckt noch etwas Wellpappe vor. Aber ich dachte, keine Zwänge, „Frei sein“ ist das Thema, fühl Dich völlig frei und mach‘, wie es kommt.“

Ute Wennrich
Ute konnte nur am ersten Treffen teilnehmen, sie sagte uns: „Meine Arbeit, die ich hier präsentieren werde, ist eigentlich eine Folgearbeit dessen, was ich vorher schon an zwei Stellen gemacht habe. Der Ursprung waren kaputte Staubsauger, damit verbunden war der Neukauf eines neuen, damit waren die alten Staubsaugerbeutel nicht mehr brauchbar. Parallel habe ich schon seit mehreren Jahren immer aus dem Flusensieb des Wäschetrockners die Wäscheflusen gesammelt. Mir fiel auf, dass die eine unglaublich delikate Farbigkeit haben. Das war meine Ausgangsbasis für Objekte namens Alltäglichkeiten. Das ist Upcycling, Freiheit aus dem Tun einer Hausfrau. Der Untergrund ist allerdings nicht mehr ein Staubsaugerbeutel, sondern eine Fallschirmseide, die ein Geschenk einer Frau an die Mutter einer Freundin nach dem Krieg war. Es sind also lauter gebrauchte Materialien außer die Platte, auf dem es montiert ist.“

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Brigitte Herbich
Brigitte konnte nur am zweiten Treffen teilnehmen, sie berichtete: „Ich hatte viele bunte Sachen im Kopf, aber ich konnte mich nicht festlegen. Ich bin in meinen Fundus gegangen und habe alle meine Ufos in der Wohnung ausgebreitet, aber mir ist nichts Gutes dazu eingefallen. Dann war ich eine Zeit krank und irgendwann hatte ich eine Idee. Eine Idee von Wasser, Sturm, Dunkelheit, aber der Aufschlag kommt zu Strand. Als ich im Bett lag, schwach, da war auf einmal dieses Bild von diesem tobenden Meer, und dann eröffnete sich das Ausplätschern des Sturms am Ufer, Helligkeit, Sedimente, vom Meer mitgetragen, und das Ankommen war einfach gut. Das ist das, was dann daraus geworden ist.“

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Renate Büning-Feyzee
Renate konnte nur am zweiten Treffen teilnehmen, sie berichtete:  „Ich bin davon ausgegangen, dass das Thema „Frei sein“ eine Pflichtübung ist. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich zu meinem Bild gekommen bin, auf jeden Fall sind da Schildkröten, die sind eingezwängt in ein Gefängnis und der Titel heißt: „Ob sie den Weg ins Freie finden?“ Das hat sich so entwickelt und ist so fertig geworden.“

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Aus der Runde wurde Renate gefragt: „Was hat dich bei den Schildkröten so angesprochen?“ sie antwortete: „Ich hatte einen Stoff mit diesen Schildkröten, und diese Schildkröten fielen mir in die Finger und dann waren sie plötzlich in dem Bild.“