Reportagen

Besuch bei der Messe Nadelwelt in Karlsruhe

Platz! Das ist mein erster Eindruck beim Blick in die riesige Halle. Platz zwischen den Ständen und sehr viel Platz für Tische und Stühle.  Ich kann mich ohne Gedränge setzen und ohne Maske etwas essen und trinken.

Den schönsten Stand hat meiner Meinung nach Heide Stoll-Weber mit ihren selbstgefärbten  Stoffen. Der aufgefaltete Stoff rechts sieht für mich aus wie ein Blick ins Universum.

Angefangen habe ich aber mit den Ausstellungen, die rund um die Halle aufgebaut worden waren. Zwei davon habe ich schon in Ste. Marie aux Mines gesehen, die der Deutsch-Afghanischen Initiative und die der Schweizer Künstlerin Paola Zanda. Das bot die Gelegenheit, Gespräche in Ruhe zu vertiefen. So zeigte mir Paola Zanda ihr Skizzenbuch und beschrieb ihren Weg zum Quilt. Sie inspiriert sich an Rinde, zeichnet besondere Rindenmuster, dann vereinfacht sie die Zeichnung und koloriert sie. Auf der Grundlage ihrer kolorierten Zeichnung erstellt sie Papiermuster, mit deren Hilfe sie die verschiedenen Stoffteile ausschneiden und zusammensetzen kann. Dann quiltet sie mit einfachen vertikalen Linien mit bunten Garnen. 

Besonders gut gefallen hat mir die Ausstellung der Gruppe „Lace Time“. Unter diesem Namen  treffen sich seit 2014 regelmäßig zehn Klöpplerinnen aus drei Ländern. Ausgehend von den charakteristischen Merkmalen der fünf Elemente der chinesischen Elementenlehre (Feuer, Erde, Metall, Wasser und Holz) haben die Klöpplerinnen ihre eigenen Interpretationen in zeitgemäße Spitzen(kunst)werke umgesetzt.

Die beiden Künstlerinnen Brunhilde Scheidmeir und Jude Kingshott arbeiten und unterrichten seit Jahren gemeinsam. Während Brunhilde Scheidmeier mit Blättern und anderen Pflanzenmaterialien arbeitet, um damit einzigartige gedruckte und gefärbte Stoffe und Papiere herzustellen, arbeitet Jude Kingshott mit Indigo und verschiedenen Reservierungstechniken. Sie erweitert ihre Arbeiten durch individuelle Handstickerei. Die beiden Künstlerinnen präsentieren eigene Arbeiten und Gemeinschaftsarbeiten. Die drei Arbeiten links wurden von Brunhilde Scheidmeier gefärbt und dann von Jude Kingshott bestickt.

Die niederländische Gruppe 4Friends besteht aus Janine Wetzels, Marjon de Vroed, Marloes van Rees und Ria Braspenning.  Die vier Künstlerinnen zeigten die Ausstellung ‚Neu Kalibriert‘.
Die Werke von ‚Neu Kalibriert‘ entstanden vor, während und nach der COVID-19-Zeit. Besonders beeindruckt haben mich diese beiden Arbeiten von Ria Braspenning.

Galla, eine französische Künstlerin russischer Herkunft, arbeitet seit drei Jahren an einer Serie von Porträts von Heldinnen, Göttinnen und Feen, Musen und weiblichen Bildern in der Mythologie verschiedener Kulturen. Für Galla drückt in erster Linie die Farbe Emotionen aus.

In den Beschreibungen der Ausstellungen auf der Website finde ich Einiges über Andrea Glittenberg-Pollier, eine deutschen Textilkünstlerin, die seit 40 Jahren in den französischen Alpen lebt. Sie liebt das Freihandsticken. Sie nutzt Organza, Organdi, Tüll, Papier und viele andere Arten von Stoffen. Sie färbt mit Naturprodukten wie Rost, Ocker, Indigo etc. Sie stickt sowohl mit der Hand als auch mit der Maschine.

Annemiek Stijnen lässt sich von Afrika, afrikanischen Stickereien und Stoffen  insprieren.  Hier rechts der Quilt „Laundry Day“, Waschtag, den sie gemeinsam mit Elli Prins geschaffen hat. An ihrem Stand werden auch die Stickereien des Tambani-Projekts in Südafrika verkauft.

Das Projekt „Schrottgeschichten“ der Gruppe TeXperiment, deren Mitglieder aus verschiedenen Orten in Baden-Württemberg kommen,  beschäftigt sich mit Metall in der Kombination mit textilen Materialien. Besuche auf einem Schrottplatz und die Begutachtung der gefundenen Schätze bieten die Inspiration für die gezeigten Werke.
Ich lese in der Ausstellungsbeschreibung: „Wir haben uns zusammengefunden, um gemeinsam an einem Thema zu arbeiten. Unsere künstlerischen Stile sind unterschiedlich, aber wir teilen die Liebe zur Textilkunst, zu ausgefallenen Materialien und Techniken, den Wunsch zu lernen und zu experimentieren, und vor allem, uns auszutauschen und zu wachsen.“

Dörte-Ina Liebing zeigte vorwiegend Arbeiten, die in den letzten beiden Jahren entstanden sind. Die Arbeit „Charlie“ links wirkt wie eine Mauer aus Ziegelsteinen. Jeder „Stein“ ist  aufwändig gestaltet.

Die Patchworkgruppe Karlsruhe hatte ihren Mitgliedern 2020 folgendes Thema gegeben:
„Wähle eine Farbe aus, um einen monochromen Quilt zu nähen. Von hell bis dunkel, gemustert, uni oder handgefärbt, alle Stoffe sind erlaubt. Für eine spannendere Gestaltung soll eine zweite Farbe hinzugefügt werden, welche höchstens zehn Prozent des gesamten Quilts ausmachen darf.“ Mir gefielen die beiden Quilts von Petra Becker und Elke Führer mit dem Grundton „Blau“ besonders gut.

In der Gemeinschaftsausstellung der Künstlerinnen Doris Leuenberger, Barbara Wartenberg und Monika Schiwy-Jessen bin ich eine ganze Weile stehen geblieben. Die Künstlerinnen hatten sich geeinigt, zum Thema „Weitblick“ zu arbeiten, um der Ausstellung einen Rahmen zu geben, wobei jede das Thema ganz individuell interpretiert hatte.

Monika Schiwy-Jessen sagte zu ihren Werken: „Der Blick in die Weite, in die Landschaft und den Blick schweifen lassen, das hat mich zu meinen Arbeiten inspiriert. Die Natur und unsere Umwelt ist eine stetige Quelle für mein kreatives Schaffen.“

Barbara Wartenberg formulierte es so: „Weitblick“ hat für mich neben der räumlichen (in die Weite blicken…) auch eine zeitliche Dimension: Vorausschau, in die Zukunft schauen, vorausschauend handeln etc. Diesen Aspekt beinhaltet auch mein Motto „Altes bewahren – Neues gestalten“. In meinen Arbeiten spiegelt sich dies in der Auswahl des Materials, der Gestaltung und Ausführung wider.“

Doris Leuenberger schrieb: „Weitblick in die Zukunft bedeutet für mich achtsam mit den Ressourcen umzugehen. Ich setze mich mit vorhandenem und gefundenem Material auseinander und lasse mich davon inspirieren. So entstehen meine „Wiederverwertungswerke“.

Bei dieser Arbeit wollte ich genau wissen, wie sie entstanden ist und Doris Leuenberger schrieb mir: „Für die Bilderserie Worte erblühen habe ich Papiereinkaufstüten als Leinwand gewählt. Ich habe diese mit Gesso bestrichen und Strukturen eingearbeitet. Mit Transfers aus Worten (Zeitungen) und Bildern (Zeitschriften) wurde der Hintergrund gestaltet. Anschliessend colorierte ich diese mit verschiedenen Techniken und Malmedien wie Kreide, Aquarell und Dispersionsfarbe. Die Worte lies ich mit gezeichneten, textil benähten Blumen erblühen und ergänzte noch mit eigener Schrift.“

So sehr sich die drei Künstlerinnen über die Möglichkeit freuen, ihre Arbeiten dem Publikum zu zeigen, sie klagen doch alle drei über die schlechte Beleuchtung ihrer Ausstellung. Die wenigen Deckenleuchten können den Stand nicht zufriedenstellend ausleuchten. Das ist vor allem bei dunkleren Arbeiten schade, deren Details man kaum erkennen kann.

Sehr amüsant fand ich die Arbeiten von Birgit Friese von der Gruppe Alküns. Sie schreibt von sich auf ihrer Homepage: „Die Basis meiner Arbeiten ist textil. Dabei ist es eine Herausforderung für mich, textile aber auch nicht textile Materialien wie Plastik, Draht, Fundstücke aus Haus und Natur in ihrer Vielfalt zu entdecken und sie mit der passenden Technik in einen Kontext zu stellen. Auch hier spielt die Neugier eine große Rolle. Die technischen Möglichkeiten sind unerschöpflich.“

Zu guter Letzt noch zwei schöne Arbeiten aus der Ausstellung „Hand in Hand“. Die Arbeiten sind aus internationalen, jurierten Wettbewerbsausstellung hervorgegangen, die Pascale Goldenberg vom Verein Guldusi initiiert hat. Mit mit Hilfe von mehreren  Stickprojekten werden Frauen in Afghanistan unterstützt.