Ein Webstuhl mit 14 Metern Breite, gibt es das überhaupt? Sie werden das Stück, das so in Portugal gewebt wurde, gleich im Bild sehen. Und diese riesige Tapisserie des bedeutenden französischen Künstlers Jean Lurçat hängt auch nicht in Frankreich, sondern im Saarland, genauer in Eppelborn.
Pastor Matthias Marx und Vikar Paul Ludwig haben den Künstler während eines Frankreich-Aufenthaltes für sich entdeckt. Nach Paul Ludwigs Tod am 10. Juli 1998 gründete Matthias Marx die Paul-Ludwig-Stiftung Jean Lurçat. 2002 wurde in der Ortsmitte von Eppelborn in der ehemaligen Mädchenberufsschule der Gemeinde das Jean-Lurçat-Museum eröffnet. Mittlerweile verfügt das Museum über 400 Exponate und immer wieder kommen neue hinzu. Nicht alles kann im Ausstellungsraum gezeigt werden.
Jean Lurçat (1892 – 1966) war Wegbereiter für eine Renaissance der Tapisserie in Frankreich und Deutschland. Er knüpfte an die Tradition der mittelalterlichen französischen Bildteppiche an. Seine teilweise riesig großen Tapisserien ließ er in der Gobelinmanufaktur von Aubusson in Frankreich und im Atelier Fino in Portalegre in Portugal weben. In der Nachkriegszeit war Lurçat für die deutschen Künstler in Mitteldeutschland eine Entdeckung und eine Quelle der Inspiration. Im Ausstellungsfaltblatt der Austellung „Textiler Herbst“ in Halle im Jahr 2016 hieß es: „Künstler wie u.a. Willi Sitte, Inge Götze, Werner und Rosemarie Rataiczyk setzten sich intensiv mit Lurçat auseinander. Sie waren tief bewegt und beeindruckt vom Werk des französischen Künstlers.“
Freundlich und kompetent führte mich der Vizepräsident der Jean-Lurçat-Gesellschaft Eppelborn e.V., Joachim Meyer, durch die Ausstellung. Er sagte es so: „Jean Lurçat hat die Tapisseriekunst aus den verstaubten Jahrhunderten in die Moderne geholt.“
Immer wieder sind wir stehen geblieben und haben Details bewundert und uns Gedanken über die Symbole auf den Tapisserien gemacht.
Diese 14 m breite Tapisserie mit dem Titel „Eloge“ wurde vom Atelier Fino in Portalegre in Portugal gewebt. Es ist eine Leihgabe eines großen Unternehmens, das nach einer Renovierung des Firmensitzes keinen Platz für das Werk hatte. Ich habe erst angenommen, die Tapisserie sei vielleicht in mehreren breiten Teilen entstanden, die dann zusammen genäht wurden. Oder sie wäre in einem Stück auf einem 3 Meter breiten Webstuhl von der Seite gewebt worden. Sie ist in WIrklichkeit in einem Stück gewebt worden, aber auf einem 14 Meter breiten Webstuhl. Zeigen kann ich sie aber nur in Stücken.
Bei Führungen werden die Kinder gern gefragt, ob sie die versteckten Fische auf dieser Tapisserie finden. Davon gibt es tatsächlich viele, suchen Sie doch selbst auch einmal.
Zur Herstellung einer Tapisserie erhält die Weberei einen sogenannten Karton. Der Karton wird als Webvorlage unter den Kettfäden befestigt. Bei einem Flachwebstuhl muss der Karton spiegelverkehrt gezeichnet werden. Beim Weben liegt der Karton hinter dem Webstück. Auch gewebt wird spiegelverkehrt. Erst wenn das Stück vom Webrahmen genommen wird, kann man das gewebte Bild richtig herum sehen. Von den Tapisserien gibt es mehrere Kopien. In der frühen Phase hat Lurçat die Kartons farbig gemalt. Später hat er dann Vorlagen gezeichnet, die aussehen wie Malen nach Zahlen. Auf den teilweise sehr kleinen Feldern stehen Zahlen, die Farben entsprechen.
In einem Film des Saarländischen Rundfunks, den Sie hier anschauen können, sehen Sie, wie Lurçat einen Karton herstellt.
Von einem Karton durften acht Orginalexemplare gewebt werden. Hier das Etikett der Tapisserie „Insektentafel“, das den Namen der Weberei, in diesem Fall die Galerie Inard in Aubusson, nennt.
Jean Lurçat hat sich nach dem 2. Weltkrieg in Saint Céré im Département Lot in Frankreich die Burg Saint-Laurent-les-Tours gekauft. Heute ist dort ein Museum. An der Wand hängen noch riesige Kartons in Originalgröße. Der Künstler ist auf einer Leiter hochgestiegen und hat Zahlen eingetragen. Er hat außer Schwarz keine Farben aufgemalt. Er hatte auch keine Proben der farbigen Wollfäden.
Die Kartons waren im Turm der Burg gelagert. Immer wieder ist Lurçat auf den Turm geklettert, hat Kartons auf den Burghof geworfen und verbrannt. Die kleinen Kartons in der Ausstellung sind von einem Kunststudenten gerettet worden, der sich gerade auf der Burg aufhielt. Er hat von Lurçats Frau die Erlaubnis bekommen, einige Stücke zu retten, Lurçat sollte es allerdings nicht bemerken. Der meiste Teil der Kartons hat diese Aktionen nicht überlebt.
Der Künstler ist selbst anwesend. Als ich den Raum betreten habe, habe ich die sitzende Person freundlich begrüßt und erst beim zweiten Hinschauen festgestellt, dass es sich um eine sehr lebensechte Figur handelt. Der Künstler Sebo Kaps aus Saarbrücken hat die Betonfigur nach vielen Fotos geschaffen.
Die Tapisserie mit dem Titel „Wo sich die Erde mit dem Himmel vermählt“ ist zwar in Felder unterteilt, aber die Felder bilden nicht wirklich Grenzen. Gewebt wurde sie im Atelier Pinton Frères in Frankreich. Zu Entdecken ist einer von Jean Lurcats Hähnen, ein Stachelschwein, die Sonne, eine Schildkröte … Gehen Sie selbst auf Entdeckungstour.
Wenn Lurcat gefragt wurde, warum er etwas genau so und nicht anders gestaltet hat, hat er manchmal gesagt, das wisse er doch selber nicht. Er hat nie eine Gebrauchsanweisung für seine Werke gegeben. Man muss genau hinsehen, manchmal auch mehrfach. Und man erkennt immer neue – manchmal versteckte – Details.
Hähne spielen bei Jean Lurçat eine wichtige Rolle. Hier gleich vier Tapisserien mit Hähnen. Der eine hat ganz filigrane Schwanzfedern: Es ist der sogenannte Hahn mit den Brüsseler Spitzen.
Keramik war das Ferienhobby von Jean Lurçat, erzählt Joachim Meyer. Er besuchte im Sommer einen befreundeten Keramikkünstler in den Pyrenäen. Dort machte er Entwürfe und bemalte das Original selbst. Die Keramikwerkstatt durfte dann eine bestimmte Anzahl von Kopien herstellen. Gern hat Lurçat große Platten bemalt. Ungewöhnlich ist sicherlich diese Doppelvase mit Sonne und Mond.
Vor diesem Musikinstrument sind wir eine ganze Weile stehen geblieben und haben erstaunliche Dinge entdeckt. Auf den ersten Blick zu erkennen sind die Tastatur des Keyboards oder Klaviers sowie die Noten dahinter, dann ist das unter der Tastatur in Blau vielleicht ein Häkeldeckchen? Auf jeden Fall steht links neben der Tastatur ein Glas Sekt. Das Instrument steht auf hölzernen Beinen, auch zwei Fußpedale sind zu erkennen. Über der Tastatur und den Noten kann man einen geöffneten Deckel vermuten und das Hellblau mit vielen Blättern deutet vielleicht die emporsteigende Musik an?
Auch zwei Tapisserien mit Schmetterlingen hingen an den Wänden. Aber schauen Sie nur genau hin, unter die Schmetterlinge auf der rechten Tapisserie hat sich ein Stachelschwein gemischt.
Ich kann einen Besuch im Museum nur warm empfehlen. Sie werden wunderbare Tapisserien, Bilder und Keramiken entdecken.
Jean-Lurçat-Museum
Auf der Hohl,
66571 Eppelborn
Geöffnet ist das Museum jeden Mittwoch und Sonntag von 14.30 bis 18 Uhr.
Über das Kulturamt, Telefon (0 68 81) 96 90, können beispielsweise Führungen angefragt werden.