Reportagen

Bericht über die Ausstellung Sculpting the Senses von Iris van Herpen

Ich dachte ja, an einem Tag im März mitten in der Woche kann doch eigentlich nicht viel los sein im Musée des Arts Décoratifs in Paris. Es ist ja schließlich nicht der Louvre. Aber weit gefehlt, um 11 Uhr, wenn morgens das Museum öffnet, waren die zwei Schlangen (mit und ohne vorgebuchte Tickets) über 100 m lang. Alle wollten unbedingt die Ausstellung mit Gewändern von Iris van Herpen sehen. Ich bin umgekehrt und erst am Nachmittag wiedergekommen. Da war die Schlange viel kürzer, dafür drängte es sich im Inneren des Museums auf zwei Etagen. Nach etwa 50 Gewändern auf der ersten Etage war ich schon von Eindrücken überwältigt. Aber auf einer weiteren Etage standen noch einmal so viele Arbeiten und das Gedränge wurde nicht weniger.

Wer ist die Künstlerin, deren Arbeiten alle sehen wollen? Iris van Herpen ist 1984 geboren. Sie ist eine niederländische Modedesignerin, die dafür bekannt ist, Technologie mit traditioneller Haute Couture zu verbinden. Sie gründete 2007 ihr eigenes Label Iris van Herpen.

Auf ihrer Website lese ich:
Im Haus von Iris van Herpen ist Haute Couture eine transformative Kraft, die Grenzen überschreitet und multidisziplinäre Technologien mit aufwändiger Handwerkskunst verbindet. Die visionären Kreationen der Marke vereinen bahnbrechende Techniken und luxuriöse Materialien, die oft ein Gefühl von avantgardistischem Staunen hervorrufen. Ob ein Kleid durch elektromagnetisches Weben geformt wird oder aus handgegossenem transparentem 3D-Leder besteht, das Haus stellt traditionelle Vorstellungen von Handarbeit in Frage, um ätherische Kleidungsstücke zu kreieren, die radikal zukunftsorientiert und exquisit feminin sind.
Das Atelier befindet sich in Amsterdam, wo neue Techniken geboren und kultiviert werden, Couture sorgfältig hergestellt wird und die Kleidungsstücke individuell benannt werden. The Art of Haute Couture by Iris van Herpen steht für Slow Fashion, für eine durchdachte und kollaborative Gestaltung, die auf modernste Methoden zurückgreift und den Weg für multidisziplinäre Designs ebnet, die die Vorstellungskraft erweitern.

Iris van Herpen in Zusammenarbeit mit Shelee Caruthers, Australien, Kleid Hydrozoa aus der Kollektion „Sensory Seas“ 2020.

Das Kleid wurde auf der Grundlage von türkisen und violetten abstrakten Gemälden geschaffen und besteht aus Plastikblättern, die mit Laser ausgeschnitten und auf bedrucktem Glas-Organza aufgeklebt wurden. Wenn sich die Blätter im Lufthauch bewegen, sieht es aus, als bewegten sich Pflanzen im Wasser.

Iris van Herpen, Hydromedusa, Kollektion „Sensory Seas“.

Das Kleid besteht aus einer Vielzahl von digital bedruckten Organzakreisen, die in Schichten heiß verklebt wurden. Die asymetrische Struktur, die sich aus diesem Montageverfahren ergibt, windet sich um den Körper der Trägerin und bekommt ein Eigenleben, das an die Bewegungen einer Qualle erinnert.

Iris van Herpen in Zusammenarbeit mit Shelee Caruthers, Australien, Kleid Sensory Seas aus der Kollektion „Sensory Seas“ 2020.

Iris van Herpen, Kleid Gaia aus der Kollektion „Roots of Rebirth“.

Crèpe de Chine, Stickgarn, Tüll.

Iris van Herpen, Kleid Henosis aus der Kollektion „Roots of Rebirth“.

Iris van Herpen verbindet in ihrer Kollektion „Roots of Rebirth“ Technologie und kunsthandwerkliches Können. Inspiriert wurde sie von Pilzen und ihren unterirdischen Netzwerken. Die Verbindung zwischen oben und unten wird auch durch das Kleid symbolisiert, bei dem durchscheinende Schichten aus weißer Spitze heiß verklebt wurden. Die lasergeschnittenen Flügel wachsen aus einem handbestickten Korsett heraus.

Iris van Herpen in Zusammenarbeit mit Nicholas Koscinski, Kleid Futurama aus der Kollektion „Meta Morphism“.

Recyceltes Polyamid mit dem 3-D-Drucker bedruckt (selektives Laser-Sintering), Silber, Seide, Organza, Tüll.

Iris van Herpen in Zusammenarbeit mit Isaie Bloch und Materialise, Kleid Cathedral, Kollektion „Micro“.

Dieses Kleid hat mich besonders beeindruckt. Ich weiß zwar nicht, wie man sich darin bewegen kann, aber toll sieht es aus! Die Künstlerin ließ sich von den gothischen Bauwerken in Europa inspirieren. Gekreuzte Bögen und Strebepfeiler sind organisch miteinander verbunden, um diesem ungewöhnlichen Werk, einer Verschmelzung von Architektur und Skulptur, Leben einzuhauchen. Das aus Polyamiden gefertigte Kleid wurde mit der SLS-Technologie 3D-gedruckt und anschließend mit Kupfer elektroplattiert, um den Effekt von gewachstem Holz zu erzielen.

Iris van Herpen in Zusammenarbeit mit Philip Beesley, Kleid und Cape Hypnosis aus der Kollektion „Hypnosis“.

Das schwarze Kaleidoskop-Muster wurde auf Duchess-Satin gedruckt, mit Mylar verschweißt und mit dem Laser in Tausende von kleinen Wellen geschnitten, die das Kleid bei jeder Bewegung des Körpers verwandeln. Das Muster verändert sich zu schnell, als dass das menschliche Auge es wahrnehmen könnte, wodurch eine optische Täuschung entsteht und die Grenzen zwischen Körper und Kleidungsstück verschwimmen.

Iris van Herpen, Kleid Syntopia aus der Kollektion „Syntopia“.

Das Kleid ist von den Bewegungen der Vögel inspiriert, die von Chronophotographie erfasst wurden. Die sich entwickelnden Formen der Tiere werden dank dieser Technik in nur wenigen Sekunden aufgeschlüsselt. Sogar die Architektur der Federn wird genutzt, um den menschlichen Körper in ein hybrides Wesen zu verwandeln, das die Grenzen der lebenden Organismen verwischt. Durchscheinende Blütenblätter aus schwarzem Organza sind mit einem lasergeschnittenen weißen Heiligenschein verschweißt.

Iris van Herpen, Kleid Narcissus, Kollektion „Meta Morhism“.

Sehr edel und eher ein Mantel als ein Kleid. Das Model Winnie Harlow hat dieses Kunstwerk aus Wolle und Satin getragen.

Iris van Herpen, Kleid aus der Kollektion Metamorphism.

Iris van Herpen in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Casey Curran, Daphne.

Diese Arbeit spielte eine wesentliche Rolle bei der Laufsteg-Show Metamorphism von Iris van Herpen im Jahr 2022. In Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Casey Curran schuf sie eine dynamische Daphne-Statue, die alle Blicke auf sich zog. Daphne entstand in der Zeit der Pandemie Covid 19 und feierte das Leben und unsere Fähigkeit, Widerstand zu leisten und uns anzupassen. Inspiriert durch den griechischen Mythos von Daphne und Apollo, ist das Stück eine Geschichte des Überlebens durch Transformation.

Iris van Herpen, Kleid Shift Souls, Kollektion „Shift Souls“ 2019.

Komon Koubou-Material mit Laser ausgeschnitten, Seidenorganza, Mylar.

Das Kleid Heliosphere aus Organza, Silikon, Spiegel-Mylar, PetG, Tüll und Swarowski-Kristallen, das Iris van Herpen speziell für Beyoncé angefertigt hat, durfte nicht fotografiert werden. Man findet es aber im Internet.

 

Die Ausstellung „Sculpting the Senses“ ist noch bis zum 24. April im Musée des Arts Décoratifs, 107 Rue de Rivoli, Paris zu sehen. Online Ticketkauf dringend empfohlen.
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 Uhr bis 18 Uhr.