Die französische Textilkünstlerin Jacqueline Govin wurde 1986 gebeten, zwei Ausstellungen mit französischen Textilkunstwerken in Japan zu organisieren.
Der Erfolg dieser Ausstellungen stellte einen Wendepunkt in ihrer Karriere dar. 1989/1990 absolvierte sie eine Ausbildung am « Institut Européen des Hautes Etudes d’Art et de Communication » in Paris. 1992 beschloss sie, sich ausschließlich mit der Konzeption und Präsentation interdisziplinärer Textilkunst/Fibre-Ausstellungen in Frankreich und im Ausland zu widmen. Hierzu gründete sie gemeinsam mit anderen die internationale Organisation Fibre Arts Synergy.
Zur Förderung des Kulturaustauschs auf nationaler und internationaler Ebene ist sie darüber hinaus Mitglied oder Korrespondentin zahlreicher Organisationen in aller Welt und liefert regelmäßig Beiträge zu zahlreichen internationalen Zeitschriften.
Bei der TEXTILE ART BERLIN 2014 konnte ich Jacqueline Govin interviewen. Jacqueline ist eine sehr bescheidene Frau, Interviews mag sie gar nicht so gern. Sie hat mir trotzdem alle Fragen liebenswürdig beantwortet.
„Ich sehe mich nicht als Textilkünstlerin. Ich setze textile Mittel ein, um Bilder zu illustrieren. Was ich nähe ist sehr figurativ, zum Beispiel nähe ich Szenen aus der Kindheit. Ich bin im Grund eine Illustratorin. Anfangen habe ich wie andere auch, mit ziemlich großen Stichen und dann habe ich meine Technik immer weiter verfeinert.“
Asahi Shimbun, eine japanische Zeitung, wandte sich an sie und forderte eine Arbeit für das Cover des monatlichen Magazins für Abonnenten an. Man bat sie, in ihren Stickarbeiten französische Kultur zu vermitteln. Sie stickte mehrere Jahre lang für das Cover des Magazins Szenen mit Kindern im Lauf der Jahreszeiten. Auf ihrer Website sind 12 dieser entzückenden Arbeiten zu sehen: http://jacquelinegovin.free.fr/
Ihre Arbeit als Organisatorin liegt ihr aber mehr am Herzen.
„Am wichtigsten ist es mir, die Arbeit derjenigen zu zeigen, die mit Textil arbeiten, es gibt da eine solche Vielfalt. Diese Arbeit ist mir wichtiger als meine eigenen Stickarbeiten, die in meinen ganz privaten Bereich gehören. Ich arbeite zwar mit der Hand, organisiere aber Ausstellungen mit Arbeiten, die mit Maschine gestickt wurden. Ich kann selber gar nicht mit der Maschine sticken, das möchte ich auch gar nicht. Wenn ich von Hand arbeite, kann ich nachdenken und träumen, da läuft eine Menge in meinem Kopf ab. Aber ganz klar, wichtiger ist mir meine Organisationsarbeit.“
Jacqueline Govin ist, auch da sie drei Jahre lang jeden Monat das Cover des monatlich erscheinenden Magazins von Asai Schimbum kreiert hat, unglaublich bekannt in Japan. Begonnen hat ihre Karriere mit dem ersten Preis des berühmten „Salon des Métiers d’Art“ in Paris. Natacha Wolters hat Jacqueline 1986 bei ihren Vorbereitungen von zwei großen Ausstellungen französischer Textilkunst in Japan kennen gelernt. Sie war fasziniert von ihrer Professionalität, ihrer Arbeitskraft und ihrer Art, sich auf jeden Künstler total zu konzentrieren, sodass jedes Werk im besten Licht präsentiert wird.
Dass die Textilkunst langsam wieder entdeckt wird ist kein Zufall: die langjährige Arbeit von Kuratoren und Künstlern wie Jacqueline Govin bewegen irgendwann das Unbeweglichste.
Jacqueline Govin erzählt mir von der Entwicklung der Textilkunst in Frankreich. In Frankreich habe es nach 1968 eine ganze Bewegung hin zu den textilen Handwerken gegeben. Da seien viele junge Leute aufs Land gezogen und hätten angefangen, Schafe zu scheren und zu spinnen. Damals sei zwar viel Textiles geschaffen worden, aber wenig mit künstlerischem Anspruch. Danach sei die Entwicklung eher wieder in die andere Richtung gegangen.
„Unter all den vielen, die textil arbeiteten, gab es Talente, die im Laufe der Jahre immer besser geworden sind. Einige Künstlerinnen sind exzellent und drücken sich mit textilen Materialien aus. In den kommenden zehn oder zwanzig Jahren wird man den Wert ihrer Arbeiten immer besser erkennen. Ich denke an zum Beispiel Simone Pheulpin und Marie-Rose Lortet mit ihren faszinierenden Arbeiten. Sie haben weiter im textilen Bereich gearbeitet, obwohl es in der Öffentlichkeit wenig Interesse gab.
Ich habe den Eindruck, dass seit vier oder fünf Jahren die Tendenz wieder in die andere Richtung geht. Die jungen Leute pflegen heute wieder die Arbeit textilen Materialien. Das ist ein bisschen wie in den 70er Jahren, anfangs ist es viel zu viel. Aber eines ist heute anders: Die jungen Menschen von heute machen eine Ausbildung an Kunsthochschulen. Dadurch erwerben sie eine gute Grundlage und können darauf aufbauen. Es gibt Hochschulen, an denen man eine textile Ausbildung machen kann, zum Beispiel in Modedesign oder Design von Accessoires.„
Jacqueline Govin verweist bewundernd auf England, denn in Manchester kann man beispielsweise einen Master im Weben machen. Die Kultur dort sei eine ganz andere. Sie habe in England Ausstellungen organisiert und festgestellt, dass die Öffentlichkeit in Sachen Textilkunst viel gebildeter sei als in Frankreich.
„In England ist schon 1964 das Sticken als Kunstform anerkannt worden. Selbst in England wird allerdings die Textilkunst nicht so hoch geschätzt, wie die „wahre“ Kunst. Die „wahre“ Kunst schaut auf die Textilkunst herab. In Frankreich ist das noch viel ausgeprägter. Wenn man allerdings bestimmte Werke betrachtet, welche Emotionen lösen sie aus! Die Attraktivität liegt sowohl im Taktilen, als auch im Visuellen. Man muss nur die Besucher von Ausstellungen sehen. Ich habe das mit meinem Mann beobachtet. Es gibt bei der TEXTILE ART BERLIN ein Werk mit herunterhängenden Bändern. Jeder will diese Bänder anfassen, man kann sich einfach nicht zurückhalten. Selbst Personen, die selbst Künstlerinnen sind, und selbst nicht möchten, dass ihre Arbeiten angefasst werden.“
Jacqueline Govin spricht dann über Fibre Arts Synergie, eine Gruppe, die sie xxx gegründet hat. Die Gruppe hat inzwischen etwa 40 Mitglieder und mehr sollen es auch nicht werden. Es sind die verschiedensten Richtungen der Textilkunst vertreten, im übrigen auch Arbeiten mit Papier. Die Mitglieder ihrer Gruppe hätten sich kontinuierlich weiterentwickelt, manche hätten jetzt sogar begonnen zu malen.
Ich frage sie, ob sie neben der Organisation von Ausstellungen noch Zeit zum Nähen findet und sie antwortet, momentan stehe keine Ausstellung an und sie habe ein wenig Zeit für eigene Arbeiten.
Bleibt mir nur, Jacqueline Govin herzlich für das Interview zu danken.