Renate von Löwis of Menar hat bei der TEXTILE ART BERLIN 2019 eine überaus faszinierende Ausstellung gezeigt. Ich habe sie spontan um ein Interview gebeten, um mehr zu erfahren.
Wann sind Sie erstmals mit textilen Arbeiten in Berührung gekommen?
Als ich ca. 10 Jahre alt war, begleitete ich meine Eltern, die einen Freund besuchten. Bei diesem Freund handelte es sich um den damals schon fast 80-jährigen Künstler Gustav Beck aus Österreich, welcher im Schloß Wolfsburg sein vom Kunstverein gesponsertes Atelier betrieb. Dieser Besuch und viele darauf folgende haben mein Leben verändert. Hier bekam ich eine riesige Wohnung präsentiert, die mit Bauhaus-Orginalen möbliert war und unter anderem eine Vielzahl von Textilien enthielt. Gustav Beck hatte ein enges Verhältnis zum Bauhaus und zu dessen Künstlern, man kannte und schätzte sich.
Dieses Erlebnis war der Grundstein für meine Begeisterung für Interior-Textilien und das Bauhaus. Natürlich habe ich erst einige Jahre später realisiert, was ich da für Schätze zu sehen bekam.
Haben Sie eine textile Ausbildung?
Ich habe eine Ausbildung als Handweberin absolviert.
Wie ist es zu Ihrer Begeisterung fürs Weben gekommen?
Mit 16 besuchte ich einen Kunsthandwerkermarkt, wo unter anderem eine Handweberin den Weg von der frisch geschorenen Wolle bis zum fertigen Produkt dokumentierte. Das hat mich sehr beeindruckt, so dass ich von da an wusste, was ich in Zukunft beruflich machen wollte.
Würden Sie uns erklären, wie sie die 3-D-Effekte in Ihren Arbeiten erzielen?
Die 3-D-Effekte ergeben sich ganz einfach aus 2 Techniken, dem Flachgewebe und dem Knüpfen. Ich benutze den ca. 2000 Jahre alten Ghiordes Knoten, aber in einer von mir abgewandelten Form, welche mir im Bewegungsablauf und der Effektivität mehr zusagt als die Orginaltechnik.
Das Bauhaus ist eine Quelle der Inspiration für Sie. Erzählen Sie uns davon.
Die Inspiration, die ich aus dem Bauhaus beziehe, ist in erster Linie die Farbigkeit. Ich liebe diese alten, satten Farben. Aber natürlich spielt auch die Sachlichkeit eine große Rolle. Manchmal ist „Richtig Viel -Mehr-“ und dann wiederum ist „Weniger -Mehr-„….. Das zu verstehen und umzusetzen, hat bestimmt 30 Jahre meiner kreativen Karriere eingenommen.
Ich kann mir Ihre Arbeiten beispielsweise in einer Ausstellung im Bauhaus-Archiv in Berlin oder in einem anderen Bauhaus-Museum vorstellen. Ist das geplant?
Vom heutigen Bauhaus wahrgenommen zu werden und möglicherweise sogar eine Zusammenarbeit zu starten, wäre ein großer Wunsch von mir, da ich mich kreativ mit keiner anderen Stilrichtung so verbunden fühle.
Wie arbeiten Sie? Könnten Sie anhand eines gewebten Werkes die Arbeit vom Entwurf bis zum fertigen Werk beschreiben?
Ich arbeite fast immer frei, dass heißt: ohne Entwurf. Nur wenn ich für einen Kunden ein Stück für einen bestimmten Raum kreieren soll, gibt der Raum dann ja schon die Farbigkeit vor und ich mache zum besseren Verständnis eine vage Skizze, mit dem Zusatz, dass es aber am Ende doch etwas abweichend werden kann. Bisher hat das immer gut funktioniert, dank des Vertrauens meiner überaus sachverständigen Kundschaft.
Sie malen auch. Ist die Malerei für Sie ebenso wichtig wie das Weben?
Die Malerei hat sich erst später entwickelt, ist mir aber inzwischen überaus wichtig geworden. Der Malstil, den ich über die vergangenen 15 Jahre entwickelt habe, fließt immer öfter auch in die textile Arbeit ein.
Wie schätzen Sie den Stellenwert der Textilkunst unter den Künsten ein?
Ich für mich schätze die Textilkunst auf Augenhöhe mit bildender Kunst ein, aber die bildende Kunstszene geht nicht auf Augenhöhe mit der Textilkunst um. In Ländern wie Australien, Großbritanien und den USA hat die Textilkunst allerdings schon einen höheren Stellenwert als in Deutschland.
Vor ein paar Jahren wurde ich eingeladen, ein Webstück nach Australien zu schicken und ich wurde für den Kate Derum Award nominiert, welchen ich am Ende zwar nicht gewonnen habe, aber ich habe mich natürlich sehr gefreut, dass man meine Arbeit in Australien bemerkt hat und auch schätzt.
Gibt es genügend Galerien und Galeristen, die Textilkunst ausstellen?
Ich finde nicht, dass es genügend Galerien gibt, die da offen sind. Allerdings kann ich verstehen, dass für Galeristen die Textilkunst ein rotes Tuch ist, weil sich neuerdings nahezu jeder Hobbyweber, der Dreiecke mit Fransen herstellt, als Textilkünstler versteht, und auch ich verstehe sowas nicht als Kunst. Ich würde mir tatsächlich sehr wünschen, dass sich Galeristen mehr trauen, ernstzunehmende Textilkunst, Tapisserien etc. zu finden und auch auszustellen.
Alle Fotos wurden von Renate von Löwis of Menar zur Verfügung gestellt.
Die Website von Renate von Löwis of Menar ist http://dre-berlin.de/renatacioccolata/
Ihr Instagramm-Account ist: https://www.instagram.com/rvlom/p/BDjAUa7qXUN/?hl=de