Bei der Recherche im Internet sind mir Skulpturen aufgefallen, die für mich aussahen, als wären sie aus Kordeln oder Bändern gefertigt und die in Wirklichkeit aus Modelliermasse bestehen. Auch sehr komplexe Zeichnungen stammen von derselben Künstlerin: Angelika Arendt. Das hat mich so fasziniert, dass ich sie um ein Interview gebeten habe.
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Bitte schildern Sie ihren künstlerischen Werdegang.
Bevor ich an der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe Kunst studierte und als Meisterschülerin von Helmut Dorner mein Studium abschloss, habe ich in Sindelfingen eine Ausbildung zur Handweberin gemacht. Danach studierte ich an der Hochschule Reutlingen an der Fakultät Textil & Design und war ein Semester am National College of Art & Design in Irland, um dort Stickerei und Weberei zu studieren.
Wie sind Sie von den textilen Werkstoffen zu PU-Schaum und Modelliermasse gekommen?
Nach meiner Ausbildung und während meines Textildesignstudiums beschäftigte ich mich vor allem mit der zweidimensionalen Ebene: Die kreative Arbeit, die maßgeblich durch Kette und Schuss beim Weben oder Maschen beim Stricken und Wirken bestimmt wurde, schränkte mich zunehmend ein, und es zog mich mehr und mehr zum freien Gestalten. Den Raum dafür bot mir dann doch das Studium zur Textildesignerin, ich kreierte Kleidung und Kopfschmuck aus PU-Schaum. Daraus entwickelten sich während meines späteren Studiums der Freien Kunst in Karlsruhe geradezu automatisch freie Skulpturen, anfangs große und auch raumfüllende Skulpturen aus PU-Schaum oder wie Anfang diesen Jahres in der Galerie der Stadt Pforzheim zu sehen war, eine große Fadeninstallation. Das Arbeiten mit Modelliermasse löste vor einigen Jahren die Verwendung von PU-Schaum ab. Mit Modelliermassen arbeite ich bis heute vorrangig und sehr gerne. Im letzten Jahr habe ich jedoch begonnen, mit dem Werkstoff Glas zu experimentieren, und es entstanden eine Reihe von Glasskulpturen, neuerdings arbeite ich mit Ton.
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Die Modelliermasse, die Sie zum Beispiel bei Ihrer Skulptur „Dr. Ringelwurm“ eingesetzt haben, wirkt wie Schnüre oder Bordüren. Wie erzielen Sie die Effekte mit diesem Material?
Ich möchte nicht jede Vorgehensweise preisgeben, nur so viel: Ich verwende und mische verschiedene Modelliermassen miteinander bis sie für mich die richtige Konsistenz zum Verarbeiten und auch die gewünschte Farbigkeit haben. Ich arbeite mit den Modelliermassen, die es in vielen verschiedenen Härten gibt und verfahre wie ein Maler, der seine Farben auf der Palette mischt. Die Farben meiner Skulpturen werden von mir selbst gemischt und sind so in dieser Form nicht zu kaufen. Das heißt auch, dass ich meine Skulpturen nicht nachträglich anmale. Manchmal trage ich eine transparente Lackschicht oder Ähnliches auf. Ich verfeinere meine Techniken kontinuierlich und experimentiere mit vielen Materialien.
Ihre Zeichnungen haben eine unglaubliche Detailtiefe. Wie lange arbeiten Sie beispielsweise an einer 60 x 80 cm großen Zeichnung?
Gerade die großen Formate stellen eine Herausforderung dar, sie verlangen mir höchste Konzentration und Präzision ab. An einem Blatt wie „Babel“ habe ich vier Monate gezeichnet. Nicht zuletzt deshalb entstehen nur wenige Zeichnungen solchen Formats.
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Ich sehe in Ihren Zeichnungen viel geradlinig Architekturales und gleichzeitig viel rundes Ornamentales. Bei den beiden Zeichnungen mit dem Titel „Babel“ denke ich natürlich an Pieter Bruegels Gemälde „Der Turmbau zu Babel“. Sind Ihre Zeichnungen Ihre Interpretation seines Gemäldes oder des Themas?
Meine Zeichnungen pendeln zwischen ornamentalen Strukturen und gegenständlichen Elementen, zeichnen sich aber auch anders als klassische Ornamente durch eine räumliche Illusion aus. Gerade in der Verbindung architektonischer und ornamentaler Elemente tun sich vor meinem geistigen Auge die Kompositionen von Piranesi oder auch von M. C. Escher auf.
Die Zeichnungen sind ähnlich der écriture automatique zu verstehen, sie wachsen aus sich selbst heraus. Dennoch bleiben sie lebendige Kompositionen, die nicht ohne jede Absicht entstehen. Jede Zeichnung ist für mich anders, aber diese beiden Prinzipien verbinden alle meine Darstellungen. Nur für einige wenige Arbeiten gibt es im weitesten Sinne „Vorlagen“, wie zum Beispiel der „Turmbau zu Babel“ von Pieter Breugel dem Älteren. Mich hat am „Turmbau zu Babel“ ganz besonders die biblische Geschichte beeindruckt, die für mich nichts an Aktualität verloren hat. Der Turmbau stellt den Versuch der Menschen dar, einen Turm zu errichten, dessen Spitze bis an den Himmel reicht. Der Grundriss meines Bildes ist an Breugel und alle anderen Babel-Maler angelehnt: Die weitere Komposition spiegelt jedoch meine eigene Sichtweise, in meinem Bild finden Sie keine Menschen und nicht die Arbeiter, die das Bauwerk zu errichten versuchten. Des Weiteren erobert sich die Natur das Bauwerk zurück und die Treppen führen ins Nichts.
Die Akribie, mit der ich den Turm zu Babel gezeichnet habe, unterstreicht, so hoffe ich, nochmals dessen Monumentalität und den ungeheuren Wusch der Menschen, sein zu wollen wie Gott. Das Bild hat mir fast selbst die sprichwörtliche babylonische Sprachverwirrung eingebracht, mit der Gott die Bauleute bestrafte. Diese Zeichnung zu vollenden hat mir alles abverlangt, noch nie habe ich so lange an einer Zeichnung gearbeitet.
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Haben Sie Phasen, in denen Sie lieber zeichnen oder lieber modellieren?
Ja sicher, das ist toll, wenn ich an zwei Werken parallel arbeite und mir aussuchen kann, auf welches Medium ich mehr Lust habe. Manchmal bin ich so gebannt von einer Arbeit, dass ich bei einem Medium über längere Zeit bleibe und erst nach einem längeren Zeitraum wieder zum anderen Medium zurückkehre.
Haben Sie vor, sich auch noch mit ganz anderen Materialien zu befassen?
Ja, ich bin immer wieder neugierig und suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Mein Spektrum reicht ja schon jetzt von der Zeichnung bis zur Skulptur. Jedes einzelne Medium bietet schon so viele verschiedene Möglichkeiten: Als zeichnerische Medien dienen mir meist Tusche, Aquarellfarben und Gouache, darüber hinaus habe ich erst im letzten Jahr die Technik der Radierung für mich entdeckt, was meiner Bildsprache, die durch zarte Linienmuster und Detailreichtum geprägt ist, sehr entgegenkommt. Meine Skulpturen forme ich mit Modelliermasse, Glas und Ton. Ich bin selbst gespannt, welche Materialen ich noch für mich entdecke.
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Was inspiriert Sie?
Meine größte und liebste Inspirationsquelle ist die Natur. Ich bin gerne in der Natur und nehme wirklich jedes Detail wahr, Moose, Flechten an Baumstämmen, die für mich eine ganz eigene Miniaturlandschaft darstellen, mich fasziniert die Natur mit ihren Wachstumsprozessen. Schon als Jugendliche haben mich Schaubilder in Biologie Büchern interessiert und ganz besonders deren Bildsprache. Ich versuche mit meinen Mitteln als Künstlerin, die Prozesse und die Schönheit des Lebens zu begreifen.
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Was planen Sie für die unmittelbare Zukunft?
Im Moment konzentriere ich mich auf meine kommenden Einzelausstellungen in Berlin und Nürnberg (2016/17) und auf meine Arbeit mit dem für mich neu entdeckten klassischen Werkstoff Ton.
Werden Sie noch in diesem Jahr oder im kommenden Jahr in Berlin ausstellen?
Ja, im Herbst diesen Jahres haben Christiane Bühling-Schultz und Karin Rase von der C&K GALERIE nach 2014 wieder eine Einzelausstellung mit mir geplant. Außerdem werde ich mit der C&K GALERIE im Herbst mit Werken auf der Positions Berlin Art Fair 2016 und der Messe Amsterdam Drawing 2016 vertreten sein.
Herzlichen Dank für das Interview und die ausgezeichneten Bilder, die Sie zur Verfügung gestellt haben!