Reportagen

„Textiler Herbst 2016″ in Halle, ein Bericht

Mitte November bin ich für einen Tag nach Halle gefahren, um dort im Rahmen der Reihe „Textiler Herbst 2016“ drei Ausstellungen zu sehen. Das Kunstmuseum Moritzburg zeigt noch bis zum 29. Januar 2017 die Ausstellung „Gewebte Träume – Der Bildteppich in Mitteldeutschland. Reflexionen auf Jean Lurçat“. In der Kunsthalle „Talstraße“ sind bis zum 20. November 2017 Tapisserien sowie Gemälde und Zeichnungen von Jean Lurçat ausgestellt. Und in der f2halle für Kunst werden bis zum 29. Januar 2017 Tapisserien aus der Werkstatt von Rosemarie und Werner Rataiczyk aus den Jahren 1951 bis 2003 präsentiert. Auch nach Halberstadt hätte ich fahren können, wo der Kunstverein Talstraße ebenfalls bis Ende Januar „Interventionen mit Bildteppichen aus Mitteldeutschland“ vorstellt.

Meine erste Station war das Kunstmuseum Moritzburg, schon von außen ein imposanter Bau mit einer geglückten Symbiose von alt und neu. Die „Reflexionen auf Jean Lurçat“ werden in einem abgedunkelten Raum mit einer Form der Beleuchtung präsentiert, wie ich sie so noch nie gesehen habe. Man hat zuerst den Eindruck, die Tapisserien würden von hinten beleuchtet, denn sie leuchten förmlich in den düsteren Raum. Die Spots leuchten genau die jeweilige rechteckige oder quadratische Arbeit aus und lassen außen einen schmalen Rand, daher der irrtümliche Schluss. Die Farben leuchten förmlich, jedes Detail kann entdeckt werden. Es sind zumeist sehr große Arbeiten. Die Arbeit „Des Knaben Wunderhorn“ von Inge Götze ist beispielsweise 337 x 195 cm cm groß.

Willi Sitte als Leiter der Klasse für Textilgestaltung in Halle sorgte dort für den Aufbau einer Gobelinmanufaktur, an der einige der im Museum ausgestellten Tapisserien hergestellt wurden. Zahlreiche Tapisserien sind Examensarbeiten, die aus den Archiven der Burg Giebichenstein stammen. Das ist ein Glück, denn in der Nachwendezeit sind einige große Tapisserien aus Regierungsgebäuden oder Gewerkschaftshäusern einfach verschwunden. Eine Arbeit wird ausgestellt, die nach den alten Entwürfen in der Gobelinmanufaktur von Halle noch einmal gewebt wurde.

Die Kunsthalle Talstraße hat mir freundlicherweise Bilder von vier Arbeiten zur Verfügung gestellt, darunter eine Arbeit von Rolf Müller, die mir besonders gut gefällt. Er schreibt in dem parallel erschienenen Katalog zu seiner Arbeit am Webstuhl, er habe selbst nie weben lassen, sondern nur mit Hilfe einer kleinen schwarz/weißen Skizze das Bild direkt bei der Arbeit geschaffen.

In der Kunsthalle „Talstraße“ sind 17 meist großformatige Tapisserien von Jean Lurçat zu sehen. Sein Werk „Der Hahn und die Sterne“ bedeckt eine ganze Wand. Die Sonne und der Hahn tauchen in vielen seiner Werke auf.

Jean Lurçat war Wegbereiter für eine Renaissance der Tapisserie in Frankreich und Deutschland. Er knüpfte an die Tradition der mittelalterlichen französischen Bildteppiche an.
Seine teilweise riesig großen Tapisserien ließ er meist in der Gobelinmanufaktur von Aubusson weben. In der Nachkriegszeit war Lurçat für die deutschen Künstler in Mitteldeutschland eine Entdeckung und eine Quelle der Inspiration.
Im Ausstellungsfaltblatt heißt es: „Künstler wie u.a. Willi Sitte, Inge Götze, Werner und Rosemarie Rataiczyk setzten sich intensiv mit Lurçat auseinander. Sie waren tief bewegt und beeindruckt vom Werk des französischen Künstlers.“

Arbeiten aus der Werkstatt von Rosemarie und Werner Rataiczyk werden in der f2halle für kunst gezeigt. In der Ausstellungsankündigung heißt es:
„Die ersten eigenständigen Bildteppiche in Mitteldeutschland nach dem Kriege entstanden in der Gobelinwerkstatt, die Rosemarie und Werner Rataiczyk unter großen Mühen und materiellen Anstrengungen ins Leben gerufen hatten. Ausgehend vom modernen französischen Bildteppich stellten beide ihre künstlerische Begabung und Erfahrung – neben dem jeweils parallel weiterentwickelten malerischen und graphischen Werk – in den Dienst der Arbeit am Gobelin. Nach kleineren, noch ohne Auftrag ausgeführten Bildteppichen kamen die ersten großen Aufträge von Kirchengemeinden aus Halle und der Umgebung der Stadt. Die Ausstellung präsentiert in einer kleinen, aber eindrucksvollen Auswahl Arbeiten aus öffentlichem und privatem Besitz.“

Besonders beeindruckend für mich war der Gobelin „Stadt Halle“, 330 x 500 cm groß, der für das Interhotel der Stadt Halle, später Maritim Hotel entstanden ist. Oben zwei Detailaufnahmen. Nach Schließung des Hotels im Jahr 2015 wurde das Werk an die Künstler rückübereignet. Zu sehen sind Bauwerke der Stadt inmitten einer reichen Blütenpracht. Ebenfalls riesig das allegorische Diptychon „Der Mann“ und „Die Frau“, das für die Komische Oper in Berlin gefertigt wurde.

Diese Arbeit mit dem Titel Tierteppich, 220 x 500 cm groß, entstand 1959/60 für die Siedlung der DDR-Regierung in Wandlitz und wurde durch den Hausherrn Walter Ulbricht bereits 1960 wieder entfernt. Heute befindet sich das Werk wieder im Besitz der Künstler.

Ich war sehr angetan von der Konzeption des „Textilen Herbsts“ und wünschte mir nur, ich hätte schon ein paar Wochen früher nach Halle fahren können, beispielsweise, um auch die Werke aus dem Nachlass von Marielies Riebesel zu sehen.