Reportagen

Bericht über die Ausstellung „Gewänder des Himmels“ im Kloster Gengenbach

Wüssten Sie, was ein „Fatschenkind“ ist? Nein? Sie erfahren es im weiteren Verlauf meines Berichts.

Frau Gabriele Rubner, die Pressereferentin der Kongregation der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesus, führte mich liebenswürdig selbst in die Ausstellung und stellte mich Schwester Ermelindis und Schwester Roswitha vor. Schwester Ermelindis ist ausgebildete Stickerin. Mit Fingerhut und feiner Nadel nähte sie gerade eine Goldborte an ein kleines Bild.  Schwester Roswitha hat seit 1995 die Stickwerkstatt geleitet, in der bis zu 23 Stickerinnen Paramente gestickt haben. Unter dem Motto „Für Gott ist das Kostbarste gerade gut genug“ stellten die Schwestern in ihren Werkstätten über 125 Jahre lang nach eigenen Entwürfen in Handarbeit und alter Tradition alle Arten von Paramenten her. Die Werkstatt ist heute geschlossen.

Unter Paramenten versteht man die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten Textilien und Priestergewänder, die künstlerisch aufwändig gestaltet und häufig handbestickt sind. Die wichtigsten drei Bestandteile eines Priestergewandes sind Albe, Kasel und Stola. Die Albe ist ein weißes, fußlanges Untergewand. Die Kasel, das Obergewand, ist in den liturgischen Farben und aus edlem Stoff gefertigt. Drüber kommt die aufwändig bestickte Stola.

Ich fragte die beiden alten Ordensschwestern, welche Stickstiche verwendet wurden und erfuhr, dass bis auf den Kreuzstich, der eher selten zum Einsatz kam, alle Arten von Stickstichen verwendet wurden. Die Arbeit wurde in einen Rahmen gespannt, die linke Hand war immer unten, die rechte oben. Die Nadel wurde senkrecht von oben nach unten geführt und der Faden durchgezogen. Dann wurde die Nadel von unten senkrecht nach oben geführt.

In ganz alten Zeiten, erinnerte sich Schwester Roswitha, wurden sogar Nadeln ohne Nadelöhr verwendet. Der Faden wurde mit etwas Harz an der Nadel festgeklebt. Natürlich hielt das nur wenige Stiche lang, dann musste der Faden erneut festgeklebt werden. Schwester Roswitha wies auch darauf hin, dass die Nonnen früher sieben Gebetszeiten hatten, von den Laudes am frühen Morgen bis zur Komplet am Abend. Nur zwischen den Gebetszeiten konnte gearbeitet werden. Heute sind es noch drei Gottesdienste und Gebete: Laudes, Messe und Vesper.

Besonders stolz war man im Kloster auf den Auftrag, die Gewänder für den Besuch von Papst Benedikt XVI in Freiburg zu besticken. Nur sechs Monate standen zur Verfügung, um ein Messgewand für den Papst sowie 12 weitere Gewänder mit Stolen für Bischöfe und Diakone zu besticken. Schwester Roswitha entwarf das Bildthema „Feuer und Flamme“. Allein für das Gewand des Papstes benötigten zwei Stickerinnen rund 120 Arbeitsstunden. Insgesamt arbeiteten sieben Schwestern und vier externe Stickerinnen an diesem Auftrag. Heute befinden sich die Gewänder im Besitz der Münsterpfarrei Freiburg.

Schwester Roswitha nahm sich viel Zeit, mich durch die Ausstellung zu führen und wusste zu allen Gewändern etwas zu erzählen. Für mich besonders schön war die Möglichkeit, die Details, auf die sie hinwies, ganz genau aus größter Nähe zu betrachten. Die Gesichtszüge der dargestellten Personen sind mit feinsten Seidenfädchen gestickt worden.

Die Fotografin Gaby Scheewe-Pfeil hat solche Details in großformatigen Fotos festgehalten, die neben oder hinter den Gewändern angebracht sind.

Neben den wunderbaren Stickarbeiten sieht man die feine weiße Klöppelspitze am Saum der Alben erst auf den zweiten Blick. Auch die Spitze wurde im Kloster gefertigt.

In der Ausstellung läuft auch ein 15-minütiger Dokumentarfilm von Gaby Scheewe-Pfeil, in dem man den Schwestern bei der Stickarbeit quasi über die Schultern schauen und einen virtuellen Rundgang durch das Museum unternehmen kann.

Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog (9,80 €) erschienen, der im Klosterladen erhältlich ist.

An jedem 1. Samstag im Monat ist ein Besuch des Klostermuseums möglich. Die Schwestern Ermelindis und Roswitha betreuen die Sammlung seit vielen Jahren. Untergebracht ist das Paramentenmuseum in den ursprünglichen Räumlichkeiten der Stickwerkstatt. Schwester Ermelindis führte mich durch die umfangreiche Sammlung und wusste über Geschichtliches und gerade erst Vergangenes zu berichten.

Das bringt mich zum Fatschenkind, dem gewickelten Kind. Mit sichtlicher Rührung erzählte mir Schwester Ermelindis von diesem Brauch. In adeligen Familien sei es üblich gewesen, dass eines der Kinder an die Kirche gegeben wurde. Handelte es sich um Frauen, gingen sie in ein Kloster, oft nicht freiwillig. Um den Schmerz zu lindern, gab man ihnen ein Fatschenkind, ein in prachtvolle Tücher gewickeltes wächsernes Kind.

In der ehemaligen Werkstatt steht noch die alte Stickmaschine. Darunter darf man sich kein modernes Gerät vorstellen. Das Schwungrad wurde noch durch Treten angetrieben. Mit einem Hebel unter dem Tisch wurden die Linien geführt. Die Bedienung dieser Maschine erforderte viel Übung und eine ruhige Hand, erzählte Schwester Ermelindis.

Im selben Raum liegen außerdem prachtvolle, aus Goldfaden geklöppelte Spitzen. Auch die Klöppelkissen und die Klöppel selbst sind noch vorhanden.

Im Museum konnte ich die fein gestickten Gesichter von Jesus und von verschiedenen Heiligen auf den Gewändern noch einmal genauer betrachten und fotografieren.

Zu guter Letzt noch einmal Bilder von Spitzen an Alben. Kein Spitzensaum gleicht dem anderen.

Die Ausstellung“ Gewänder des Himmels“ ist noch bis zum 30.8.2019 zu sehen.
Öffnungszeiten: täglich Mo–So 14.00–17.00 Uhr
Mo – Fr: Eingang: über den Klosterladen,
Sa + So: Eingang über den Klosterhof, Scheffelstraße.
Der Eintritt ist frei.

Das Paramentenmuseum ist an jedem 1. Samstag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Mutterhaus der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu
Bahnhofstraße 10, 77723 Gengenbach