Reportagen

Bericht über die Ausstellung DAS FELD mit Kertu Tuberg, Linda al-Assi, Merle Kasonen, Maarja Niinemägi im Showroom Trofejas

Die Ausstellung DAS FELD wurde bis Ende Oktober im Showroom Trofejas in der Wielandstraße in Charlottenburg gezeigt. Auf meine Frage nach der Geschichte des Showrooms Trofejas erzählt die Eigentümerin, Giedre Bartelt:
„Das ist mittlerweile die zweite Galerie, ursprünglich hatte ich eine Galerie für Bildende Kunst, aber das war alles sehr, sehr aufwändig. Gerade die organisatorischen Dinge, Logistik, Transport usw. waren auf die Dauer sehr anstrengend. Dann habe ich diese Galerie zugemacht, aber ich dachte, ohne Galerie kann ich auch nicht leben. Was bei diesen Sachen jetzt so schön ist, sie sind klein und handlich.“

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In der Galerie präsentiert Giedre Bartlet sehr geschmackvoll kleine Schmuckstücke von vier Künstlerinnen aus Estland: Kertu Tuberg, Linda al-Assi, Merle Kasonen, Maarja Niinemägi. Ich frage sie, ob sie bevorzugt Künstler aus dem Baltikum ausstelle.
Früher habe sie Künstler aus dem breiteren Ostseeraum und manchmal auch Künstler aus Deutschland ausgestellt, sofern deren Arbeiten ihr gefielen. Inzwischen seien es vor allem Künstler aus dem Baltikum. Berlin sei für Künstlerinnen und Künstler aus dem Baltikum so interessant, dass sie gern kämen, um ihre Werke zu zeigen, selbst wenn sie wüssten, dass sie vielleicht nichts verkaufen könnten. Was an sich positiv sei und mit Estland und Litauen immer gut funktioniere, es gebe Institutionen in diesen Ländern, die die Künstler unterstützten. Die Künstler könnten nach Berlin kommen, der Flug und ein paar Übernachtungen würden bezahlt.

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Sie erzählt, dass es in Estland eine sehr gute Ausbildung an der Kunstakademie gebe.
„In der Sowjetzeit ist es so gewesen, dass die Kunstakademie in Tallin, sie hieß damals noch Kunstinstitut, auch für Litauen und Lettland sorgen musste. Wenn die Litauer oder die Letten Kunstschmiede studieren wollten, mussten sie in Tallin studieren, weil es weder in Vilnius noch in Riga so etwas gegeben hat. Deshalb hat die heutige Kunstakademie eine sehr lange Tradition. Man kann in den baltischen Ländern auch Textilkunst studieren, also eine richtige akademische Ausbildung an einer Universität machen.“

Ich bitte sie, mir etwas über die Künstlerinnen zu erzählen, deren Arbeiten in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind.
„Das sind vier junge Künstlerinnen, die zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit ist jedoch mehr auf das räumliche ausgerichtet. Sie haben zusammen ein Atelier und sie machen zusammen Ausstellungen. Was mich bei diesen Künstlerinnen fasziniert, ist, dass sie so unterschiedlich sind, es ist kaum zu glauben. Aber wenn man so eine Ausstellung in Gänze sieht, dann passen sie wiederum ganz gut zusammen.
Aus Metall machen alle etwas. Die Materialien sind unglaublich neu für mich zum Beispiel, wenn man selber so nicht tätig ist. Eine Künstlerin macht Sachen aus Metall und, wie wir uns aus dem Englischen so erklären konnten, aus Samtstaub. Eine macht etwas aus Gips, die andere aus Steinplatten.“

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Ich frage, ob man diese Schmuckstücke auch tragen könne und denke dabei vor allem an die Fliegen, die in kleinen Kästchen mit magnetischer Rückseite angeboten werden. Frau Bartelt erwidert:

„Das sind richtige Ohrringe und Broschen, das Schächtelchen ist sozusagen eine feine Zugabe. Man kann sie sehr gut tragen, ich trage sie sehr oft, sie sind sehr angenehm. Ich bin mittlerweile auch mehr für das Praktische. Eine reine Ausstellung nur Kunst, würde ich nicht machen wollen.“

Ich frage nach den nächsten Ausstellungen.
„In der nächsten Ausstellung werden wieder zwei estnische Schmuckkünstlerinnen sein, das hat sich so ergeben. Aber die Ausstellung Ende November ist besonders interessant. Das ist eine Textilkünstlerin von der Kunstakademie in Kaunas, die Textilkunst als Schmuck macht, interessanterweise lebt sie in Norwegen. Sie macht nur Schmuck, sie macht auch Stickereien mit Perlen und Gehäkeltes. Mein Problem ist im Prinzip, dass ich die Leute durch das Internet kennen lerne und die Sachen in natura nicht gesehen habe. Aber ich weiß, sie ist gut. Ich forsche immer, deshalb heißt meine Galerie Trofejas, das sind für mich Trophäen, wie von jemand, der auf die Jagd geht. Ich arbeite im Sommer in den baltischen Ländern und in der Zeit, die ich dann übrighabe, gehe ich dann los und suche alles ab. So wie den Wald nach Pilzen.“

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Frau Bartelt hat Probleme mit dem Begriff Kunsthandwerk, der für sie zu pejorativ klingt. „Man wagt fast nicht, Kunsthandwerk zu sagen, denn, wenn man sich vorstellt, da sitzt eine Frau für einen Schal vielleicht drei Tage an einem Webstuhl, das ist für mich dann auch eher Kunst. Das muss man können.“

Ich frage sie nach der Wertschätzung von Kunsthandwerk im Baltikum.
„Im Baltikum hat das Kunsthandwerk eine andere Stellung. Als Frau hat man nicht nur einen Schal, man kann mehrere Schals haben und man muss nicht reich sein. Das gehört zum Menschen, dass man ein bisschen auch an den Körperschmuck denkt. Und was mir die Juwelierkünstler erzählen, ist sehr interessant. Die große Tradition ist dort, wenn die Schüler Schulabschluss machen, dann kommen die Eltern, sammeln etwas Geld für die Klassenlehrerin ein und sie bestellen bei einem Designer ein extra für sie gedachtes Stück. Also nicht für 3 Euro ein Buch, sondern wirklich etwas Schönes. Und ich finde diese doppelseitige Wirkung gut, davon hat der Künstler etwas und die Lehrerin auch. Das ist wirklich eine andere Einstellung. Oder man hört öfter, wenn jemand ein Jubiläum hat, da geht man nicht mit der Einkaufsliste zum KaDeWe, sondern man geht zu einem Künstler. Die Freunde haben gesammelt und man kauft dieses Originelle, das Einmalige und nicht irgendetwas Massenwarenmäßiges. Es ist einfach eine andere Einstellung.“

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In Deutschland sei es häufig so, dass sich die Besucher bei den Messen anschauten, was geboten werde und dann meinten, das könnte man ja zu Hause selber nachmachen. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Objekte von Künstlern geschaffen wurden.  „Sie haben jahrelang in die Ausbildung investiert, sitzen von früh bis spät an diesen Objekten. Das ist etwas Besonderes, das ist Kunst, an erster Stelle. Kunst kommt von Können und nicht von Wollen, sonst würde es auch nicht Kunst heißen.“

Ich sage, der Verkauf von Kunsthandwerk sei in Deutschland nicht einfach. Frau Bartelt meint:
„Wie wird man mit dem Problem fertig? Es gibt eine Kategorie Leute, die ziemlich viel Geld haben. Sie würden den Schal sofort kaufen, handgewebt aus Leinen, wenn der von Armani wäre, aber da hier ein Firmenlogo nicht vorhanden ist, kauft man es nicht. Es ist nichts wert. Eine Textilkünstlerin aus Riga, die hier auch einige Male ausgestellt hat, hat ursprünglich in ihrer Werkstatt auch Sachen für Armani machen lassen.“

Die Historikerin Dr. Birgit Ströbel wirft ein:
„Ich vermute, die Wertschätzung im Baltikum für alles was mit Handwerk und Kunsthandwerk zu tun hat, hat auch u.a. damit zu tun, dass es von der Geschichte her viel später industrialisiert wurde. Deutschland ist ja im 19. Jahrhundert komplett durchindustrialisiert worden. Und der Abstand zu den Handwerkern ist schon viel größer. Im Baltikum ist man also noch viel näher dran. Das spielt sicher auch eine Rolle. In einer materialistischen Gesellschaft, einer überkapitalistischen Gesellschaft fällt so viel hinten runter. Auch an Werten und Wertschätzungen für bestimmte Dinge.“

Nicht nur Schmuckstück sind im Showroom Trofejas zu sehen. An den großen Fenstern  hängen ganz filigrane Vorhänge. Auch das sind Kunstwerke.

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Es sind auch ganz außergewöhnliche Möbelstücke zu bewundern, unter anderem eine Lampe, deren Schirm aus einer bestickten Waschmaschinentrommel besteht. Der Ständer ist eine Welle einer landwirtschaftlichen Maschine.

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Seit dem 3. November ist im Showroom Trofejas die Ausstellung GARTEN mit Schmuckstücken von Mari Pärtelpoeg und Katrin Veegen zu sehen. Weitere Ausstellungen, auch mit textilen Objekten, sind geplant.

Die Fotos stellte bis auf die drei letzten Giedre Bartelt zur Verfügung.