Reportagen

Bericht über den Besuch bei der Nadelwelt 2024 In Karlsruhe

Als ich am zweiten Tag der Veranstaltung am späten Vormittag bei den Karlsruher Messehallen ankam, waren die Parkplätze zwar schon sehr gut gefüllt, der Ansturm an den Kassen aber war zum Glück vorüber. Der Ansturm fand inzwischen drinnen statt, vor allem an den Ständen mit preiswerten Stoffen. Ich bin erst einmal bei den vielen interessanten Ausstellungen vor der Halle mit den Verkaufsständen geblieben. Laut Katalog waren es nicht weniger als 34.

Doris Leuenberger, Monika Schiwy-Jessen und Sophie Maechler hatten einen großen Stand, auf dem sie ihre vielen Arbeiten ausgezeichnet präsentiert haben. Die drei Künstlerinnen aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland arbeiten schon einigen Jahren miteinander, tauschen sich regelmäßig aus und stellen auch gemeinsam aus. Sie haben sich den Namen „Artgroup Grenzenlos“ gegeben. Ihre Ausstellung trug den Titel „Ge-Schichten aus unserer Zeit“ Zerreißproben.

Ulla Hoppe erzählte mir, sie mache Quilts mit einem Augenzwinkern. Auf dieser Arbeit zum Beispiel ist eine kleine Maus versteckt, die sich gerade verdrücken will. Ich fand sie erst nicht, aber dann!

Und bei dieser Arbeit, die dazu auffordert, etwas zu nähen, zu bauen, zu sticken, zu schreiben, zu zeichnen, zu kochen, zu singen, zu lesen, ist die augenzwinkernde Pointe der letzte Satz: „Buy nothing.“ (Nichts kaufen).

Legenden aus dem alten Rom nannte die russisch-stämmige Künstlerin Galla ihre Ausstellung. Werke von ihr habe ich schon öfter gesehen, auch in Karlsruhe und in Ste Marie. Sie hat über die Jahre an vielen Ausstellungen teilgenommen und zahlreiche Preise gewonnen, zum Beispiel in Houston, USA, in Kanada, Frankreich, Italien, Spanien und Holland. Ich bin viel näher heran gegangen, um mir anzusehen, wie sie sie Teile ihrer Gesichter aneinandernäht. Kein Raw-Edge-Appliqué! Alle Kanten schlägt sie um und näht dann knappkantig fest. Und sie verwendet auch keine Longarm-Maschine für ihre komplexen Quiltmuster, das näht sie alles mit ihrer normalen Nähmaschine. Auch interessant finde ich, dass sie je nach Stofffarbe den Faden wechselt.

Anja Gebler von der Gruppe „Die bösen Mädchen“ erzählte mir, sie sei Diplom-Statistikerin. Mit dieser Arbeit mit dem Titel Dunkelziffer weist sie auf die große Zahl missbrauchter Kinder hin. Sie hat sieben der dargestellten Kinder überstickt oder mit Stickgarnfäden behängt, um deutlich zu machen, dass laut statistischen Aussagen von Kriminologen jedes 15. Kind ein Opfer von Missbrauch ist. Die Arbeit ist durch Cyanotypie entstanden.

Gabriela Martinez, ebenfalls ein Mitglied der Gruppe „Die bösen Mädchen“, hat kleine Arbeiten geschaffen, aus den Kristalle heruszuwachsen scheinen.

Das dritte Mitglied im Bunde ist Regina Barthel. Ihre riesigen bunten Figuren haben mir sehr gut gefallen. Ein Detail einer der Figuren sehen sie im Titel.

Bei Gerlinde Merl entdeckte ich kräftig grüne Arbeiten, die mir auf Anhieb gefallen haben. Auf ihrer Website sagt sie von sich: „Ich übersetze meine Vorstellungen und Träume in Bilder, Farbklänge in Oberflächengestaltung. Für mich bedeutet die Textilkunst Tag für Tag absolute Vielfalt, sowohl in der Auswahl, Bearbeitung, Gestaltung als auch beim Zusammenstellen und Komponieren.“

Konnie Keller habe ich vor einem Jahr für das Textile Art Magazine interviewt. Da sagte sie mir: „Ich werde weiterhin zum Thema Wald arbeiten. Der Wald ist ebenso ein bedrohtes Ökosystem wie die Korallenbänke. Je mehr Bewusstsein wir von der Notwendigkeit einer intakten Natur haben, um so besser. Der Wald beginnt hier fast vor meiner Haustür und ich bin von seiner Stille und Würde fasziniert.“

Petra Becker von der Patchworkgruppe Karlsruhe erklärte mir, wie der blaue Stoff in diesem Quilt zustande gekommen ist. Im Grunde war es ein Tuch, an dem sie ihren Pinsel abgewischt hat. Die unterschiedlichen Farbtöne gefielen ihr dann so gut, dass sie kleine Quadrate des Stoffs in diesen Quilt eingearbeitet hat. Die blauen Akzente im eng gequilteten dunkelgrauen Rahmen fand ich auch sehr gelungen.

Auch die Arbeit von Angelika Werner gefällt mir sehr gut, sparsam in der Farbe, mit unterschiedlichen Texturen der weißen Stoffe, schmalen schwarzen und blauen Streifen und hängenden roten Fäden. Sie gehört ebenfalls zur Patchworkgruppe Karlsruhe, die sich auf die Fahnen geschrieben hat: „Regelmäßige, jährliche Ausstellungen sind stetiger Ansporn und Motivation, uns mit neuen Themen, Techniken und Materialien der Textilkunst – abseits des traditionellen Patchworks – auseinanderzusetzen.“

Jutta Höss zeigte die Ausstellung Buchstabenspiele. Bei Ihrem Werk links dienten alte Tetrapack-Verpackungen als Druckstoff. Den Druck hat sie anschließend mit der Maschine überstickt. Bei dem Werk rechts hat sie Organza beschrieben und dann mit freier Maschinenstickerei überstickt.

Zwei Künstlerinnen aus Israel haben auf der Nadelwelt ihre Arbeiten ausgestellt: Shoshi Rimer und Bella Kaplan, Namen die man aus der Textilszene gut kennt.
Bella Kaplans Arbeit trägt den Titel „Israelische Sabra“.  Sie sagt: “ Ich habe mich für dieses Thema entschieden, weil die Sabra ein wilder Strauch ist, der überall wächst. Er hat eine süße und saftige Frucht, aber sie ist sehr stachelig und schwer zu pflücken. Außerdem ist der Säbel ein Symbol für die Einheimischen in Israel. Diejenigen, die in Israel geboren wurden, sind als Zabar bekannt, der, wie die Frucht, außen scharf und stachelig, aber innen süß und saftig ist. In der Vergangenheit wurde sie als Trennungszaun verwendet.“
Shoshi Rimers Werk trägt den Titel „Schneelandschaft“. Dazu sagt sie: „Eine Schneelandschaft erzeugt einerseits die Illusion von Ruhe und Sauberkeit, andererseits die von durchdringender Kälte und Ferne. Der Kontrast zwischen den schwarzen Bäumen und der weißen Reinheit der verschneiten Umgebung schafft – meiner Meinung nach – eine entspannende Harmonie.“

Gabi Heimanns intensiv blaue Arbeiten sind durch Cyanotypie auf Tafeta, mit Siebdruck und Handstickerei entstanden. Sie sagt von sich, sie habe sich ab 2006 Art Quilts und Mixed Media zugewendet.

Luise Ruckert aus Pfarrkirchen ist Mitglied bei den Alkuens. Die Gruppe besteht seit 2002 als deutschsprachige Internetgruppe. Ziel ist der Gedanken- und Erfahrungsaustausch über zeitgemäße Textilkunst, gemeinsame künstlerische Experimente mit den verschiedensten textilen Techniken und innovativen Materialien.
Das erste Werk von ihr, dass ich Ihnen zeige, heißt Waldgeflüster, und ist eine sehr schöne, sehr plastische Arbeit. Der Hinweis, sie nicht anzufassen, ist sicher nötig! Klingende Gärten ist der Titel des zweiten Werks. Die Detailfreude hat es mir besonders angetan. Und da man die Details auf dem Bild des ganzen Kunstwerks gar nicht erkennen kann, hier noch zwei Detailaufnahmen.

Elena Lorenz sagt von sich: „Sticken ist mein Leben.“ Die Künstlerin versucht, die Schönheit und Einzigartigkeit der Natur wiederzugeben. Ihre gestickten Miniaturen sind wirklich ganz entzückend. Elena ist in Russland aufgewachsen und hat ihren Sohn als Dolmetscher dabei, da sie meint, ihr Deutsch sei nicht gut genug. Aber ich finde, sie kann sich schon sehr gut verständlich machen.

Am Stand von Shepards Design, wo es Stricksachen aus Biobaumwolle gab, bin ich schon wegen der wunderbaren Farben hängen geblieben. Ob ich meinem Vorsatz, nichts zu kaufen, treu geblieben bin, verrate ich nicht.

Ganz zum Schluss bin ich fasziniert am Tisch von Jasmin Hage von Deine Filzwelt stehen geblieben. Kleine, sehr detailliert und liebevoll ausgearbeitete Filzfiguren, die alle auch einen ganz anderen Gesichtsausdruck haben.