Reportagen

Bericht über das Carrefour européen du patchwork im Elsass

Für mich war es die erste Veranstaltung seit Ausbruch der Corona-Pandemie und meine Vorfreude war groß. Wie mir ging es wohl vielen Besucherinnen. Alle, mit denen ich gesprochen habe, betonten, wie schön der persönliche Kontakt sei und wie sehr ihnen das gefehlt habe.

Statt eines ausführlichen Programmhefts gab es ein knappes Faltblatt, auf dem alle wichtigen Informationen auf einen Blick zu finden waren. Das gefiel mir sogar besser als das Programmhefte der vergangenen Jahre.  Gab es Ausstellungen, die mich begeistert haben? Ja, durchaus.

Da war zum Beispiel die Ausstellung der italienischen Künstlerin Paola Zanda, die im Übrigen auch Jurorin des diesjährigen Wettbewerbs des Carrefour war. Mich hat neben der Farbstärke vor allem die außergewöhnliche Handwerkskunst beeindruckt. Die vielen Kurven waren einfach perfekt genäht, die Quilts hingen ganz gerade und wellten sich weder an den Seiten noch unten. Nein, eine Leiste habe sie unten nicht hineingesteckt, sagte sie mir. Sie sei von Beruf Schneidermeisterin. Gelernt sei eben gelernt! Wie mir der Katalog Prestige des Carrefour verrät, basiert ihre Arbeit auf der Betrachtung von Baumrinden.

Auch die Ausstellung „Different Women“ der Niederländerin Will Fritsma hat mir sehr gut gefallen. Ihre Werke zeigen immer dieselbe Silhouette einer Frau. Die Inspiration kam durch ein Werk der Künstlerin Josepha, die außergewöhnliche farbige Skulpturen erschafft. Will Fritsma zeigte Quilts, transparente Arbeiten, Mixed-Media-Arbeiten und eine Serie kleiner transparenter Figuren. Beeindruckt hat mich am folgenden Werk der durchbrochene Rand. Die Flächen zwischen den Formen hat sie durch Ausbrennen entfernt.

Mit Betty Colburn und Judy Livingston von der Portland Modern Quilt Guild bin ich gern ins Gespräch gekommen. Sie hatten 10 Quilts mitgebracht, die im Laufe des Jahres 2019 zu Ehren des 100-jährigen Jubiläums der Eröffnung der Bauhaus-Schule genäht wurden. Auf dem Schild neben jedem Quilt war auch ein QR-Code, den man einscannen konnte, um mehr über das jeweilige Werk herauszufinden. Eine neue, und wie ich finde, clevere Idee.

Die Werke des amerikanischen Frank Lloyd Wright Architekten beeinflussten unter anderem den Begründer der Bauhausschule, Walter Gropius. Dies ist eine Interpretation von Frank Lloyd Wrights Fenster mit dem Baum-des-Lebens-Motiv im Darwin D. Martin-Haus in Buffalo im Staat New York.

Josef Albers ist bekannt für seine Quadrat-im-Quadrat-Gemälde und Anni Albers für ihre Webarbeiten. Die Künstlerin Florence DiJulio sagt zu diesem Quilt: „Ich habe mit einem Quadrat-im-Quadrat-Design begonnen. Das kleinste Quadrat ist ein „Geflecht“ aus 225 1-Zoll-Quadraten aus drei Stoffen. Das Quilting setzt den gewebten Look mit vertikalen Linien und dann horizontalen Linien durch den Teil des Quilts mit den kleinsten Quadraten fort.“

Der diesjährige Wettbewerb des Carrefour européen du patchwork wurde von Paola Zanda, Olivia Uffer und Ina Statescu juriert. Das Thema des Wettbewerbs lautete „Sauvage“. Von den 80 eingereichten Quilts wurden 30 ausgewählt. Paola Zanda schreibt zu ihrer Jurierungsarbeit: „Mir gefiel, dass die Künstlerinnen neue Wege gefunden haben, Wildheit zum Ausdruck zu bringen und wie die ihre Entscheidungen begründeten. Zu entdecken, wie ein Thema auf unterschiedliche Weise interpretiert werden kann, ist faszinierend und eröffnet neue Horizonte.“ Ich zeige hier fünf Arbeiten, die mich besonders beeindruckt haben. Zum einen die Arbeit von Mi Young Park mit dem Titel „The man of tolerance“. Auf dem Detailbild kann man gut erkennen, wie einfallsreich sie die Gischt der großen Welle darstellt.

Ein Detail von Monika Wünschs Arbeit „Let your scales shine“ (Lass deine Schuppen leuchten) sehen sie im Titel des Artikels. Um ihr fein strukturiertes Quilting der Schuppen des Chamäleons genau zu sehen, bin ich mit der Nase sehr nah an den Quilt herangegangen.

Die Arbeit von Jongkyeong Lee unten links mit dem Titel „The paradoxical lesson of Covid 19“ (die paradoxe Lektion von Covid 19) ist hauchfein  und besteht nur aus einer Lage. Mich erinnerte sie an koreanische Pojagi, wenn auch keine Nähte zu sehen waren.

Linda Anderson zeigte die Ausstellung „Fil conducteur“, zu Deutsch etwa „Verbindender Faden“. Es geht ihr um die Ähnlichkeiten zwischen Menschen in aller Welt. Sie ist überzeugt: Wir sind uns eher ähnlich, als wir uns unterscheiden. Der Detailreichtum der dargestellten Kleidungsstücke hat mir besonders gut gefallen.

Die SAQA (Studio Art Quilt Associates) zeigte zwei Ausstellungen: „Light the world“ und „Wide Horizons VII“.
Zunächst zwei Arbeiten aus „Light the World“. Hier eine Welle, die der von Mi Young Park im Wettbewerb ähnelt. Die Arbeit von Kestrel Michaud heißt „There is something in the water“. Wenn Sie genau hinsehen, sehen Sie Baumstämme im Wasser schwimmen.

Dann zwei Arbeiten aus Wide Horizons VII. Die Arbeit von Uta Lenk mit dem Titel „Shapes 41“ fand ich auch wegen der runden Öffnungen interessant.

Die Ausstellungen der beiden Künstlerinnen Chantal Guillermet und Caroline Higgs waren eine „Invitation to Travel“, eine Einladung, auf Reisen zu gegen. Die Arbeiten der Ausstellung wurden von Fotos inspiriert, die bei Reisen in ferne Länder und auf Wanderungen in Frankreich gemacht wurden. Die meisten verwendeten Baumwoll- oder Seidenstoffe wurden von Hand gefärbt oder bemalt. Auch kommerzielle Gewebe wie Saristoffe kamen zum Einsatz. Genäht wurde sowohl mit der Maschine als auch von Hand.

Wie bei jeder Messe im Silbertal, die ich besucht habe, war auch die Deutsch-Afghanische Initiative präsent, dieses Mal mit den Arbeiten aus dem Wettbewerb “Hand in Hand“. Die ausgestellten 40 Arbeiten stammten aus vielen verschiedenen europäischen Ländern. In jeder Arbeit war mindestens eine Stickerei aus dem Projekt Guldusi verarbeitet worden. Ob weiterhin regelmäßige Besuche in Afghanistan möglich sein werden, dank derer über die Jahre die Qualität der Stickereien beständig wuchs, ist sehr fraglich.

Die Fotos der Ausstellung „Le temps sous toutes ses couleurs“ (Das Wetter in all seinen Farben) der Gruppe „Collectif des Quilts Météo“ hat Sabine Weninger-Dietrich gemacht, ich konnte die Arbeiten nicht selbst sehen. Sie war beeindruckt von den Temperaturen, die in den Quilts zum Ausdruck kommen.

Am Abend meines Besuchs konnte ich den Marketingdirektor Thomas Bellicam des Carrefour und seine Referentin für Veranstaltungen und Digitales, Marion Keller, interviewen. Thomas Bellicam, der seit 2012 für Messen im Tal zuständig ist, sprach ich auf meinen Eindruck an, dass es weniger Ausstellungen und Händler gab als in Vor-Corona-Zeiten. Mein Eindruck trüge, sagte er, es gebe 37 Ausstellungen an 17 Ausstellungsorten. Was die BesucherInnen angehe, sei es ein ganz besonderes Jahr, erklärte seine Referentin Marion Keller. Sie verteilten sich eher gleichmäßig über die Tage, es gebe keine Spitzen wie in den vergangenen Jahren. Was aber die Verkaufsstände angehe, seit ein deutlicher Rückgang festzustellen. Dafür sei auch der französische Pass sanitaire verantwortlich, denn nur europäische QR-Codes könnten gelesen werden. Eine Anerkennung ausländischer QR-Codes sei zwar möglich, die zuständige Behörde aber durch die große Zahl der Anträge überfordert. Zahlreiche Händler hätten in der Krisenzeit aufgeben müssen, andere hatten Probleme, Waren aus dem Ausland zu bekommen. Brexit-bedingt hätten keine britischen Händler zum Festival kommen können. Sowohl in England als auch in Frankreich sei eine Quarantänezeit von zwei Wochen vorgeschrieben. So gebe es zwar weniger Publikum, das aber sei sehr kauffreudig. Besonders hebt Thomas Bellicam hervor, dass die Hotellerie und Gastronomie im Tal sehr gut ausgelastet seien. Die örtliche Wirtschaft profitiere eindeutig von den BesucherInnen.