Portraits & Interviews

Interview mit Ruth Fiedler

Seit ihrer Pensionierung versucht Ruth Fiedler, an den Berliner Schulen etwas in Richtung textiles Arbeiten zu bewegen. Textile Unterrichtsthemen sind weitgehend aus dem Lehrplan gestrichen worden.

Würden Sie mir kurz Ihre berufliche Ausbildung und spätere Tätigkeit beschreiben?

Ich habe an der Päd. Hochschule in Aachen studiert mit dem Hauptfach Textiles Gestalten.
Mein Referendariat habe ich schon in Berlin gemacht. Die folgende Tätigkeit an der Gesamtschule hat mich zu einem starken Engagement für das Fach Arbeitslehre gebracht.
Neben dem Unterricht in allen Bereichen des Faches, hatte ich trotzdem immer den Schwerpunkt des Textilen. Mit Phantasie konnte ich Inhalte des Textilen immer unterbringen, sei es in der Verbraucherbildung, beim Tech. Zeichnen, beim Computerunterricht oder beim Thema Automatisierung, u.s.w.

Sie haben sich immer stark für das textile Arbeiten an den Berliner Schulen engagiert.
Warum wurde das Textile weitgehend aus dem Lehrplan gestrichen?

Die Reduzierung und Streichung textiler Unterrichtsthemen lag an unserem zunehmenden „Reichtum“. Etwas selber Herzustellen oder zu Reparieren wurde als nicht mehr notwendig erachtet. Den Wert des praktischen und kreativen Tuns wird erst langsam wieder erkannt.

Seit Ihrer Pensionierung versuchen Sie, an den Schulen etwas in Richtung textiles Arbeiten zu bewegen, würden Sie mir davon erzählen?

Ich helfe in den Werkstätten meiner ehemaligen Schule, bin Ansprechpartnerin für Studenten und Referendare. Nun habe ich Zeit für die umfangreiche Vorbereitung von Ideen für die Lehrerfortbildung.
Ich biete anderen Kollegen und Kolleginnen an, sie in der Textilwerkstatt zu unterstützen, Nähmaschinen durchzusehen und Tipps für den Unterricht zu geben, denn die Textilwerkstatt gut funktioniert, wird auch dort gerne unterrichtet.
Immerhin bin ich vielen Schulen bekannt, die mich um Rat fragen, wenn neue Nähmaschinen gekauft werden können.
Im Rahmen der Digitalisierungskampagne beschäftige ich mich zur Zeit mit der Suche nach computergesteuerten Stickmaschinen für Schüler.

Wie erläutern Sie gegenüber den Schulen, warum das textile Gestalten so wichtig ist?

Das erkläre ich für das Fach, wie es heute heißt, Wirtschaft – Arbeit – Technik erst mal mehr von der technischen und emotionalen Seite. Jeder Schüler hat im Unterricht „seine Nähmaschine“, kann sich intensiv damit auseinandersetzen und vielleicht sogar einiges von der Technik verstehen. Kleine Gegenstände sind schnell gestaltet und machen die Schüler und Schülerinnen stolz auf ihr Werk. Einer Bohrmaschine oder einer Kreissäge können sie nie so „nah“ kommen.

Sehen Sie erste Erfolge?

Der Trend, wieder etwas selber machen zu wollen und das Erkennen des Bildungspotential praktischen Tuns setzt sich nun wieder durch.
In den Rahmenplänen der Schulen wird das Textile weiterhin reduziert oder ganz gestrichen. Hier ist es findigen Lehrkräften zu verdanken, wenn sie Unterrichtsthemen mit textilen Inhalten füllen und Schüler und Schülerinnen Textiles gestalten können.

Ruth Fiedler hat die Aktion „Zehntausendblütenteppich“ mit initiiert und präsentiert den Teppich als Demonstration für den Textilunterricht überall da, wo man das wünscht.

Schon als Studentin gehörte sie zu den ersten Mitgliedern des Fachverbands …textil…e.V., dessen Geschäftsstelle sie jetzt leitet.

Die Fotos wurden von Ruth Fiedler zur Verfügung gestellt.