Portraits & Interviews

Interview mit Martina Valentien, textile Malerei

Im Kurstädtchen Bad Waldsee, nicht weit vom Bodensee, gibt es viele kleine Bekleidungs- und mehrere Schuhläden. Aber einen wie diesen hatte ich noch nie gesehen: viele, viele bunte Schuhe und sogar handbemalte Schuhe in allen Farben.

Hätte ich die Schuhe nicht bewundert, wäre ich sicher nicht stehen geblieben und hätte auch nicht die Kunstwerke von Martina Valentien bemerkt. Im Schaufenster war zu jedem Kunstwerk eine Beschreibung und der Name der Künstlerin zu lesen. Als ich sie gegoogelt habe, stand im Rahmen einer Mitgliederausstellung des Kulturforums im Kornhausmuseum Bad Waldsee hinter ihrem Namen „textile Malerei“. Diese Bezeichnung trifft auf die Arbeiten vieler Textilkünstlerinnen und sicherlich in besonderem Maße auf die Werke von Martina Valentien zu. Ich konnte sie kontaktieren und sie stimmte einem Interview zu.

Sie sei totale Autodidaktin und habe einen ganz anderen Beruf gelernt, sie sei Eurythmistin, erzählte sie mir. In dem Unternehmen, in dem sie später gearbeitet habe, habe sie das ganze Abfallmanagement gemacht. Eines Tages habe sie beim Müll einen großen Rahmen gefunden, in dem ein Whiteboard verpackt gewesen sein. Mit Pigment-Farben aus dem Luberon in Frankreich habe sie dann begonnen, diese Fläche zu bemalen. Sie bringe sich alles selbst bei und besuche auch keine Kurse. „Das war für mich der Bereich der kompletten Freiheit,“ sagt sie. Sie müsse nicht irgendwelchen Gesetzen folgen, denn sie kenne sie ja nicht. „Ich brauche nur einmal irgendetwas zu sehen und es ist mir gar nicht bewusst. Irgendwann taucht es wieder auf … Jeder Einfluss ist ungemein wirksam.“

Sie habe sich noch nie eine Leinwand gekauft, sondern verwende viel lieber Gefundenes, zum Beispiel die Brettchen von Obstkisten, die sie zusammennagle. Sie habe sich gesagt: „Eigentlich wäre es wirklich gut, wenn Du alles komplett verarbeitest.“ Auch die Krampen, mit denen die Obstkistchen zusammengehalten würden, verwende sie. Das rückstandsfreie Arbeiten sei für sie ganz wichtig.

Einmal habe sie aus Tonpapier Geburtstagskarten gestaltet. Dabei seien viele Schnipsel abgefallen und hätten auf dem Tisch und den Boden gelegen. „Und da dachte ich, das sieht eigentlich wunderschön aus.“ Dasselbe sei mit Fäden zum Beispiel beim Stricken passiert. Und auch bei Garnen: man könne zwar versuchen, Garne immer wieder ordentlich auf ihre Rollen aufzurollen, aber sie verhedderten sich doch und dann sei da ein ganzer Knollen mit Fäden. Auch die Papprollen von Seidenfaden verwende sie.

Halb verrottete Holzbretter zur Beetbegrenzung aus einem Garten habe sie geschrubbt, in heißem Wasser mit Salz und ätherischen Ölen eingelegt und dann getrocknet. Darauf habe sie plattgedrückten Garnrollen befestigt und das habe fast aus wie Figuren ausgesehen.
„Sie verwenden auch durchaus immer wieder textile Elemente,“ frage ich sie. „Immer“ antwortet sie. Ihre Kunst sei ihr freier Bereich.

Stoffreste von schönen Stoffen, auch wenn es nur winzige Teile seien, zum Beispiel ein Stück mit Kreuzstich, könne sie nicht wegwerfen. „Und wenn dann auf so einem Fitzelchen ein Knallrot ist, das zu diesem Grün gerade noch einen Lichtpunkt setzt, dann ist das genau mein Fitzelchen dafür.“
„Dingen, die eigentlich wertlos sind, einen hervorragenden Wert zu geben, das macht für mich den Reiz aus.

Bei einer Reise in den Senegal sei ihr am Strand ein Berg Stoffreste aufgefallen, die vermutlich ein Schneider dort entsorgt hatte. Diese Stoffreste habe sie mitgenommen, gewaschen und gebügelt. Jetzt warteten diese Stoffe darauf, dass sie damit etwas mache.

Sie plane für den September eine Ausstellung. Das Thema werde blau sein.

Im Moment übernehme sie die Organisation einer Ausstellung des Kulturforums Bad Waldsee mit dem Titel Landpartie. Ausgestellt werde im Gasthof Fischerhaus im Bauerhausmuseums in Wolfegg. Auch sie wolle dort Arbeiten ausstellen. Sie habe Kisten, in denen sie Materialien sammle. Frau Valentien zeigt mir ein Foto und sagt abschließend: „Aus dieser Kiste will ich etwas machen für diese Landpartie.“ Da werde auch etwas Textiles dabei sein.

Zu dieser Arbeit sagt die Künstlerin: „Eine Obstkiste bekam ich einst von den Kolleginnen geschenkt, voll bepackt mit lauter kleinen Geschenken. Die Verpackungen dieser Geschenke sind in dieses Werk eingegangen. Und dann habe ich noch in meinem Gelben Sack „geräubert“, damit ich die ausgebrannten Teelichhülsen auch hübsch vollgewickelt bekomme. Nur so viel an Platikverpackunsgmüll zu erzeigen, wie ich in dieser oder anderer Art „wertschöpfen kann“, das ist schon ideal. Ich arbeite dran.“