Portraits & Interviews

Interview mit Karola Rose

Die Textilkünstlerin Karola Rose hat bei der TEXTILE ART BERLIN 2014 wunderbare Quilts mit Szenen und Personen aus dem Fläming, einer Landschaft westlich von Berlin gezeigt, zudem war eine Werkschau aus vielen Jahren textiler Arbeit zu sehen. Jetzt will sie aber einen Neuanfang machen: sie möchte mit alten Spitzenschätzen arbeiten, die sie seit 25 Jahren hütet. Im Interview konnte ich sie zu ihrer Entwicklung und ihren Plänen befragen.

Wie sind Sie zu Nadel und Faden gekommen?

Man könnte sagen durch Zufall, wenn man an Zufälle glaubt. 1973 bin ich von Berlin-Johannisthal nach Berlin-Mahlsdorf umgezogen und habe dort von einem Textilzirkel gehört, in dem sich regelmäßig mehrere Frauen treffen sollen. Da bin ich hingegangen, habe mich vorgestellt und mitgemacht – mit Nadel, Faden und Stoff.

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Würden Sie uns etwas über ihre Textilausbildung in den Zirkeln für Textilgestaltung erzählen?

Es gab in mehreren Stadtteilen von (Ost)Berlin und in der gesamten ehemaligen DDR solche „Zirkel für künstlerische Textilgestaltung“, wie sie offiziell hießen. Ich kann nur für den Zirkel sprechen, dem ich angehörte. Ich gehe aber davon aus, das in allen Textilzirkeln ähnlich gearbeitet wurde, denn die Zirkelleiterinnen hatten alle dieselbe Ausbildung an den Spezialschulen für künstlerische Textilgestaltung, z.B. in Potsdam oder Berlin, die in der Regel über mehrere Jahre ging.

In meinem Textilzirkel in Mahlsdorf haben wir ein breites Spektrum an Handnähtechniken erlernt. Von Weißstickerei über Buntstickerei, fadengebundene und freie Stickerei, Fadengrafik, Nadelmalerei, Durchbruch- und Netzarbeit, Nadelspitze und Knüpfarbeit bis hin zu Aufnäharbeiten, sprich Applikationen und Perlenarbeiten. Natürlich war dies mehr oder weniger ein Auswahlverfahren bei der Fülle der vorhandenen Techniken. Es war wie in der Schule, wir lernten die Grundlagen. Wenn es aber um eine konkrete persönliche Arbeit ging, wählte jede Teilnehmerin ihre eigenen Techniken und Gestaltungsideen. Dabei stand uns die Zirkelleiterin immer beratend zur Seite. Größter Wert wurde auf korrektes Arbeiten gelegt, im Handwerklichen, wie im Gestalterischen. Es wurden immer zuerst Entwürfe und Proben angefertigt, bevor es an die eigentliche Arbeit ging. Genäht und gestickt wurde nur mit der Hand. Nähen mit der Nähmaschine oder gar Klebstoff einzusetzen war, zumindest in meinem Zirkel, verpönt. Der Einsatz von Farben hielt sich sehr in Grenzen. Beliebt waren Leinen und Leinengarn in Verbindung mit Naturmaterialien (Wurzeln, Steinchen, Muscheln usw.), alles schön „Ton in Ton“ in Naturfarben, ab und zu von einzelnen Akzenten unterbrochen. Für mein Empfinden – damals wie heute – ein wenig zu farblos….. Aber auch Blaudrucke waren sehr beliebt und sehr gesucht, soweit meine Erinnerung. Wir Zirkelteilnehmerinnen haben hauptsächlich für unsere privaten Zwecke, Wandgestaltungen für die Wohnung oder auch für den Einsatz in Kleidungsstücken gearbeitet. Darüber hinaus konnte man sich auch an Gruppen- ausstellungen, die im öffentlichen Raum gezeigt wurden, beteiligen. Wenn ich so über diese Zeit nachdenke möchte ich sagen, daß ich richtig froh bin ein so breites Spektrum an Handarbeitstechniken in diesem Zirkel erlernt zu haben. Bis heute kann ich auf diesen Fundus für meine jetzigen Arbeiten zurückgreifen.

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Waren Patchwork und Appliqué  Ihre erste Liebe? Haben Sie vorher andere Techniken genutzt?

Ja, Applikationen bzw. Aufnäharbeiten liebe ich ganz besonders. Inzwischen arbeite ich aber auch gerne und viel mit der Nähmaschine. Freies Maschinensticken und Zeichnen mit der Nähmaschine habe ich in der letzten Zeit häufiger eingesetzt. Patchwork war, jedenfalls in meinem Zirkel, überhaupt kein Thema. Und von einem Quiltstich hatte ich bis 1992 nie was gehört, kam er doch in der traditionellen Stickerei höchstens als Vorstich oder Steppstich vor. Meine zweite „große Liebe“ sind Mosaike. Ab 2001 habe ich mich mehrfach großflächig in meinem Wohnbereich damit beschäftigt. Eine mir angeborene Leidenschaft ist das Zusammensetzen kleiner, möglichst farbiger Teilchen zu einem großen Ganzen – egal welchen Materials!

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Wie würden Sie ihre künstlerische Entwicklung über die Jahre beschreiben?  

Zurückblickend auf 40 Jahre kreativer Tätigkeit und künstlerischer Arbeit glaube ich, daß sich mit jedem Umzug (und ich bin 16 mal umgezogen) in eine andere Gegend, meine Interessen immer wieder in neue Richtungen weiterentwickelt haben. Mit der Begegnung neuer Menschen und neuer Landschaften, habe ich auch immer neue Impulse bekommen. Habe ich am Anfang bei meiner Musterwahl sehr auf geometrische Formen und starke Farbigkeit gesetzt und klassisches Patchwork bevorzugt, liebe ich es heute, freie gegenständliche Applikationen kombiniert mit anderen Techniken einzusetzen, wie meine Intarsientechnik oder auch meine Zwei-Schöne-Seiten-Technik. Es gibt noch eine „dritte Liebe“ – das sind alle Farben! Ich glaube, daß sich mein Farbempfinden mit den Jahren auch weiterentwickelt hat. Ich kann heute genauer wahrnehmen und empfinde Licht- und Farbenspiele in der Natur viel intensiver als früher. Das hilft mir meine Ideen mit einem gezielteren Einsatz von Farben besser zu transportieren.

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Was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?

Wie sagt man so schön: ich plane einen Neuanfang. Seit 25 Jahren hüte ich einen Schatz antiker Spitzen, Perlenborten und anderer textiler Kostbarkeiten. Die will ich jetzt verarbeiten, die Zeit ist reif ! Es werde voraussichtlich mehrere Themenbereiche werden und es wird sicherlich auch eine längere Zeit in Anspruch nehmen; brauchen diese teilweise 150 Jahre alten Materialien doch eine ganz besondere Zuwendung. Hierbei wird mir auch meine Erfahrung in Technik und Gestaltung von Vorteil sein, –   das hoffe ich zumindest ….

 Was ist für Sie das Besondere an der Textilkunst?

Ich möchte diese Frage etwas anders formulieren: Was ist für mich das Besondere an textilem Material als Ausgangsstoff für mein gestalterisches Arbeiten? Und da denke ich, daß Stoffe an sich schon als Kunstobjekte angesehen werden können. Sicherlich nicht alle, aber bedruckte Stoffe zum Beispiel von William Morris, Kaffee Fassett und vielen anderen tragen doch künstlerisches Potenzial in sich. Fast alle anderen Materialien, die für die Herstellung von Kunstwerken Verwendung finden, kommen ohne menschliches Dazutun in der Natur vor, wie Stein, Ton, Holz oder Farben (es sei denn, die chemisch hergestellten). Der Umgang mit ihnen ist ein Beginn bei Null. Ein leeres Blatt inspiriert mich nicht, ein Stein auch nicht.  Bei Stoffen hingegen springt sofort ein Funke über, Stoff regt meine Phantasie an. Ich muß ergründen, wofür der Stoff einst hergestellt wurde, wofür ich ihn jetzt in meiner Gestaltung unter Umständen zweckentfremde. Stoffe spiegeln einen bestimmten Zeitgeist wieder. Kostbare, handgearbeitete Spitzen wurden im Entwurf zuerst gezeichnet – und das von Künstlern – bevor sie geklöppelt oder genäht wurden. Stoff ist weich und biegsam, fühlt sich warm oder kühl an, ist durchsichtig oder auch nicht, glänzend oder schillernd. Wenn ich will, kann ich die ganze Welt in einem Quilt vereinen, nur durch die Auswahl der Stoffe. Und darum, weil die Vielfalt der Möglichkeiten endlos ist, liebe ich es, mit diesem Material zu arbeiten.

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