Ich treffe Eva Mühlebach in einem Café am Postdamer Platz. Da erzählt sie mir lebhaft und lebendig über ihre Leidenschaft für das Sticken mit der Nähmaschine.
Wie sind Sie zum Sticken gekommen?
Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht bin ich vorbelastet, denn meine Mutter hat immer viel genäht – auch ihre Kleider. Mein Vater hat in der Viscosuisse gearbeitet, wo verschiedene Kunstfasern und Nylonfäden hergestellt wurden. Dort gab es eine Schneiderei für die Frauen der Arbeiter. Bei den Nähkursen dort durfte ich mit dabei sein, denn meine Kleider wurden noch nach Maß gefertigt. Dann durfte ich auch die vielen verschiedenen Stoffe berühren – klar, das war einfach faszinierend.
Meine Patentante hat schöne Gobelins gestickt. Sie war eine ältere Dame, groß und stattlich, die mich sehr beeindruckt hat. Sie hat mir gesagt: “Du musst lernen zu sticken und gleichzeitig zu lesen”. Sie hat immer gestickt und so habe ich wohl den Virus gefangen. Ich habe dann früh angefangen, für meine Puppe Kleider zu nähen. Wir hatten nicht viel Geld und so hätte ich mir das unmöglich kaufen können. Ich habe gehäkelt und gestrickt, war immer auf der Suche nach Neuem, wollte immer vorwärts gehen – vielleicht typisch Zwilling? Kommt hinzu, dass eine Freundin mich animiert hat, meine Arbeiten in das Sortiment ihres Geschäftes aufzunehmen. Angefangen hat es mit kleinen gehäkelten Beuteln, bald kam die Seidenmalerei hinzu.
Nun eine Familie, haben wir uns entschieden, nach Irland zu ziehen. Ein gewagter Schritt aus der gesättigten Schweiz in die grüne irische Provinz. Bald habe ich festgestellt, wie sehr sich die traditionelle englische Handarbeitstechnik in Irland festgesetzt hatte. So war es naheliegend, dass Sticken für mich eine größere Bedeutung bekommen hat – auch deshalb, weil andere Grundmaterialien damals nur schwer zu beschaffen waren. Da hat sich natürlich in den letzten Jahren einiges geändert.
Die zunehmende Verdrängung der handwerklichen Fächer aus dem Lehrplan der öffentlichen Schulen ist für mich zu einer wahren Chance geworden. Unser großes Haus hat mir die Möglichkeit geboten, individuelle Handarbeitskurse für Kinder und Jugendliche anzubieten. Meine Begeisterung hat sich auf die Kleinsten übertragen, die Vierjährigen, genauso wie auf die Teenager.
Irgendwann haben sie angefangen, ihre kleinen Werke zu verkaufen und auszustellen?
Ja, das war ja schon in der Schweiz der Fall und in Irland gibt es die Möglichkeit, an den beliebten Craft Markets auszustellen. Ein weiterer Ankerpunkt wurde für mich Cork Textiles Network, eine Vereinigung von Textil-Begeisterten, die mit ihren Ausstelllungen und Workshops inzwischen ein Magnet für eine ganze Region sind. Zweifellos die ideale Plattform, die Vielseitigkeit der Textilkunst zu präsentieren.
Dieses Netzwerk war letztlich auch der entscheidende Auslöser für viele neue Impulse. Da lag es fast auf der Hand, mich am College Stiofain Naofa, Cork, für einen Studienplatz in Creative Textiles zu bewerben. Eine gute Entscheidung – es war einfach eine total spannende Zeit.
Wie sind Sie zur TEXTILE ART BERLIN gekommen?
Ein neues Netzwerk in Berlin aufzubauen hat natürlich etwas gedauert. Zwar ist immer und überall etwas los, aber die typisch irische Community habe ich zu Anfang schon etwas vermisst. Der kommerzielle Gedanke schien deutlich größer zu sein als ein gemeinsames “Schaffen”. Was ich komplett übersehen hatte: es gab die Textile Art Berlin! Zuerst war ich nur als Besucherin dabei, dann aber mutig bald mit eigenem Stand. Dabei ist mir die eigene Freude so wichtig wie der Austausch und das Gespräch mit den Besuchern. Meine Nähmaschine ist dann natürlich immer mit dabei. Mit einem praktischen Beispiel ist man meist schon mitten in einem interessanten Gespräch. Oft werde ich dabei gefragt: Warum geben Sie ihr Knowhow preis? Ich sage dann: Es gibt die Geheimnisse nicht. Niemand verarbeitet ausschließlich eigene, originale Ideen. Wichtig dabei ist, dass nicht plump kopiert, sondern verschiedene Elemente zu einem persönlichen Ausdruck umgeformt werden.
Welche Techniken setzen Sie ein und welche Maschine benutzen Sie?
Im Moment sticke ich vorwiegend mit der Maschine auf selbstgefertigte Papierkollagen, oder auf Stoff. Auf Papier zu sticken ist einfach und praktisch, weil das Einspannen in einen Rahmen entfällt und man deshalb sehr flexibel arbeiten kann. Die gestalterischen Freiheiten bei der Herstellung des Papiers sind beinahe grenzenlos und bilden damit einen interessanten Kontrast zu den linearen Konturen der hinzugefügten Stickerei. Für mich ist das eine faszinierende Kombination von Materialien und Techniken.
Die Leute sagen immer: Ich kann das nicht. Zeichnen schon gar nicht. Diese Bedenken sind völlig unbegründet, da ja auch direkt durch eine Vorlage gestickt werden kann. Aus Angst vor Fehlern haben Einsteiger oft eine gewisse Hemmschwelle. Da man meist mit alten Drucksachen arbeitet, sind solche Vorbehalte unbegründet. Alles was ich verarbeite, hat man schon zuhause. Heute sagt man dazu upcycling.
Das Modell mit dem ich arbeite ist eine herkömmliche Haushaltsmaschine aus den 80ern. Voraussetzung für freihändiges Maschinensticken ist nur ein versenkbarer Transporteur. Am einfachsten stickt es sich mit einem Stopf-Fuß.
Was ist Ihr aktuelles Projekt?
Keine Überraschung, dass ich auch bei der nächsten Textile Art Berlin dabei sein will. Das künstlerische Motto für 2016 lautet Paths of Life. Da gilt es jetzt für mich gedanklich nach Konzept und Format zu suchen. Die Umsetzung ist noch nicht reif und darf auch nicht vorzeitig ausgeplappert werden.
Vielen Dank für das Interview!