Frauke Lara Düll verarbeitet dicke, dünne, grobe, feine, transparente und auch sehr ausgefallene Stoffe ganz unterschiedlicher Art zu Gemälden. Die Stoffbilder sind sehr plastisch und machen durch ihre Haptik Lust sie zu befühlen. Ich habe sie dazu befragt:
Wann sind Sie erstmals mit textilen Arbeiten in Berührung gekommen? Hat das Textile Sie schon früh fasziniert?
Textiles Werken war anfangs in der Schule nicht gerade Liebe auf den ersten Blick, ich malte lieber oder las. Vor dem Handarbeitsunterricht habe ich mich liebend gerne gedrückt, weil es an meinen Erzeugnissen immer etwas auszusetzen gab, ich war sehr unordentlich.
Mit der Zeit jedoch fing ich an, zu Hause für mich Kleider zu nähen, und ungefähr mit 18 Jahren begann bei mir eine Phase, in der ich viel stickte, vorzugsweise mit Plattstich. Ich strickte und experimentierte mit anderen Wolltechniken wie Pompons, ebenso mit Weben ohne Webstuhl.
Während meiner Schneiderlehre begann ich außerdem – meine Meisterin zeigte sich nicht gerade begeistert – Kleidung mit der Hand zu nähen, was sich aber während meines Aufenthaltes in Großbritannien als sehr praktisch erwies. Erst Jahre später kehrte ich zu der Nähmaschine zurück, um meine Stoffbilder zu nähen.
Haben Sie eine textile Ausbildung?
Ich habe während der Schulzeit im Internat eine Schneiderlehre begonnen, die ich ein Jahr nach dem Abitur mit einem Gesellenbrief abgeschlossen habe. Von 1982 – 86 studierte ich in Bielefeld Literaturwissenschaft, Linguistik und Philosophie, dann anstatt Philosophie ein Semester Kunst. Von 1987 – 92 studierte ich in Trier Modedesign und schloss dieses mit einem Diplom ab.
Sie malen Bilder aus Stoff. Wie haben Sie Ihren besonderen Stil entwickelt?
Bereits in den frühen achtziger Jahren reizte es mich, meine Bilder mit Textilien zu „malen“. Ich versuchte mich mit sehr einfachen Formen, die ich mit Knopfstich von Hand auf einen textilen Untergrund nähte. Diese Bilder vervollständigte ich mit Stickerei. Diese wurden mit der Zeit größer und komplizierter, so dass ich wieder mit der Maschine zu nähen begann. In dem Fall nähte ich die Stoffstücke mit einem kleineren Zickzackstich auf, beschnitt die Ränder und kurbelte mit einem etwas größeren Knopflochstich nach. In der Weise verfahre ich bis heute.
In der Zeit malte ich weiter in der konventioneller Weise, jedoch immer seltener. Durch die vielen Stoffreste, die viel zu schade zum Wegwerfen waren, verlegte ich mich immer mehr auf das Applizieren. Auf diese Weise vernähte ich ganze Stoffteile, die ich z.B. zu Jacken nähte. Mit der Zeit bekam ich Übung und achtete immer mehr auf Struktur und zueinander passende Farben.
Nach dem Studium „malte“ ich weiter Bilder, die ziemlich groß wurden, bis ein Meter mal zwei Meter. Ich fertigte ganze Themenreihen wie „Natur und Zivilisation, Animalia und die Odyssee. Ich entwarf zudem Kleidung und erledigte Auftragsarbeiten, auch für kleinere Theater. Damit konnte ich mich jedoch mehr schlecht als recht über Wasser halten, zumal ich eine kleine Tochter zu versorgen hatte. So beschloss ich 1995, mich rein auf die Bilder zu konzentrieren, dafür aber einfache Jobs anzunehmen.
In den Jahren 2004 – 6 wirkte ich bei einem Theaterprojekt mit, bei dem ich außerdem bei der Kostümentwicklung beteiligt war. Dabei wurden auch Voile Stoffe verarbeitet, die mit Bügelfolie auf die Grundstoffe befestigt wurden. Diese Technik und auch dieses Material faszinierten mich und ich stellte eigene Experimente an. Ich war verblüfft über die Tiefenwirkung der übereinanderliegenden Voiletücher, auch die Nuancen gerieten immer feiner. Bis jetzt arbeite ich mit dieser Technik.
Die Haptik der Stoffe spielt für Sie eine große Rolle?
Ja, Haptik spielt bei mir eine große Rolle. Unterschiedliche Strukturen haben unterschiedliche Funktionen im Bild. Die Voile-Stoffe sind für mich vergleichbar mit Aquarellfarben, sie sind durchsichtig und bekommen beim übereinander Bügeln einen zerfließenden Effekt. Diese und auch schillernde Stoffe nehme ich z. B. gerne für Wasser, aber auch Glas, feste und grobe dagegen für Steine und Erde. Feine Materialien passen zum Hintergrund, weiche Stoffe wie Samt für alles, was weich ist, außerdem Gras, Schnee, Sand usw., Spitzenstoffe passen zu Pflanzen, Blättern, Stuck und Muscheln.
Welche Rolle spielen die Farben?
Noch wichtiger für mich sind Farben, in ihnen kann ich versinken! Manche Bilder beginne ich, weil ich bestimmte Farben oder Farbkompositionen im Sinn habe. Mit dem oben genannten Voile kann ich unendlich viele Farben übereinanderlegen, das gibt Tiefenwirkung, bei unterschiedlichen Farben spannende „Akkorde“ – wie in der Musik –, vor allem wenn diese sich „beißen“. Diese Effekte mag ich am liebsten.
Sicher möchten viele Betrachter Ihre Bilder befühlen?
Manche Leute befühlen meine Bilder gerne, die meisten trauen sich das aber nicht. Das ist auch gut so. Im kleinen Rahmen erlaube ich das, bei viel Publikumsverkehr sähen meine Bilder danach alt aus.
Arbeiten Sie zu bestimmten Themen?
Das ist unterschiedlich. Manchmal bewegt mich ein Thema, z.B. im Bereich Politik, das ist dann eine Vorgabe und eine Herausforderung. Meistens kommt mir das Thema erst während des Prozesses. Manchmal gibt eine Zeitungsüberschrift oder ein Songtitel das Thema vor oder ein bestimmter Begriff wie z.B. „Schrödingers Katze“. Vor Jahren habe ich gerne ganze Themenreihen in Bilder umgesetzt: “Natur und Zivilisation“, „Kosmos“, Venedig“, „Die Odyssee“. Auch vorhandene Skizzen waren schon Grundlagen von Werken, ebenso eine Farbkomposition oder ein Stück Stoff.
Wie arbeiten Sie? Könnten Sie anhand eines Werkes die Arbeit vom Entwurf bis zum fertigen Werk beschreiben?
An dem Bild: “Kürbis und Bohnen im Wettstreit um die Dominanz im Garten“ möchte ich den Prozess der Entstehung eines Bildes veranschaulichen:
Das Thema entsteht erst im Lauf der Entwicklung, mir geht es vor allem um diese lebendige Power, die in diesen Pflanzen steckt, während eines Abends in (m)einem Garten. Beide wachsen in einem Höllentempo und halten sich an allem fest, dessen sie habhaft werden können, es ist faszinierend!
Ich suche also die passenden Materialien für dieses Werk heraus: roter Voile, auch orange-rose, weißer Satin, viel dunkelgrün, einer changiert in rot-grün für ein Meer dahinter, graue feste Stoffe für Stein und grüne Spitze für die Blätter. Feinere Stoffe befestige ich mit Nadeln und Zickzackstich auf einen Untergrund für den Hintergrund. Eine weiße Sonne, die durch den Voile errötet. Als nächstes kommen das Meer, die Steine und das Gemüse an die Reihe, grob befestigt, Bohnenstangen, an denen sich die Pflanze hochwindet, während der Kürbis den Boden in Beschlag nimmt. Dann ruht das Bild eine gute Weile, eine Woche, der Kürbis bekommt Blüten, eine Frucht versteckt sich. Auch die Bohne blüht, rot. Weitere Wochen vergehen, auch in diesem passiven Zustand entwickelt sich das Bild. Das mag ein subjektiver Eindruck sein, aber ich sehe, was fehlt. Das Werk kommt mir zu ansichtskartenmäßig herüber und bekommt einen rotbraunen Überzug aus Voile verpasst, ich bevorzuge Molltöne. Mit einem Kettelstich, d.h. Knopflochstich in unterschiedlichen Breiten werden sowohl Bohnen als auch Kürbisse herausgearbeitet und deutlicher hervorgehoben. Schließlich integriere ich mein Zeichen in das Bild, der Apfel wird zum Kürbis, die Schlange zu Blattwerk. Jetzt muss das Bild nur noch auf ein Passepartout genäht und gerahmt werden.
Was inspiriert Sie?
Inspirationen kommen aus allen möglichen Ecken zu mir, wie z.B. Skizzen. Eine Zeitlang liebte ich es, Musiker während eines Konzertes zu skizzieren – vorzugsweise auf DVD oder im Nachhinein, weil ich sonst die Songs verpasse. Aus solchen Skizzen sind einige meiner Bilder entstanden. Außerdem inspirieren mich Bücher und deren Geschichten, Zeitungsausschnitte, die ich weiterspinne, Impressionen, Träume, Bilder, die mir kommen, wenn ich Musik höre. Meine Kosmosbilder sind auf diese Weise entstanden. Vor einigen Jahren nahm ich an einem Comic-Kurs teil, was sich auch in einigen Werken niedergeschlagen hat. Und zu guter Letzt wie oben demonstriert, liefert mein Garten eine Menge Inspiration.
Fotos: Roland Brinkmann