Portraits & Interviews

Interview mit der Textilkünstlerin Elsbeth Nusser-Lampe

Wann sind sie zum ersten Mal mit textilen Arbeiten in Berührung gekommen?

Textile Techniken wie Häkeln, Stricken u. Nähen sind mir schon seit Kindheit in der Familie über meine Mutter u. Tanten vertraut. Zudem gehöre ich der Generation an, die in der Schule Unterricht in Handarbeiten hatte. Abitur habe ich auf einem Mädchengymnasium gemacht, das damals noch die Bezeichnung „Frauenberufliches Gymnasium“ trug. Dort hatten wir noch in der Oberstufe das Fach Handarbeit mit Prüfungen. Ich habe gerne Handarbeiten gemacht, insofern war das ein Grundstock für spätere Entwicklungen.

Meine einschneidenste Begegnung mit textilen Arbeiten hatte ich in den 1980 Jahren bei einem Ausstellungsbesuch von der Quilterin Dorle Stern-Straeter. Zuvor hatte ich schon eigene einfache, wenig erfolgreiche Versuche mit Patchworkarbeiten gemacht über Anleitungen in Zeitschriften. Die Arbeiten von Dorle Stern-Straeter ließen in mir den Wunsch entstehen, so was auch zu können.

Haben sie eine textile Ausbildung?

Nein, ich habe keine textile Fachausbildung. Ich habe Biologie studiert.
Ich besuchte viele Workshops bei namhaften nationalen und internationalen Quilterinnen im Laufe der Jahre.

Angefangen haben sie mit Patchwork und Quilts. Im Laufe der Jahre sind zahlreiche andere textile Techniken hinzugekommen. Erzählen Sie uns davon.

Ja, angefangen haben meine Patchwork- und Quiltkenntnisse im privaten Bereich. Eine amerikanische Freundin hatte einer Gruppe von Frauen, zu der ich auch gehörte, traditionelle Techniken vermittelt mit regelmäßigen Treffen. Im Laufe dieser Zeit organisierte sie auch Kurse mit weiteren Kursleiterinnen. In einem Kurs mit der irischen Künstlerin Ann Fahy lernte ich das Freie Führen der Maschine ohne Transporteur kennen. Das war mein „Aha-Erlebnis“ in der textilen Welt. Da wusste ich, das lässt mich nicht mehr los und wird mir ermöglichen textile Umsetzungen anzugehen, die ich immer in meiner Phantasie angestrebt habe.
In vielen Kursen mit verschiedenen Lehrerinnen u. Themen habe ich immer wieder Neues dazugelernt wie Maschinen- u. Handstickerei, Gestaltungstheorien, Färbetechniken, Drucktechniken, Papierarbeiten, etc. Mit eigenen Experimenten habe ich vieles weitergeführt und vertieft.

Hatten bzw. haben sie Vorbilder?

Wie schon erwähnt haben mich anfänglich die Arbeiten von Dorle Stern-Straeter beflügelt. Sie hat an ihren Crazyarbeiten beharrlich gearbeitet, variiert und vermutlich musste sie dazu eine unglaubliche Arbeitsdisziplin entwickeln. Dieses konsequente Arbeiten hat mich sehr beeindruckt und mir verdeutlicht, dass man nur durch ständige Auseinandersetzung mit dem Medium, sowohl praktisch auch als kreativ, weiterkommt.

Ihre Inspirationsquelle ist vor allem die Natur?

In den strengen Formen des klassischen Patchworks habe ich nach anfänglicher Faszination für mich keine Weiterentwicklung mehr gespürt.
Durch mein Studium der Biologie war ich immer schon an der Natur interessiert mit all ihren vielfältigen Schönheiten und Phänomenen. Naheliegend war ja eigentlich meine Kenntnisse und Erfahrungen innerhalb der Biologie in meine textilen Arbeiten miteinfließen zu lassen.
Das war keine plötzliche Erkenntnis, sondern eine langsame Entwicklung.
Seit ich diesen Weg eingeschlagen habe, sind meine Arbeiten noch floraler und noch mehr von Verwandlungsprozessen beeinflusst.

Wie arbeiten sie? Könnten sie anhand eines Werkes die Arbeit vom Entwurf bis zum fertigen Werk beschreiben?

Ich nehme Vorbilder, die in der Natur vorkommen als Ausgangsidee, ohne sie botanisch korrekt darzustellen.
Als Beispiel möchte ich die Arbeit „Cornus – Hartriegel“ beschreiben.
Die Blüten dieses in vielen Vorgärten (auch bei unseren Nachbarn) weit verbreiteten Strauchs habe ich versucht umzusetzen. Die Leichtigkeit der zarten Blüten zu erfassen, war mein wichtigstes Ziel.
Die Hintergrundfläche ist eine Collage von unterschiedlichen Stoffqualitäten, industriell gefertigte Stoffe und Stoffe und Vliese aus meiner eigenen Sammlung mit Färbeexperimenten in naturweiß, rosa und hellgrau Tönen, gemustert und mit Farbverläufen.
Mit Hilfe von Abbildungen in botanischen Büchern habe ich die Blütenform entwickelt, eigene Stempel damit gemacht, Vliesofix angemalt und in Blütenform transferiert, bemalte Vliese appliziert. Als die Blüten auf dem Collage-Untergrund aufgebracht waren, erschien mir der Eindruck noch nicht leicht genug. Abhilfe schaffte dann ein Nylonchiffon, was über die
Blüten gelegt wurde und beim anschließenden Ausarbeiten mit der Maschine mitgenäht ist.

 

Foto: Detail und Gesamtansicht Hartriegel

Wie war die Zeit der Pandemie und des Lockdown für sie? Gab es ihnen die Möglichkeit, in Ruhe an neuen Werken zu arbeiten, oder fehlte ihnen der persönliche Austausch mit anderen Künstlerinnen und dem Publikum?

Wie für uns alle war auch die Zeit des Lockdown für mich schwierig. Obwohl ich soviel mehr Zeit hatte, ist es mir nicht immer gelungen, diese auch kreativ zu nutzen. Es fühlte sich wie eine Blockade an oder wie in der Warteschleife sitzend, wartend auf wieder bessere Zeiten anstatt die Zeit zu nutzen. Gleichzeitig hat mich das Weiterarbeiten die unglücklichen Zeit besser aushalten lassen und abgelenkt. Was mir dadurch gelungen ist, sind Arbeiten an kleinen Formaten. Ich habe sehr viele kleine Faltbücher (Leporellos) mit Pflanzenmotiven genäht. Im 2. Jahr der Pandemie sind auch wieder größere Arbeiten entstanden.
In meiner langen Zeit der Kursleitertätigkeit war ich gewohnt immer wieder mit vielen Textilinteressierten in Kontakt zu sein. Diese Begegnungen habe ich vermisst, gleichzeitig auch bemerkt wie angenehm es ist, nicht mehr mit schwerem Koffer und unzuverlässigen Bahnfahrten zu reisen. Kurse online anzubieten, was viele meiner Kolleginnen neu angegangen sind, habe ich nicht gemacht.
Schon immer war mir wichtig zwischen Kursterminen wieder Phasen zu haben allein zu arbeiten, Kommunikation und Austausch zurückzunehmen. So sind mir Lockdownbedingungen nicht unwillkommen.

Sie haben ihre Arbeiten schon auf vielen Ausstellungen gezeigt. Wann und wo kann man sie in der nächsten Zeit in Deutschland sehen?

Ja, glücklicherweise hatte ich immer wieder Gelegenheit in vielen Gemeinschaftsausstellungen national u. international teilzunehmen. Auch einige Soloausstellungen gab es bereits in der Vergangenheit, wobei die Anfrage der Art Quilt Galerie in New York City mit der Möglichkeit dort auszustellen, für mich völlig unerwartet kam. Die New Yorker Galerie hatte mich bei meiner Ausstellung während der Europäischen Patchworktage im Elsaß 2012 angesprochen mit der Frage „ob ich die erste Quilterin aus Deutschland sein möchte, die in Manhattan in ihrer Galerie ausstellt.“ Nachdem man das zuerst als, wie man heute sagt, „fake“ hält, realisiert man, dass es tatsächlich möglich war.
Leider ist die Galerie zwischenzeitlich geschlossen.

Momentan habe ich eine Ausstellung geplant in der Nähe meines Heimatortes Freiburg in Bad Krozingen in den Ausstellungsräumen der Kurseelsorge.
Die Ausstellung hat den Titel „Hier blüht was….“
Sie findet vom 1.Mai bis 31.Mai 2022 statt.
Öffnungszeiten Mo- Fr 8.30 bis 18.30 Uhr, Sonntag 11.00 bis 16.00 Uhr (sonntags bin ich persönlich anwesend)
Weitere Infos www.elsbethnusser-lampe.de
Ausgestellt werden neuere Arbeiten aber auch Arbeiten der letzten Jahren , die noch nicht hier zu sehen waren, mit hauptsächlich Blütenmotiven.
Ich freue mich sehr über alle Besucher und lade ganz herzlich dazu ein.