Anke und Tobias Dübler sind ein ganz besonderes Künstlerehepaar. Sie ist Textilkünstlerin, er Holzkunsthandwerker. Ich habe beide interviewt und kann Werke beider zeigen.
>Würden Sie mir Ihren Werdegang schildern? Wann hat die Begeisterung für Textiles begonnen?
Ich war etwa 14 Jahre alt, als mich das Nähen befallen hat. Die Nähmaschine, die bei meiner Mutter nur herumsstand, habe ich mir erobert und damit eigene Kleidung genäht – einfache Schnitte aus Zeitschriften. Mein Rohstoff waren Bettlaken und ausgemusterte Kleidung. Mit meinen Mitteln als Jugendliche in der DDR war erstmal nicht mehr möglich. Ich kann mich noch an einen Rucksack erinnern, den ich für meinen Bruder geschneidert habe, mit Gesicht auf dem Rücken, samt Wolllhaaren.
> Haben Sie eine textile Ausbildung?
Nein, ich bin Autodidaktin, später habe ich dann ein Jahr lang bei einer Schneidermeisterin einen Tag die Woche lernend mitgearbeitet. Das hat mich sehr vorangebracht. Unter anderem habe ich dort auch die Schnitterstellung gelernt. Ich habe auch eine Ausbildung zur Handstickerin begonnen (ein Semester), die ich aus gesundheitlichen Gründen leider viel zu früh abbrechen musste.
> Sie bieten eine Fülle textiler Dinge, unter anderem Bekleidung. Was ist Ihnen da besonders wichtig?
Ich interpretiere ihre Frage jetzt mal so, als ob sie sich auf die Bekleidung bezieht. Rein materiell betrachtet nutze ich ausschließlich Stoffe aus natürlichen Fasern, wenn möglich in Deutschland gefertigt, über regional brauchen wir ja in diesem Bereich schon gar nicht mehr nachzudenken. Das ist das Eine. Zum anderen ist mir wichtig, die Kleidung zu mehr zu machen, als zu reinen Funktionstücken. Hier kommt die künstlerische Gestaltung ins Spiel. Ich möchte schmücken und ich finde auch, daß wir es uns erlauben sollten, uns zu schmücken, unter anderem auch mit Bekleidung. Mir kommt es so vor das dies in unserer Kultur verloren gegangen ist. Ich nutze dafür die Stickerei und die Gestaltung mit Textilfarbe oder auch beides zusammen. Mit der Gestaltung von Bekleidung sind meine Neigungen zusammengeflossen: Nähen, Sticken und Zeichnen/Malen. Ich spiele generell gerne mit Stoffen, Farben und Fäden. Die Freude daran zieht sich durch alle meine Arbeiten.
> Sie schmücken die Kleidung, die sie anbieten mit Stickereien und Bemalen. Mit welchen Techniken und welchem Material arbeiten Sie?
Vor meiner Erblindung habe ich mit selbst gefertigten Schablonen schabloniert, mit eigenen Stempeln gedruckt aber auch mit freien Hand auf den Stoff gemalt. Für die Stickerei habe ich eine Vielzahl an Stichen und Garnen genutzt und machmal Perlen dazu kombiniert.
> Sie fertigen Blindenschriftkissen. Woher kam die Inspiration dazu? Wie bringen Sie die Schrift auf, mit Köpfchen, Perlchen oder Knoten ?
Zum Blindenschriftkissen führten mehrere Aspekte. Da war natürlich die plötzlich eingetretene eigene Betroffenheit. Ich war mit einer völlig anderen Situation konfrontiert und gehörte plötzlich zu einer „Randgruppe“ unserer Gesellschaft. Dann war da der Wunsch unter diesen für mich neuen Bedingungen – nur noch 2% sehen zu können – trotzdem wieder textil zu arbeiten. Dafür brauchte es erst einmal „einfache“ Aufgaben. Da lag ein Kissen recht nahe. Ja, und dann wollte ich gerne für genau diese Gruppe von Menschen eine Alltagsfreude, ein Wohlfühlaccessoire anbieten, daß eben in erster Linie die Blinden anspricht.
Die Schrift, also die Punkte, bringe ich mit Siebdruck auf den Stoff. Ich nutze Textilmalfarbe und Schablonen, bei deren Herstellung mich meine Familie unterstützt. Um aber die Tastbarkeit sicherzustellen, reicht das nicht aus. Deshalb setze ich auf jeden Farbpunkt noch einen Knötchenstich. Dafür nutze ich eine spezielle Kamera, die ich auf meine Arbeit ausrichte, und die mir den zu bestickenden Punkt auf einen großen Monitor darstellt (Mein Mann sagt immer, ich sticke mit Baustämmen und Schiffstrossen, weil das dann so groß aussieht.). Das läßt sich für mich ganz gut umsetzen. Die größte Schwierigkeit ist für mich vielmehr der Zuschnitt, auch wenn es nur ein einfaches Rechteck ist. Für die Texte auf den Kissen habe ich über soziale Netzwerke Kontakt zu blinden Menschen gesucht und sie um Vorschläge gebeten. Auf den Kissen stehen Sätze wie: „Ein Herz sieht mehr als zwei Augen.“ oder „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ oder einfach nur „Traumfänger“.
> Durch ihr eingeschränktes Sehvermögen nehmen Sie die Welt sicher ganz anders war als sehende Menschen. Könnten etwas dazu erzählen?
Durch meine Erblindung habe ich erfahren, das unser alltägliches Sein in allen Ebenen visuell geprägt ist. Die Augen sind das wichtigste Sinnesorgan, dem alle anderen nachgeordnet werden. Damit erreichen wir ein hohes Tempo an Informationsumsatz bleiben jedoch in den meisten Fällen an der Oberfläche der Dinge. Ich bin nunmehr gezwungen andere Möglichkeiten meines Körpers auszuschöpfen, um eben auch möglichst viel an Information und Orientierung zu erhalten. Ich muß mit Höhren , Tasten und Intuition (Riechen geht leider auch nicht mehr). um ein Vielfaches feiner wahrnehmen, um die gleichen Infomationen zu bekommen. Bsp. Mimik drückt Emotion aus – ich muß die Emotion aus der Stimme filtern. Mit der Zeit habe ich mir das natürlich alles erarbeitet. Ich würde sagen, ich musste neu sehen lernen, ohne sehen zu können.