Portraits & Interviews

Interview mit der Stickkünstlerin Daniele von Fischer

Daniele von Fischer habe ich bei einer ihrer Einladungen ins Atelier kennengelernt. Danach habe ich sie regelmäßig bei der TEXTILE ART BERLIN getroffen und ihre wunderbaren Stickgarne bewundert. Ich wollte mehr über sie wissen.

Sind Sie schon in Ihrer Kindheit mit textilen Arbeiten in Kontakt gekommen?

Ja, und überraschenderweise war der Vater meiner Patentante der Mensch, der mir  Nadel und Stoff als Erster näher brachte. Es wurde Puppenkleidung genäht. Da ging ich noch nicht zur Schule. Etwas später kamen dann die Mutter und Oma einer Nachbarsfreundin dazu, die beide Schneiderinnen waren. Wir haben viel genäht, und im Laufe der Jahre haben wir uns bis zu Haute-Couture-Modellen gesteigert. Mir scheint, die Modelle waren durchaus anspruchsvoller, und so wurde auch gerne gutes Geld für gute Stoffe ausgegeben. Dann wurde die Kleidung immer günstiger und das Nähen wurde als zu zeitaufwendig empfunden.

Stricken, Häkeln und das Sticken kamen so ab dem 10. Lebensjahr durch den Handarbeitsunterricht dazu. All diese Techniken haben mich immer im Leben begleitet, und alle hatten ihre Phasen. An die große Strickwelle in den 70ger und 80ger Jahren kann ich mich gut erinnern. Sticken erschien mir im Unterricht nicht sehr verlockend. Umso überraschender, dass ich mich dieser Technik Jahre später hauptsächlich gewidmet habe.

Haben Sie eine textile Ausbildung?

Ich habe eine private Ausbildung an der heutigen „International School of Textile Art“ gemacht. Bärbel I. Zimber hat in den 90ger Jahren angefangen, ihre Kenntnisse von der Royal School of Needlework, London, in Deutschland weiter zu geben. Ich war eine der Ersten, die bei ihr die Ausbildung machten und bin sehr dankbar, dass ich diese Schule damals entdeckte. Ich konnte dort sehr viel lernen.

Haben Sie früh zum Sticken gefunden?

Zum Sticken „gefunden“ habe ich erst recht spät, abgesehen vom Handarbeitsunterricht in der Schule. In den 90ger Jahren kam ich wieder aufs Sticken, weil mir die plötzliche Farbvielfalt der Garne ins Auge fiel. Bis dahin hatte ich eine Malereiphase und wollte dann plötzlich mit Garnen malen. Angefangen habe ich klassisch mit Kreuzstich, aber schon bald wollte ich unbedingt andere Techniken erlernen, und siehe da, ich „stolperte“ über einen Artikel über Bärbel I. Zimber, und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Mit welchen Materialien arbeiten Sie am liebsten?

Ich bin da sehr offen. Ich arbeite mit den feinsten Garnen bis hin zu Materialien, die eher „befestigt“ werden. Es kommt darauf an, was ich ausdrücken will. Ich liebe jedoch Verlaufsgarne in allen möglichen Qualitäten. Ob Baumwolle, Seide, Viskose etc. Und ich mixe sehr gerne Materialien, die auf den ersten Blick vielleicht nicht zusammen passen, wie Metallfäden und Wolle. Diese Lust auf unterschiedliche Materialien hat auch dazu geführt, dass ich 2005 mit dem Handel von interessanten Garnen und Zubehör anfing.

Mit welchen Techniken sticken Sie gern?

Es müsste eher „in welchen Techniken“ heißen. Eigene Entwürfe arbeite ich gerne auf Stramin und verwende verschiedene Qualitäten, auch Seidenbändchen, was für Stramin eher ungewöhnlich ist. Das zum Thema Materialmix.
Aktuell arbeite ich gerne Sashiko und Kogin, zwei japanischen Techniken.

Sie bieten eine Fülle von Stickgarnen und Zubehör in Ihrem Shop an. Bitte geben Sie uns einen Eindruck von Ihrem Sortiment.

Ehrlich gesagt, arbeite ich an meinem Shop. Im Moment kann man noch nicht viel sehen, aber immer bei mir bestellen. Ich berate gerne auch über die Medien. Mein Sortiment umfasst die Garne von House of Embroidery, Tentakulum, Sajou, Au Ver à Soie sowie Olympus (Sashiko). Dazu kommen Seidenfasern (Hankies, Rods, Kokons etc.) und Materialpacks sowie Stickpackungen nach eigenen Entwürfen auch von Au Ver à Soie, Sajou und von der japanischen Firma Olympus in Sashiko und Kogin.
Nicht zu vergessen die unglaubliche Nadelauswahl von John James sowie  Handarbeitsscheren, Stickrahmen etc.
Eine Auswahl an Handarbeitsstoffen und japanischen Stoffen rundet das Angebot ab.
Ich werde übrigens als Berlinerin am 19. und 20. Juni hier im Garten in der Altensteinstraße 58 eine Einkaufsgelegenheit in der Zeit von jeweils 11 bis 16 Uhr anbieten!

Sie geben auch Kurse. Erzählen Sie uns bitte davon.

Ich biete seit vielen Jahren Kreativ- und Stickkurse an. Die Techniken reichen von Grundlagenstickkursen über Stramin-, Gold-, Jakobinische Wollstickerei bis hin zu Freiem Sticken, und seit drei Jahren gebe ich auch Sashikokurse. Die Kurse werden individuell abgesprochen und terminlich vereinbart. Es können sich Gruppen melden, und auch Einzelkurse sind möglich. In den letzten Jahren vor Corona wurde immer mehr Einzelunterricht gebucht. Mal sehen, wie es sich nach Corona entwickelt.

Seit wann sind Sie bei der Textile Art Berlin dabei, und wie haben Sie die Messe erlebt?

Ich bin praktisch seit der Geburtsstunde der TEXTILE ART BERLIN dabei und habe jedes Jahr teilgenommen, bis auf das Jahr, in dem die TAB ins Phorms Campus „umzog“. Als die grundlegende Idee von Herrn Wolters publik wurde, war ich hellauf begeistert, denn es erschien mir merkwürdig, dass eine Stadt wie Berlin nicht über eine solche Messe verfügte. An die ersten Jahre in der Max-Taut-Schule erinnere ich mich sehr gut. Es war aufregend, so viele textilinteressierte Menschen zu treffen, und die Ausstellungen in der Turnhalle waren spektakulär.
Der Umzug in die Carl-von-Ossietzky-Schule war anfangs etwas seltsam. Von einem denkmalgeschützten, klaren Bau in eine 70ger Jahre Schule mit verwinkelten Gängen … Viele, ob Besucher oder Aussteller, hatten immer wieder ihre Orientierungslosigkeit beteuert, und so gab es dann Handzettel mit  Grundrissen und farbliche Abtönungen an den Wänden. Wunderbar und niemals vergessen dort die Integration der Schüler! Wundervoll. Über die Jahre habe ich tatsächlich den einen oder anderen Schüler „begleitet“ und durfte sehen, wie scheue Teenies sich in selbstbewusste junge Menschen verwandelten. Ich denke, die TAB hat da sicher ihren Beitrag geleistet. Ganz herzlichen Dank auch an Frau Fiedler, die von der Schulseite her eine starke Arbeit geleistet hat. In dieser Schule war der Ausstellungsbereich durch die breiten lichten Flure ebenfalls sehr gut realisierbar.
Die neue Veranstaltungsstätte, das Phorms Campus, bietet wieder ganz andere Möglichkeiten. Ich stehe sehr gerne in dem großen Saal ganz oben mit viel Tageslicht und einem Ausstellungsbereich. Auch wenn es, wie jedes Jahr, immer sehr heiß zur TAB ist und hier die Aufzüge gerne streiken, so freue ich mich doch, dabei zu sein.
Die Textile Art Berlin ist für mich ein Heimspiel.

Wie haben Sie die Zeit der Pandemie erlebt? Fehlt Ihnen der physische Kontakt zu Ihren Kundinnen, bei Messen und Ausstellungen?

Da alle Messen ausfielen und -fallen, war und ist mein Hauptverkaufsfeld entfallen. Da ich hauptsächlich „Farben“ verkaufe, ist ein Direktverkauf sehr wichtig und effektiv. Dazu kommt, dass ich Direktverkauf auch liebe. Also ja, ich vermisse den physischen Kontakt sehr. Ich habe mir hier einen Ausgleich geschaffen, indem ich im Garten Outdoor-Verkäufe organisiert habe – auch zur diesjährigen Textile Art werden ich und AnnaGlückstoff hier in der Altensteinstraße 58 (14195 Berlin) unsere Waren präsentieren (19. und 20. Juni jeweils von 11 bis 16 Uhr).  Die Outdoor-Verkäufe wurden sehr gut angenommen, und die Menschen waren unglaublich dankbar und froh, sich austauschen und begegnen zu können. Im Moment lockert sich ja alles wieder. Vor der Pandemie sprachen alle immer von „wir wollen/müssen uns entschleunigen“. Die Pandemie hat diese Möglichkeit mit sich gebracht, und nun gibt es die einen, die alles wie vorher haben wollen, und die anderen, die gemerkt haben, dass sie vieles gar nicht brauchen und mehr wollen. Ich gehöre wohl eher zur letzten Gruppe „weniger ist mehr“. Liegt vielleicht auch am Alter.