Sylvia Mahl kreiert Ketten mit geometrischen Formen, Colliers und Armbänder in Perlenstickerei. Ich konnte sie interviewen und fragen:
Sie schaffen Kunstwerke aus Perlen, wie sind Sie dazu gekommen?
Handarbeiten waren schon immer mein Ding: stricken, sticken, klöppeln, nähen. Irgendwann sah ich in einem Schaufenster eine wunderschöne, sehr teure Abendhandtasche, die neben Stickereien auch mit Perlen verziert war. Sofort besorgte ich mir Stoff, Samtbänder und Perlen. Nach einigen Überlegungen begann ich mein Werk. Und als das Täschchen nach fünf Wochen fertig war, meldeten schon die ersten Freundinnen den Wunsch nach einer ähnlichen Tasche an. Es entstanden mit der Zeit viele weitere, ich ging immer öfter in den Perlenladen und kaufte mir auch schöne handgewickelte Einzelperlen. Das einschneidende Erlebnis war dann aber ein Besuch der Creativa in Dortmund vor etwa acht Jahren. Dort sah ich in Schaukästen, was man alles aus Perlen machen kann – das Perlenfieber hatte mich gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.
Haben Sie eine kunsthandwerkliche Ausbildung?
Eine künstlerische Ausbildung habe ich nicht, ich habe alles immer nur ausprobiert.
Erzählen Sie uns etwas über die Perlen, mit denen Sie arbeiten.
Vorwiegend verwende ich japanische Glasperlen, da sie sich durch Gleichmäßigkeit auszeichnen. Da sind die Zylinderperlen, die ich für die Arbeiten mit geometrischen Formen und Mustern nehme. Eine rundliche Form haben die Rocailles. Beide Arten gibt es in verschiedenen Größen und Ausführungen, z.B. matt, transparent, mit Silbereinzug oder Glanzüberzug. Bei meinen Perlenstickereien kommen auch immer Stiftperlen zum Einsatz, und von der Formenvielfalt tschechischer Perlen oft die feuer-polierten Glasschliffperlen, in deren Facetten die Lichtspiegelungen wirken. Swarovski-Rivolis und Kristallschliffperlen funkeln so durch Schliff und Oberflächeneffekte, dass sie mich immer wieder zu Ketten in freier Fädeltechnik anregen. Seltene alte Perlen, Zuchtperlen, Naturperlen und Steine von Reisen mitgebracht, regen mich auch immer zum Fädeln an.
Was für Objekte schaffen Sie?
Ich gestalte fast ausschließlich Schmuck. Sehr gerne mache ich Colliers in Embroidery (Perlenstickerei), da es spannend ist, wie das Werk sich entwickelt. Immer wieder habe ich Ideen für kleine Halsketten und die Geduld für lange Ketten. Armbänder mache ich in vielen Formen und Mustern, oft in verschiedenen Farbverläufen. Ab und zu gibt es auch Ringe und Ohrringe.
Planen Sie jedes Objekt sorgfältig, z.B. mit Zeichnungen?
Die Planung ist sehr unterschiedlich. Bei Armbändern und Halsketten mit einem bestimmten Musterverlauf mache ich zuvor eine Zeichnung, möglichst in ähnlichen Farben der Perlen. Beim freien Fädeln, wenn ich eingefasste Steine zu einer Kette verbinde, beschränkt sich die Planung auf die Farb- und Perlenauswahl. Manchmal habe ich aber auch eine Idee, die ich sofort umsetzen möchte, da probiere ich einfach aus, wie ich sie realisieren kann.
Können Sie uns schildern, wie Sie vorgehen, wenn Sie zum Beispiel ein neues Collier schaffen?
Angenommen ich habe einen schönen Stein, den ich für ein Collier in Embroidery verwenden möchte, dann überlege ich, ob der Stein schon die Form des Schmuckstückes vorgibt. Habe ich entschieden, ob ich ihn waagerecht oder senkrecht platziere, mache ich eine Papierskizze, schneide sie aus und übertrage das Modell auf meinen Stickuntergrund. Dann werden Perlen aus dem Vorrat herausgesucht, die in den Farben harmonisieren, verschiedene Größen und Formen, die der Stickerei Struktur verleihen. Ist der Stein fixiert, wird er mit Perlen eingefasst. Dann skizziere ich, wo ich die nächsten Perlen platzieren möchte.
Meistens sticke ich zuerst mit Stiftperlen in bogenförmigen Linien weiter. Oft ergeben sich dann schon Anhaltspunkte, wo noch Akzentperlen hinpassen, welche Perlengröße und Farbe als Nächstes gut aussehen. Ist die Stickarbeit fertig wird sie knappkantig vorsichtig ausgeschnitten. In gleicher Größe schneide ich die Rückseite aus Ultrasuede zu, einem Mikrofasergewebe. Mit Perlen verbinde ich beide Lagen für einen stabilen, schönen Rand. Dabei fädle ich oft in die untere Mitte noch Fransen. An die oberen Enden der Stickerei bringe ich noch gefädelte Elemente oder eine gefädelte Kette bis zum Verschluss an der hinteren Halsmitte an.
Wie erleben Sie die Zeit des Lockdowns. Erleben Sie es als eine Zeit der Kreativität? Können Sie in Ruhe arbeiten und Dinge schaffen, für die vorher nie Zeit war? Oder vermissen Sie die Ausstellungen und den Kontakt mit anderen Künstlern und Künstlerinnen?
Ein ganzes Jahr sind nun schon alle Ausstellungen, Messen und Märkte ausgefallen! Der Austausch mit Gleichgesinnten und die Anregungen, die man sonst auf Veranstaltungen bekommt, fehlen mir inzwischen enorm! Andererseits gab es Zeit. Ab Mitte April letzten Jahres habe ich drei Monate lang ein etwa 45 cm auf 55 cm großes Bild gestickt, das hätte sich sonst nie verwirklichen lassen! Ein paar liegengebliebene Arbeiten wurden endlich fertig, und ohne Zeitdruck entstand neuer Schmuck. Die Beschäftigung mit Perlen hat mir auf jeden Fall den Lockdown erträglicher gemacht.
Alle Fotos wurden von Sylvia Mahl zur Verfügung gestellt.