Ich habe Christel Rebuschat bei einer Reise nach Polen kennengelernt und auf die Frage nach ihren textilen Interessen erfahren, dass sie Quilts und seit einigen Jahren auch Papierarbeiten fertigt. Ich durfte sie inmitten ihrer Quilts interviewen.
Bitte erzähle mir von Deiner Ausbildung, wie bist Du zum Textilen gekommen.
„Zum Textilen bin ich von Kindheit an gekommen, durch meine Mutter, die Schneiderin war und herrliche Stofffetzen hatte. Erst habe ich für meine Puppen genäht, dann für mich. Später habe ich entdeckt, dass man auch noch etwas anderes damit machen kann, Bilder und Decken und alles, was mit Textil zusammenhängt.“
Auf meine Frage, ob sie eine Ausbildung an einer Kunsthochschule gemacht habe, antwortet sie, sie sei von ihrem Betrieb zu einer Ausbildung für künstlerische Textilgestaltung delegiert worden, habe einen Platz aber erst angeboten bekommen, als sie schon kurz vor ihrer Ausreise aus der DDR in die Bundesrepublik stand. Sie sei aber regelmäßig zu Kursen ins „Haus der jungen Talente“ (s.u.) in Berlin gegangen. Dort habe sie mit Emaille, Textil und Papier arbeiten können. In diesem Rahmen habe sie sich auch an Ausschreibungen zum Beispiel von der DSF, Deutsch-Sowjetische Freundschaft beteiligt.
In der Bundesrepublik habe sie mit einem Kunst-Fernstudium in Zürich begonnen. Da sei jedoch kein textiles Studium gewesen, sondern ein Kunststudium, bei dem es mehr um Grundwissen und Kulturgeschichte gegangen sei. Dann sei sie in Berlin auf den Berlin Brandenburger Patchwortreff gestoßen.
„Als ich nach Westberlin kam, war gerade die Ausstellung von der Patchwork Gilde im Amerikahaus. Dann habe ich mich umgehört und den Berlin Brandenburger Patchworktreff entdeckt. Ich weiß gar nicht, ob das mal in der Zeitung war. Ich habe Ingrid Wieland angesprochen und sie hat mir gleich ihre Arbeiten und ihre Postkarten gezeigt und mir gesagt, ich sollte doch da hinkommen. Aber um ein bisschen experimentell zu arbeiten, war das nicht die richtige Grundlage. … Ich wollte aber wirklich weiter kommen.“
[Not a valid template]Hast Du Dich selbst weiter entwickelt oder hast Du Kurse gemacht?
„Ich habe alles Mögliche gemacht. Einen Goldschmiederkurs hier, Keramik da, an der Volkshochschule und bei einem Maler. Direkt Textil habe ich selber gearbeitet, zu Hause und ich arbeite heute auch noch am liebsten alleine, in Ruhe. Ich habe dann an Ausschreibungen teilgenommen, z.B. Ausschreibungen im Internet oder in Zeitschriften, oder von der Patchwork Gilde, wenn dort Ausschreibungen bekannt gegeben wurden. Ich habe mich zum Beispiel mir dem Quilt „Mutter Courage“ in Houston beim International Quilt Festival beworben und bin auch angenommen worden. Die Arbeit wurde außerdem auf dem Internationalen Quiltfestival in Chicago, auf der Quiltexpo Lyon und in New England im Quiltmuseum gezeigt.“
Was war das für eine Ausschreibung für Houston, war die Größe vorgegeben, die Technik?
„Die Größe war vorgegeben, die Technik sollte dreilagig sein. Das Thema war vorgegeben: Die Erinnerung an die Mutter (I remember mama). Da habe ich unsere Geburt – ich bin ein Zwilling und habe einen Bruder – verarbeitet. Wir sind 1943 im Bunker am Arkonaplatz geboren. Das war der zentrale Entbindungsbunker hier in Berlin. Ich habe den Moment festgehalten, wo unser Vater uns abgeholt hat. Die einzige Möglichkeit war ein Holzkarren, so haben sie mir das beschrieben. Am nächsten oder übernächsten Tag ist der Bunker zur Hälfte weggebombt worden. Wir hatten noch Glück in unserem Anfangsleben. – Auch an der Tradition und Moderne der Patchwork Gilde habe ich teilgenommen und bin angenommen worden. Das war bei der T+M 2005 mit dem Quilt Lebensstufen.“
Du arbeitest am liebsten allein?
„Ja, denn in den Phasen, in denen ich ein Projekt entwickle, da kann ich nicht drei Leute um mich herum haben. Ich muss überlegen, verwerfen und wieder im Kopf neu gestalten. Dann kommt die Phase, in der man die Textilien zusammensucht, dann fängt man wieder an noch einmal alles umzuschmeißen. Da kann ich keinen brauchen.“
Nähst Du mit Maschine und mit Hand?
„Ich quilte alles mit der Hand. Mit der Maschine nähe ich zusammen. Ich könnte auch probieren, mit der Maschine zu quilten. Aber für mich hat Quilten einen anderen Ausdruck, als wenn man mit der Hand quiltet. Ich bemühe mich sehr ordentlich in den Abständen zu arbeiten. So würde ich auch in der Zukunft arbeiten wollen.“
Auf die Frage nach Ausstellungen erwidert sie, sie würde gern einmal eine Einzelausstellung machen. Allerdings müsse die Umgebung stimmen.
„Ich würde keine Ausstellung in einem Café machen. Es sollte schon eine Galerie sein. …
Ich habe zwar Selbstbewusstsein, aber trotzdem zweifle ich immer. Es gibt schönere Arbeiten, es gibt bessere Arbeiten, ABER: wenn ich das mache, dann weiß ich so für mich, ich habe alles gegeben, was ich konnte, und jetzt möchte ich, dass die Arbeiten gut hängen.
Ich hätte toll gefunden, mit einem Partner die gleiche Thematik zu bearbeiten und dann eine Ausstellung zu machen. Das fände ich toll und interessant.“
Wie fändest Du eine Gruppenausstellung?
„Es ist schwer, Partner zu finden. Es wäre interessant, wenn unterschiedliche Gewerke gemeinsam ausstellen würden und ein Jahr Zeit zu einem Thema gegeben würde. Gar nicht zusammen erarbeiten, sondern wirklich unterschiedliche Stilrichtungen, die jeder beibehält.“
Wie gehst Du an ein neues Projekt heran?
„Ich habe früher Entwürfe gezeichnet, dann richtig Schnitte davon und dann erst die Umsetzung gemacht. Heute mache ich das nicht mehr, ich arbeite dann direkt, ohne Schnitt, ohne Modell. Wenn mein Projekt im Kopf ist, schneide ich los.“
Seit einiger Zeit machst Du auch Papierarbeiten, erzähl mir davon.
„Papierarbeiten mache ich etwa seit 2009. Die beiden gezeigten Arbeiten entstanden als Umwandlungen meiner abonnierten Tagespresse. Ich arbeite jetzt nicht ständig in Papier, sondern je nach Idee. Meist sind es abstrakte Arbeiten.“
Was inspiriert Dich?
„In der Hauptsache die Natur mit allen Facetten und Ausstellungen. Darum gehe ich auch viel in Ausstellungen, in denen man Oberflächenbearbeitung sieht, ob das nun Holz oder Metall ist. Das kann man alles versuchen umzusetzen. Auch auf der Straße manchmal, wie Leute angezogen sind, vor allem auch traditionelle Sachen, die kann man unheimlich schön mit einfließen lassen. Holzmaserung, mein Garten, denn da sieht man die Struktur von Blüten und Blättern, was man ja auch in Deinen Arbeiten abstrahieren kann. Beim Flug, der Himmel. Gestern bin ich von Kladow aus über den Wannsee zurück gefahren und habe den Sonnenuntergang mit lauter Fetzenwolken miterlebt. Im Grunde genommen kann man die Form auch für Papierarbeiten benutzen.“
Vielen Dank für das Interview!
Zur Erläuterung:
War das Haus der jungen Talente in den 50er und 60er Jahren zunächst Musterstätte sozialistischen Kulturangebots und „frohen Jugendlebens“, so entwickelte es sich in den 70er Jahren – dank des Engagements seiner Mitarbeiter – sowohl zu einer künstlerisch interessanten Ausbildungs- und Produktionsstätte wie auch zu einem Ort, an dem jungen Leuten ein auf ihre Erwartungen zugeschnittenes Kunst-, Kultur-, und Diskussionsangebot gemacht wurde. Ab Mitte der 80er Jahre förderte es auch Formen alternativer und experimenteller Kunst und erwarb sich dadurch einen guten Ruf und eine feste Anhängerschaft.
Etwa 800 Mitglieder arbeiteten im Haus der jungen Talente regelmäßig in 40 Gruppen, Zirkeln und Kursen. Begehrt bei Kindern und Jugendlichen war besonders die Teilnahme an Kursen, die eine traditionell gute Ausbildung an verschiedenen Musikinstrumenten vermittelten. Für die an bildenden und angewandten Künsten Interessierten bestanden Zirkel für Malen/Zeichnen, Druckgrafik, Fotografie, Plastik, Kunsthandwerk, Keramik oder Textilgestaltung. http://www.hdjt.org/geschichte/