Portraits & Interviews

Interview mit Barbara Carbonell

Barbara Carbonell bietet Alternativen zur Perücke bzw. zu Kopfbedeckungen für Patientinnen unter Chemotherapie. Aber auch gesunde Frauen finden ihre Modelle interessant. Ich konnte die Hutmacherin interviewen.

Wann begann Ihr Interesse für Textiles?

Als kleines Mädchen im Meisteratelier meiner Mutter. Dort spielte ich, am Boden sitzend, mit den Stoffkollektionen ihrer Lieferanten. Bis heute erinnere ich die kleinen Stoffmüsterchen…

Welche Ausbildung haben Sie?

Abitur, Textildesignstudium, Gesellenbrief im Damenschneiderhandwerk.
Entscheidend für meine heutige Arbeit aber sind die Erfahrungen:
Zuerst bei meiner Mutter in 10 Jahren neben Schule und Studium.
Danach im Atelier meines Professors Hamdi el Attar.
Es folgte die Mitarbeit in Berliner Modedesignstudios. Mein eigenes Atelier.
Eigene erste Kostümbilder in Berlin. Daraus entwickelte sich die Mitarbeit bei nationalen und internationalen Theater und Opernproduktionen.

Sie haben für Kostümbildner an verschiedenen Theatern gearbeitet, erzählen Sie uns davon.

Theater ist die großartige Möglichkeit der Zusammenarbeit so vieler unterschiedlicher Berufe.
Ich hatte das Glück, mit sehr guten Kostümkünstlern, deren Entwürfe oft schwer zu realisieren waren, arbeiten zu dürfen. Mein Anspruch war immer, die Entwürfe so präzise wie irgend möglich umzusetzen. Als Brücke zwischen der Kunst: Den Entwürfen, der Regie, den Darstellern – und dem Handwerk: Der bestmöglichen Verwirklichung und Tragbarkeit auf der Bühne, sah ich meine Aufgabe.

Seit 2010 sind Sie Gastdozentin an der UdK Berlin, würden Sie uns auch davon erzählen?

Ein Kostümbildstudium erfordert heute keinerlei praktische Vorbildung. Der Beruf dafür aber dann umso mehr Verständnis für Material, Zuschnitt und Verarbeitung der Kostüme.
Die Linienführung des Schnittes kann ein Unterstreichen der Idee sein. Dazu kommt das gewählte Material, dessen spezifische Eigenschaften wie Fall, die Wirkung auf Entfernung im Licht etc. mindern oder verstärken. Und – nicht zu vergessen – die Verarbeitung. Jede und Jeder im Kurs bringt seinen eigenen Kosmos mit. Den gilt es zu fördern, zu stärken und durch Kenntnisse im Handwerk zu erweitern, das ist die spannende Aufgabe.

Wie kam es zu Ihrer Beschäftigung mit Hüten?

Viel habe ich von Putzmacherinnen in den verschiedenen Werkstätten lernen dürfen. Interessiert haben sie mich allerdings schon immer als Vervollständigung einer Silhouette.
Auf der Bühne sind Kopfbedeckungen starker Teil der Erzählung einer Figur.
Zwischen 2014- 2016 erlebte ich dann drei Frauen während der Chemotherapie und dem dadurch erfolgten Haarverlust. Gut hinschauen, zuhören und zugewandt denken – dazu meiner Erfahrung folgend, dass es für vieles praktische Lösungen geben kann – begann ich mich dieser speziellen Aufgabe zu widmen.

Sie bieten eine Vielzahl verschiedener Modelle, aus welchen Materialien sind Ihre Hüte?

Baumwolle,Leinen, Seide, Viscose, hochwertige synthetische Gewebe, und die Mischungen aus all diesen. Dazu arbeite ich mit Wachstuchen für meine Regenhüte, also gegen Nässe beschichteten Baumwollgeweben.

Sicher interessieren sich auch generell Frauen für Ihre Modelle?

Schon am Eröffnungstag meines Studios gut bedacht, erlebte ich die Freude auch gesunder Frauen an meinen Vorschlägen.
Das hat sich bis heute nicht geändert. Im Gegenteil. Heute befruchtet die Vielfalt unter uns Frauen und die besonderen Anforderungen durch Krankheit, die Gestaltung meiner Modelle.

Sie verstehen sich als Vermittlerin zwischen Kunst und Handwerk. Würden Sie das erläutern?

Künstlerisch zu empfinden, künstlerischen Ausdruck zu verstehen, nachempfinden zu können, was mein Gegenüber möchte, ist die eine Hälfte meiner Arbeit.
Die fundierte handwerkliche Neugier und Kenntnis, die zweite.
Und – nicht denkbar ohne: Die unbedingte Zuneigung zum Tun.

Damit im „Rucksack“ schaue ich mir heute Frauen an, die mit ihren Bedürfnissen, oder auch einfach mit ihrer Lust, vor mir stehen. Dann finde, erfinde ich Vorschläge.

Alle Bilder wurden freundlicherweise von Barbara Carbomell zur Verfügung gestellt.