Buchbesprechungen

The Bloomsbury Look von Wendy Hitchmough

Das Jahr neigt sich seinem Ende und so sollte beim Blick auf die vielen spannenden Bücher 2021 ein besonders ansprechend gestalteter Band nicht unerwähnt bleiben. Unter dem Titel „The Bloomsbury Look“ erschien in dem britischen Verlag Yale University Press London ein von Wendy Hitchmough verfasster Bild-Text-Band, der die Ästhetik einer der schillerndsten Verbindungen von Künstlern, Schriftstellern und Intellektueller betrachtet.

Die Autorin Wendy Hitchmough ist Dozentin für Kunstgeschichte an der Universität von Sussex und arbeitete mehr als zwölf Jahre lang als Kuratorin des Künstlerhauses Charleston, Grafschaft East Sussex, einem Ort, an dem sich „einige der fortschrittlichsten Künstler und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts“ trafen, „um sich die Gesellschaft anders vorzustellen“. Im Mittelpunkt ihrer Darstellung befinden sich die Mitglieder der Bloomsbury Group, zu deren etwa Virginia Woolf, John Maynard Keynes und E. M. Forster zählten. Deren Einfluss auf die Kultur und Gesellschaft des 20. Jahrhunderts ist immer wieder hervorgehoben und diskutiert worden.

Der starke wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wandel in dieser Epoche führte zu neuen Bildungsmöglichkeiten für breitere Schichten der Bevölkerung, zu größeren Freiheiten für Frauen und zu einer rasanten technischen Entwicklung. All dies bildete den Hintergrund für viele neue künstlerische Bewegungen. Die Bloomsbury Gruppe stand im Zentrum der Suche nach neuen Lebens- und Liebesformen, die ihren Ausdruck in Kunst und Literatur, aber auch im täglichen Leben und Umgang fanden, was Kleidung, Dekoration und Ausstattung der Wohnungen und Gärten miteinschloss. Während man sich in der Forschung einig ist, dass diese Gruppe eine lose Verbindung gewesen sei, vermittelten deren Mitglieder in ihrer Kunst und ihrer Kleiderpraxis allerdings eine kohärente, unverwechselbare Identität innerhalb der Gruppe.

Es ist jener Bloomsbury Look mit dem sich die Autorin intensiv beschäftigt hat. Anhand unveröffentlichter Fotografien und umfangreicher neuer Recherchen stellt sich die Autorin die Frage, wie die Mitglieder der Bloomsbury Gruppe ihre eigene Ästhetik entwickelt und verbreitet haben. Es zeigt sich, dass ihr Buch in der Tat die erste gründliche Analyse aus dieser Perspektive und Fragestellung darstellt.

Einführend bietet die Autorin Betrachtungen zu Image und Identität der Gruppe, indem sie einzelne Vertreter der Gemeinschaft in ihren Äußerungen und Handlungen aus der zeitgenössischen wie der retrospektiven Perspektive präsentiert. Die anschließende Untersuchung ist in vier Kapitel unterteilt. Ein Kapitel widmet sich der Fotografie, da gerade die visuelle Erzählung in Form von Einzel- und Gruppenporträts bedeutungsvoll die Verbindungen innerhalb der Gruppe ebenso wie in der von außen wahrgenommener Zusammengehörigkeit vermittelte. Wobei die Autorin in ihre Analyse zufällige Schnappschüsse und Amateur-Studioporträts ebenso einbezieht wie Familienalben. Ein weiteres Kapitel wendet sich der Ausstellungs- und Sammlungspraxis zu. Zwei Kapitel befassen sich explizit mit der Kleidung der Protagonisten und beleuchten insbesondere die Omega-Werkstätten als Designzentrum. Diese Werkstätten genossen bald große Anerkennung in der angewandten Kunst, wobei dort gemeinsam mit einer wechselnden Gruppe anderer Künstler Textilien, Möbel, Bucheinbände und Haushaltswaren herstellt wurden.

Insbesondere den Kleiderkollektionen kommt eine bemerkenswerte Rolle in der Selbst- und Außenwahrnehmung der Gruppe zu, da Kleider und Stoffe die Bloomsbury-Ästhetik in der Öffentlichkeit verbreiteten. Wie sehr ein Kleid der Omega-Werkstätten in leuchtenden Farben und geometrischen Verzierungen die Zeitgenossen schockierte, ist heute kaum zu begreifen. Die farbenfrohe Schönheit entsprach ganz dem Geist des Malers und Kunstkritikers Roger Frys, der meinte, „es ist an der Zeit, dass der Geist des Frohsinns in die Möbel und in die Stoffe einzieht. Wir haben zu lange unter dem Langweiligen und dem stupiden Ernst gelitten“. Er war es, der 1913 die experimentelle Designerwerkstatt gegründet hatte, an der etwa Vanessa Bell, die Schwester der Schriftstellerin Virginia Woolf, und Duncan Grant tätig waren. Ihr Ziel war es, die Konformität des Geistes wie die Konformität der um die Körper herum erschaffenen Kleidungs- und Dekorationsstücke aufzubrechen. Wie unterschiedlich die Herangehensweise in Form des Ankleidens oder des Nicht-Kleidens war, wird hier in detaillierter Weise untersucht.
Was für ein schillerndes Buch! Es wird all jene begeistern, die Bloomsbury kennen und schätzen und bietet zugleich für Menschen, die sich das erste Mal mit der Gemeinschaft dieser faszinierenden Künstler, Schriftsteller und Kunstkritiker beschäftigen, eine ebenso lehrreich wie ästhetisch bezaubernde Lektüre.

Wendy Hitchmough
The Bloomsbury Look
184 Seiten, 160 farbige und schwarz/weiß Abbildungen
ISBN:9780300244113
Yale University Press London
https://www.yalebooks.co.uk/display.asp?K=9780300244113