Reportagen

„Mich interessiert das Neue, das erst kommt.“ Bericht über die Jil-Sander-Ausstellung in Frankfurt am Main

Das ‚Museum Angewandte Kunst’ am Museumsufer in Frankfurt zeigt derzeit die bisher erste Ausstellung über das Werk der Designerin Jil Sander. Ein Rahmen für diese Ausstellung, wie er passender nicht sein könnte: Der amerikanische Architekt Richard Meier entwarf ein klar strukturiertes, helles Ausstellungshaus (eröffnet 1985), mit viel Licht von draußen nach drinnen und mit den schönsten Ausblicken nach draußen auf den Main, die Frankfurter Altstadt und die Skyline des neuen Frankfurt.

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Jil Sander hat am Konzept der Ausstellung mitgewirkt, die mit großzügigen multimedialen Installationen, Themen-Tableaus, Filmaufnahmen und Fotos in Großformat über eine Mode-Präsentation weit hinausgeht. So vermittelt ein Gang durch die beiden Etagen des Museums, die bespielt werden, eine Vorstellung von der Ästhetik, den Gestaltungsideen und vom Erfindungsreichtums von Jil Sander.

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Die Welt der Modenschauen bilden den Auftakt im ersten Stock: Auf drei Leinwänden nebeneinander sind Filmaufnahmen von verschiedenen Präsentationen von Mode-Kollektionen für Frauen und Männer zu sehen. Besonders die Mäntel und Jacken beeindrucken mich durch die klaren Schnitte und Linien. Der bekannte staksige Laufsteg-Gang amüsiert mich eher, ebenso die wahrhaft „todernsten“ Minen der männlichen und weiblichen Models.  An einer anderen Stelle der Ausstellung gibt es einen Film über die Vorbereitung der Präsentation ‚backstage’, mit Lockenwicklern, Haardressur, Schminken, Schuhanprobe, Probelaufen – eine schöne Ergänzung zu dem, was eingangs zu sehen ist.

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Die gezeigten Kleidungsstücke – in einem eigenen Bereich im ersten Stock – sind so großzügig angeordnet, dass man sie von allen Seiten sehen kann. Und da nichts hinter Glas versteckt ist (was in Mode-Museen oft so bedauerlich ist), kann die interessierte Besucherin genau den Stoff begutachten, die Knopflöcher, Kragen und sonstigen Details anschauen.
Sehr sehenswert sind die gezeigten Accessoires – davon hätte man auch gerne mehr zeigen können. Dies gilt auch für die Schnitte, die ‚Polsterungen’ (besonders für die Männermode) und die diversen Materialien, die teilweise eigens für Jil Sanders Kollektionen entwickelt wurden. Hier herrscht das Prinzip des Exemplarischen. Durch diese eher sparsame Bestückung in manchen Bereichen der Ausstellung bleibt der Gesamteindruck von Großzügigkeit erhalten.

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Ganz besonders fiel mir das auf in dem Bereich, in dem ein typisches Jil-Sander-Ladengeschäft gezeigt wird. Neben den Entwurfsskizzen für verschiedene Läden auf der ganzen Welt, ist auch ein Ladengeschäft mit allen notwendigen Einrichtungsstücken aufgebaut. Aber eben ohne jegliche „Befüllung“: Kein Kleidungsstück hängt an der Stange, kein Accessoire liegt in der Lade und keine Zeitschrift auf dem Beistelltisch. Was zuerst irritiert, weil es wirklich kahl wirkt, entfaltet nach einigen Momenten des Hinschauens eine Luftigkeit und Leichtigkeit, die wir aus Bekleidungsgeschäften oder Kaufhäusern gar nicht kennen. Pure Ästhetik, jenseits aller Einkaufsrealitäten.

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Erfreulicherweise in größerer Anzahl werden die so genannten ‚mood-books’ von Jil Sander gezeigt: Hier werden – in unterschiedlicher Größe, nach verschiedenen Anordnungsideen und Farbskalen – Zusammenstellungen von Materialien präsentiert. Zumeist handelt es sich um Stoff- oder Garnproben, es kommen aber auch Naturmaterialien wie Zweige oder getrocknete Blätter und Blüten vor. Diese kleinformatigen ‚Bücher’ oder vielleicht eher ‚Musterhefte’ liegen unter Glas, was wohl aus konservatorischen Gründen sein muss. Dennoch wirken sie durch ein Flair von Improvisiertem oder Unfertigem ganz unmittelbar.

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Einen eigenen Ausstellungsbereich erhalten die von Jil Sander bevorzugten männlichen und weiblichen Models. Sie werden mit Fotos und biographischen Notizen vorgestellt, wie in einer Fotogalerie-Ausstellung, aber auch in einer großformatigen Foto-Show in Endlosschleife gezeigt. Eine schöne Verbeugung der Künstlerin vor den Menschen, die ihre Kunst zeigen und mit Leben erfüllen.

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Verzichtbar schien mir der Bereich ‚Kosmetik und Parfüm’, wenn dies auch unbestreitbar zum Gesamtprofil von Jil Sander als Gestalterin dazugehört. Sei es, dass Jil Sander selbst zu diesem Design-Bereich wenig Bezug hat(te) oder den anderen Ausstellungsmachern die Ideen ausgegangen sind: es reichte nur zu einer dünnen Parfümerie-Schaufenster-Präsentation ganz am Ende der Ausstellung.

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Ganz im Gegensatz dazu schien mir der Film über Jil Sanders’ Garten in Norddeutschland als eine wunderbare Bereicherung der Ausstellung, obwohl dieses Thema gar keinen unmittelbaren Bezug zu Sanders kreativem Schaffen in der Modebranche hat. Dieser sehr poetische Film von einer knappen Viertelstunde stellt den Garten von Jil Sander vor, der nach den Prinzipien des Gartens von Vita Sackville-West in Sissinghurst (Südengland) gestaltet wurde. Die Luftaufnahmen zeigen die Einbettung in die Landschaft und die Bezüge der verschiedenen Bepflanzungen untereinander. Die Pflanzen, das Wasser, die Farben, der Wind in den Bäumen und die Schatten – alles hat seinen Platz und eine eigene Notwendigkeit. Die Aufnahmen des Gartens verdeutlichen noch einmal, worum es Jil Sander geht: Gestaltung, die sich auf das Wesentliche konzentriert, und Schönheit ohne jeden Schnörkel.

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Praktische Hinweise: Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main. – Geöffnet: Di, Do – So 10-18, Mi 10-20 Uhr. Die Ausstellung dauert noch bis 6. Mai 2018.