Reportagen

Textile Entdeckungen im Darmstädter Residenzschloss

Der SWR zeigte am 2. Mai 2025 im Rahmen seiner Serie „Expeditionen in die Heimat“ eine Sendung über Darmstadt. Auch ein Gang durch das Darmstädter Residenzschloss mit der Museumsdirektorin Alexa Christ kam vor. Für mich Grund genug, mir das Schlossmuseum im Rahmen einer Führung anzusehen. Viele Portraits der großherzoglichen Familie, viel Mobiliar, ein bemerkenswerter Tafelaufsatz im ägyptischen Stil UND drei Tapisserien habe ich gefunden! Und über diese Tapisserien wollte ich mehr wissen.

Zwei davon sind nach Gemälden des französischen Malers Charles-Amédée-Philippe van Loo (1819 – 1795) gewirkt worden. Van Loo war bekannt für das Malen von Portraits und allegorischen Szenen. Beide Gemälde hängen im Département des Peintures im Louvre in Paris.

Auf der ersten Tapisserie von schätzungsweise 4 mal 5 Meter Größe mit dem Titel „La Toilette d’une Sultane“ lässt sich die Sultanin von ihren Dienerinnen Stoffe zeigen. Links hält eine Dienerin einen Spiegel für sie. Im Schoss der Dame liegt ein kleiner schwarzer Hund und unter ihrem Kleid ragt ein zierlicher weißer Schuh hervor. Die Tapisserie ist sehr dunkel, wahrscheinlich dem Alter geschuldet. Man kann trotzdem gut erkennen, dass eine der Dienerinnen eine Afrikanerin ist.

Bei ganz genauem Hinsehen erkenne ich winzige Stichlein zwischen den Farbfeldern, was typisch für einen gewirkten Bildteppich ist. Die Farbfelder werden mit diesen Stichlein miteinander verbunden.

Die zweite ebenso große Tapisserie trägt den Titel „Le Travail“. Hier inspiziert die Sultanin die Arbeit ihrer Dienerinnen. Die einen Damen links im Hintergrund sticken, die eine hält ihre Stickerei in der Hand, die andere verwendet einen runden Stickrahmen. Die Damen, auf die die Sultanin zeigt, sticken beide in einem rechteckigen Rahmen. Die Dienerin im Vordergrund links wickelt Faden auf einem Knäuel auf. Interessant finde ich das Gewand der Sultanin. Sie trägt eine Art Turban und unter ihrem Gewand eine Haremshose. An den Füßen sind wieder zierliche Schühchen mit einem kleinen Absatz zu sehen. Interessant ist auch der Ständer mit dem Papageien rechts. Ganz unten im Ständer stehen der Name des Malers Amédée van Loo, der die Vorlage für diese Tapisserie geschaffen hat, sowie das Datum der Entstehung des Gemäldes: 1774. Und ganz oben im Rahmen erkenne ich drei französische Lilien.

Beide Tapisserien wurden zwischen 1777 und 1790 in der Manufature Nationale des Gobelins in Paris hergestellt und stammen aus einer der Serien zum Thema „Les Costumes turques“.

Diese zwei Tapisserien hängen nebeneinander in einem der großzügigen Räume des Residenzschlosses. Eine dritte Tapisserie hängt im nächsten Raum. Sie trägt den Titel „Iphigenie auf Tauris“. Die Vorlage stammt von Jean-Baptiste Regnault (1874-1829). Heute hängt das Gemälde im Musée des Beaux Arts von Marseille.

Zum Hintergrund der dargestellten Szene: Der Heerführer Agamemnon sollte die Tochter Iphigenie der Göttin Diana opfern, um die Windstille zu beenden, die ihn an der Seefahrt von Aulis zum Trojanischen Krieg hinderte. Stattdessen entführte Diana Iphigenie auf die Insel Tauris und machte sie dort zu ihrer Priesterin. In dem Glauben, Iphigenie sei tatsächlich gestorben, tötete ihre Mutter Klytämnestra ihren Ehemann Agamemnon, der anscheinend das gemeinsame Kind hatte töten lassen. Orest tötete wiederum aus Rache seine Mutter. Um dem drohenden Schicksal zu entkommen, wegen seiner Tat getötet zu werden, floh er. Das Orakel des Apollon schickte ihn nach Tauris, wo er „die Schwester“ holen sollte – dies sei die einzige Möglichkeit, den Fluch zu brechen. Da Orest glaubte, Iphigenie sei tot, dachte er, das Orakel spreche von der Göttin Diana, der Zwillingsschwester Apollons. Deshalb wollte er die Statue der Diana aus dem taurischen Tempel stehlen. Auf seiner Flucht landete er zusammen mit seinem alten Freund Pylades an der Küste von Tauris. In der Tapisserie wird nun die Szene dargestellt, wie Iphigenie, die jeden Ankömmling der Göttin opfern soll, ihren Bruder erkennt.

Ich danke der Museumsdirektorin für ihre interessanten Ausführungen und Informationen zu den Tapisserien.

Im Residenzschloss gibt es viele weitere textile Dinge zu entdecken: Uniformen, Damenkleider, Spitzenhäubchen von Kleinkindern und sicher Vieles mehr, das ich gar nicht auf den ersten Blick gesehen habe. Auch auf den zahlreichen Portraits sind Gewänder und Frisuren zu bewundern. Ein Besuch des Museums lohnt sich auf jeden Fall!

Schlossmuseum Darmstadt e.V.
Residenzschloss 1
64283 Darmstadt
Das Museum ist Freitag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Die Epochenräume sind ausschließlich mit einer im Eintrittspreis enthaltenen Führung zu besichtigen. Die Führungen finden ab 10 Uhr im 90-Minuten-Takt statt.
Neben den Freitag bis Sonntag ab 10 Uhr im 90-Minuten-Takt stattfindenden Schlossführungen bietet das Museum regelmäßig öffentliche Führungen zu verschiedenen Themenschwerpunkten an. 
https://schlossmuseum-darmstadt.de