Die elsässische Schleifenhaube des Modeschöpfers Victor Weinsanto wurde für die große Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris ausgewählt. Der für seine theatralischen Kollektionen bekannte Designer macht dem Elsass mit diesem riesigen Kopfschmuck, der vom traditionellen Kelsch-Stoff inspiriert und aus bedrucktem rosa Organza gefertigt ist, alle Ehre.
Die gefilzten Steine von Emmanuelle Coutant sind ein echter Hingucker. Im letzten Jahr haben sich die „Steine“ so gut verkauft, dass neu dekoriert werden musste. Als ich dieses Mal dort stand, kam ein Besucher vorbei, der zu seiner Partnerin sagte: „Sind das Steine?“ Die Künstlerin schmunzelte und meinte, das passiere ständig. In Wirklichkeit ist es eine gefilzte Hülle über einem Innenleben aus Dinkelspelz. Die weißen Einschlüsse sind aus Seide, alles andere ist aus Wolle.
An diesem Kunstwerk bin ich beinahe vorbei gegangen. Ein schwarzes Tuch ?? Aber als ich es durch meine Kameralinse betrachtet habe, war es auf einmal teilweise blau. Die Künstlerin Stéphanie Bédat aus der Schweiz erklärte mir, das Tuch bestehe aus Leinen, das sie zunächst mit einer Reismehlpaste bestrichen habe, damit das Leinen sich nicht dehnt und verzieht. Dann seien in zahlreichen Arbeitsgängen Pflanzenfarben aufgebracht worden. Je nach Licht sieht das Tuch völlig anders aus. Im Kunstlicht der Halle kommt das Blau zum Vorschein, bei Tageslicht sind es andere Farben.
Noch eine Künstlerin, an der ich fast vorüber gegangen wäre. Ich dachte, die feinen Maschen seien aufgedruckt. Weit gefehlt, die Stickerin Clothilde Bailly zeigte ihre Serie Kumori. In einem Video vor Ort konnte man es verfolgen: Hauchdünne Stoffe werden mit der Pinzette zu Maschen gelegt. In einer Arbeit hat sie einen Metallfaden eingefügt, so dass man die Technik besser erkennen kann.
Marion Hawecker ist Plumassière. Diese Kunstrichtung ist mir erstmals bei der Messe Talents in Straßburg begegnet. Auf Deutsch nennt sich dieser Beruf Federschmücker, aber es gibt hier keine Möglichkeit der Ausbildung, in Frankreich gibt es eine Schule in Paris. Ausschließlich aus kleinen und kleinsten Federn werden Kunstwerke geschaffen.
Rose-Marie Servenay, Atelier Rositalala, zeigte hauchzarten Schmuck. In einer transparenten Hülle können sich kleine Kugeln frei bewegen. Sie sagt auf ihrer Website: „Ich verwende alle Arten von Nähtechniken, Zusammenfügen, Heißkleben, Überwendlichnähen… sowie Färbe- und Falttechniken (Origami). Die Schönheit und Fröhlichkeit der japanischen Stoffe haben mich dazu inspiriert, Schmuck daraus zu machen. Es handelt sich um Baumwollstoffe, die ich sorgfältig auswähle. Später kam ich dazu, mit Seide zu arbeiten, insbesondere mit bedruckter Seide.“
Zoé Pignolet ist Kunststickerin. Die poetische Beobachtung der Pflanzenwelt ist die wichtigste Inspirationsquelle des Künstlerin. Bei diesen Kunstwerken hat sie sich durch Flechten inspirieren lassen.
Victoria Tanto schafft Gemälde mit Nadelspitze und Lunéville-Crochet, Seide, vergoldetem Metallfaden, Perlen, Wolle und Papier. Bei diesen Arbeiten verwendet sie weißen und schwarzen Faden, den sie umeinander wickelt.
Julie Barbeau sagt, die Stickerei sei zu dem Medium geworden, mit dem sie ihre Kreativität am besten zum Ausdruck bringen kann. Bei den Werken, die sie bei der Messe zeigte, hat sie zahlose Pailletten verwendet. Da ich das aufgrund der Reflektion nicht gut fotografieren konnte, hat sie mir freundlicherweise Fotos geschickt. Dabei auch eine Arbeit, die mich fasziniert: Pluie d’après jour.
Ana Montoya verwendet bei ihrer Arbeit Techniken der modernen Tapisserie, der klassischen Weberei und der Collage, um abstrakte, texturreiche Kompositionen zu schaffen. Die Materialien ihrer Werke können tierischen Ursprungs wie Seide, pflanzlichen Ursprungs wie Baumwolle oder Tannenzapfenschuppen und mineralischen Ursprungs wie Eierschalen sein. Das Bild aus den stacheligen Fruchtbechern der Zerreiche (Quercus zerris) gefällt mir besonders gut. Bei dem zweiten Bild hat sie Eierschalen und Blattgold verwendet.
Belinda Pollard zeigte zauberhaften Schmuck bestehend aus feinster Stickerei auf bemalter Seidenorganza. Das gestickte Gingkoblatt kann ich mir als Brosche auf einem Oberteil sehr gut vorstellen. Ich bewunderte aber auch eine Art von Gemälde. Die Berge hat sie mit Seidenmalerei und Goldfäden gestaltet.
Die Arbeit von Roxane Filser erinnert mich stark an Werke von Simone Pheulpin. Als ich ihr das sagte, gestand sie voller Begeisterung, sie bewundere die große Textilkünstlerin sehr.
Die von Hand gefertigte und mit Nähten zusammengehaltene Faltung ermöglicht voluminöse Kreationen. Diese Technik erforscht die verschiedenen Facetten des Materials Leinen.
Die Korbflechterin Marion zeigte beeindruckende abstrakte Skulpturen aus Korb. Auf ihrer Website lese ich: „Seit Anbeginn der Zeit braucht der Mensch Behältnisse zum Transportieren und Aufbewahren. Das gilt insbesondere für Lebensmittel, aber auch Werkzeuge, Tiere und Kleidung. Er flicht also geeignete Pflanzen, um seine grundlegenden und primären Bedürfnisse zu befriedigen.“
Sébastien Carré schafft zeitgenössischen Perlenschmuck. Er lebt heute in Straßburg, stammt aber aus der Region Paris. Die Kunst der Schmuckherstellung hat er mehr aus Zufall entdeckt. Zeitgenössischer Schmuck ist für den Künstler zu einem Mittel des Ausdrucks, aber auch der Meditation über sich selbst und seine Umgebung geworden. Pflanzliche, tierische und mineralische Materialien werden in diesen Schmuckstücken mit organischen oder landschaftlichen Formen kombiniert.
Aleksandra Stocka Gacquiere vom Atelier Textil O’Laine sagt auf ihrer Website: „Ich stelle handgefertigte Filzobjekte aus Schafwolle her, die ich mit Seide, Leinen und anderen Textilfasern mische. Ich entwerfe mein Material, indem ich Schichten von kardierten oder gekämmten Strähnen übereinander lege und sie mit Hilfe von Wasser und Seife zusammenbinde.“
Frédérique Stoltz alias Mademoiselle d’Ange hatte besonders schöne skulpturenartige Gebilde mitgebracht. Eines davon sehen Sie im Titel. Mir gefiel besonders die Vielfalt der Materialien, Formen und Farben.
Alyssia Allano näht Wäsche und Korsetts für Frauen und Männer.
Anja Ritter vom Haus Siebörger kenne ich schon vom letzten Jahr. Hier gefiel mir besonders gut, wie sie ihre Webarbeiten mit dem richtigen Licht in Szene gesetzt hatte.