Für mich ist es jedesmal eine Freude, in das schöne alte Gebäude der Textilsammlung Max Berk in Heidelberg Ziegelhausen zu kommen. Die freiliegenden massiven Balken der ehemaligen Kirche und des angebauten Pfarrhauses geben den Blick bis in die zweite Etage frei. In der Einladung lese ich:
45 zeitgenössische Quilt- und Textilkunstwerke aus 11 Nationen zeigen in dieser Schau, dass Kreativität, künstlerische Inspiration und zeitkritische Aussagen nicht allein der Malerei, Bildhauerei, Graphik und Fotokunst vorbehalten sind. Ausgewählt wurden die hochkarätigen Exponate von einer fünfköpfigen internationalen Jury aus über 130 Einsendungen.
Hängen geblieben bin ich als Erstes an einem Werk mit vielen dreidimensionalen Elementen. Es trägt den Titel „Zerrissen“. Lauter kleine Püppchen sind zu einer geometrischen Figur verschränkt. Die Künstlerin Anne Corbalán sagt, im Angesicht wachsender Probleme stehe die internationale Gemeinschaft tief gespalten, zerrissen und fast handlungsunfähig da.
Auf ihrer Website lese ich: „Nach überwiegend geometrischen, zweidimensionalen Entwürfen machte ich mich eines Tages daran, figurative Elemente, die „kleinen Leute“, zu schaffen und ihnen Leben einzuhauchen.“
Jessica Tonková aus der Slowakei erhielt für ihre dreidimensionale Arbeit mit dem Titel „Connecting“ den Preis für talentierte Nachwuchsquilterinnen. Es gehe ihr um den Zusammenhalt der Generationen, sie wollte eine Verbindung zwischen Mutter und Tochter schaffen. Das Plus-Symbol stehe für die Beziehung, das Zusammenfügen von Stoffen und die Verbundeneheit durch Nähen und Gespräche.
Die Arbeiten von Elisabeth Nacenta de la Croix konnte ich schon bei der Biennale Internationale de l’Art Textile in Villefranche sur Saône bewundern. Ihre Art, Farben und Formen einzusetzen, fasziniert mich. Irgendwo gehe immer die Sonne auf und gleichzeitig gehe sie an einem Ort unter, sagt sie zu diesem Werk mit dem Titel „d’est d’ouest“.
Maryte Collard aus Litauen nennt dieses Kunstwerk „Stimme aus der Vergangenheit“. Ihre Schwiegertochter habe sie gebeten, die geflickten Socken ihres Vaters in ein Kunstwerk zu verwandeln. Beeindruckend fand ich bei diesem Werk das sehr einfallsreiche Quilting von Hand und Maschine sowie die vielfältigen Stickereien.
Amüsiert hat mich dieses Werk von Adelheid Risi mit dem Titel „Alphorn“. Die junge Frau scheint tief Luft zu holen, bevor sie ins Horn bläst. Alphorn lernen ist zwar nicht schwer, lese ich im Netz, aber es sei ein sehr anspruchsvolles Instrument, nicht zu vergleichen mit einem Klavier.
In diesem Quilt mit dem Titel „Weaving“ wollte die italienische Künstlerin Teresa Gai wertvolle Wollstoffe wie schottischen Tartan und Wollbouclé der italienischen Firma Biella retten. Zusätzlich hat sie Landwandstreifen verwebt.
Monika Sebert teilt sich in diesem Jahr den Doris Winter-Gedächtnispreis mit Christa Ebert. Monika Seberts Quilt „Kopflast“ stehe für die vielen Nachrichten, die Tag für Tag auf die Menschen einprasseln und sortiert werden müssen. Eine Positionierung sei ihr oft nicht möglich.
In Gabi Metts Werk mit dem Titel „Mebe Tar Teli“ geht es um das Thema Kult und den Ursprung unserer Kulturen und Religionen. In dieser Installation sind Decken, Kleidung, Schalen, Schmuck und Amulette verarbeitet. Verwendet hat sie kostbare Materialien wie altes und gebrauchtes Leinen, Seide, Seidenkordel, Leinengarne, Sarigarne und alte textile Fragmente.
Die Textilkünstlerin, die mich bei meinem Besuch begleitete, war besonders begeistert von diesem Werk: „Landschaft“ von Piotr Pandyra aus Polen. Er sagt, er habe für dieses Werk die klassischen Zeichenwerkzeuge gegen untypische Werkzeuge wie eine Nadel und eine Nähmaschne ausgetauscht.
Der „Winterwald“ von Monika Schiwy-Jessen gefällt mir mit seinen filigranen Bäumen ausnehmend gut. Für die Künstlerin symbolisieren die kahlen Bäume eine Ruhezeit, eine meditative Stimmung und auch ein sich Besinnen, woraus Kraft für Neues entstehe.
Von Isabelle Wiessler ist diese Arbeit mit dem Titel „Der Zahn der Zeit“. Mich ließ das Werk an untergehende Sonne über dem Meer denken. Die Künstlerin will aber eher verdeutlichen, wie sich Rost unaufhaltsam voran frisst und das Blau eines einst strahlend blauen Tores mit einem Schleier aus Braun und Orange umhüllt.
„Wurzeln von innen verknüpfen“ ist der Titel dieses Werks von Alexandra Ross. Es geht ihr darin um Erinnerungen, die uns prägen und formen. Sie fragt: „Was wäre ich ohne meine Wurzeln?“ Sie setzte Siebdruck zur Veredelung von Stoffen ein und quiltete von Hand.
Zu guter Letzt zeige ich das Werk, das direkt im Foyer der Kirche hing: „Strukturen suchen“ von Anke Kerstan. Sie hat mit industriellen Karostoffen und Unis aus Baumwolle und Mischgewebe gearbeitet und aufgenähte Streifen geschlitzt, gefaltet und gebügelt. Das ganze Werk hat sie dann mit der Maschine gequiltet. Sie war dabei auf der Suche nach neuen textilen Strukturen, hamonischen Farben und ausgwogenen Kompositionen. Auf dem Detailbild ist das gut zu erkennen.
9. Europäische Quilt-Triennale
Vom 9. Februar bis 4. Mai 2025
https://www.museum-heidelberg.de/Museum-Heidelberg/startseite/ausstellungen/9_+europaeische+quilt-triennale.html
Textilsammlung Max Berk
Brahmsstraße 8
Geöffnet Mittwoch, Samstag, Sonntag 13 bis 18 Uhr
nur während laufender Sonderausstellungen
Die 9. Europäische Quilt-Triennale tourt nach der Eröffnung in Heidelberg weiter nach Sankt Gallen und Dormagen-Zons. Eine Präsentation in Tampere in Finnland ist im Gespräch.