Portraits & Interviews

Interview mit der Weberin Ingrid Frank

Ingrid Frank, gelernte Weberin und Erzieherin, gibt Web-, Spinn- und Filzkurse. Im Interview erzählt sie über ihren Werdegang und berichtet, welchen Spaß es ihr macht, die Bindungen und „komplizierten“ Techniken am Webstuhl auf den „kleinen Italiener“ zu übertragen.

Wo sind Sie aufgewachsen?

Ich bin in Nordheim bei Heilbronn in einer kinderreichen Familie mit den Großeltern im Haus aufgewachsen.

Die Fülle der Fadentechniken hat Sie schon als Kind fasziniert?

Ja, es gibt ein nettes Foto von mir als Kind, ich dachte allerdings, dass das normal wäre und jedem so geht.
Ich hatte auch das große Glück, sowohl in der Grundschule als auch in der weiterführenden Schule einen fundierten Handarbeitsunterricht zu bekommen, das prägt mich bis heute. Es war nicht mal hier oder da was basteln, sondern „Technik“ lernen und umsetzen.

Welche Ausbildung haben Sie?

Ich hatte einen holprigen Weg bzw. mit vielen Kurven.

Mein erster Beruf ist Erzieherin, mit dem Ergebnis, dass ich anschließend feststellte, dass es eine Erzieherschwemme gab. Ich bin Jahrgang 1963, davon gibt es ganz viele… Ohne Stelle bin ich dann für drei Jahre nach Italien gegangen, das war natürlich so nicht vorgesehen, hat sich aber so ergeben.

Zuerst war ich in einem Team über den Sommer in einem internationalen und ökumenischen Zentrum im Workcamp, dann als Volontärin im Altenheim, so eine Art soziales Jahr. In der Zeit habe ich angefangen, mich in meiner Freizeit um einzelne Personen zu kümmern oder auch mit den Leuten handwerkliche Tätigkeiten zu machen.

Als die Verlängerung anstand, wurde mir angeboten, im Altenheim Beschäftigungstherapie anzubieten. Auf die Frage, was ich denn tun wolle, meinte ich ganz keck, na weben! Ich hatte mich in der Zwischenzeit an verschiedenen Einrichtungen umgeschaut und gesehen, dass dort gewebt wird und mir das solala angeeignet. Wir haben in der Therapie an Webstühlen und Webrahmen gewebt und waren sehr produktiv in dieser Zeit.

Anschließend war ich in der Fachschule für Weberei und Webgestaltung in Sindelfingen, wo wir verschiedene Abschlüsse machen konnten. Das war eine tolle Möglichkeit, auch die ganz unterschiedlichen Webtechniken zu lernen, Hochgewebe, Flachgewebe etc. – am einfachen Handwebstuhl, an der computergesteuerten Webmaschine bis hin zur Arbeit an Jacquard-Webstühlen.

Für unseren Jahrgang wurde damals das Praktikum eingeführt, ich ging in die Toskana zu Anna Silberschmidt. Das war auch eine prägende und gute Zeit für mich.

Auf dem Weg zur Meisterin haben Sie ein Gesellen- und Wanderjahr in Südafrika verbracht. Erzählen Sie uns davon.

Nach meiner schulischen Ausbildung wollte ich mich „erproben“, mein Freund und ich hatten uns nach langem Ringen für Irland entschieden und es wurde aber Südafrika daraus.

Die Apartheid war noch nicht abgeschafft, es war ein Jahr vor dem ersten freien Jahr, eine auch politisch spannende Zeit in Südafrika.

Ohne Internet (das gab es noch nicht) habe ich es geschafft, in ganz unterschiedlichen Webereien zu arbeiten und mich zu erproben, das kann ich nur jedem empfehlen. Du wirst ins kalte Wasser geworfen, ruderst und stellst fest, du kannst schwimmen.

Durch den Wirtschaftsboykott war es schwierig, an Ersatzteile zu kommen und so mussten wir uns halt oft mit Holz, Bohrmaschine und Säge helfen.

Die Weberinnen und Weber, denen ich begegnet bin, haben ihre Ausbildung in Europa gemacht, in Deutschland, England… Es gibt in dem Sinne keine Webtradition, aber zu der Zeit gab es große Webereien, die von der Wolle vom Schaf bzw. von der Mohairziege bis zum Gewebe alles selbst hergestellt haben.

Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Jetzt arbeite ich viel in der Kursarbeit. Ich unterrichte einen Großteil meiner Arbeit bei Kursen am Webrahmen oder direkt am Webstuhl, wenn z.B. Menschen kommen, um sich selbst einen Teppich zu weben, oder ich unterrichte Leute, die zur Ausbildung kommen, um am Webstuhl weben zu lernen.

Ich gebe auch Spinn- und Filzkurse und ich arbeite in der schulischen Bildung. In der Grundschule ist das Weben inzwischen Teil des Unterrichts. In einer Schule für geistig behinderte Schüler ist das Berufspraktikum bei mir fest verankert.

Ansonsten habe ich einen Laden, berate Menschen bei ihren Projekten und organisiere soziale Treffpunkte.

Und was ich als Auftragsarbeit mache, sind Teppiche nach Maß, mit oder ohne Entwurf. Ich denke, mein Steckenpferd sind runde Teppiche, das mache ich von Anfang an, seit nunmehr über 30 Jahren.

Mit meinen Studierenden vertiefen wir uns in alle Techniken und Bindungen, die es am Flachwebstuhl gibt.

Und was mir riesigen Spaß macht und eine große Herausforderung ist, besteht darin, die Bindungen und „komplizierten“ Techniken am Webstuhl auf den „kleinen Italiener“ zu übertragen, ein einfaches Webgerät, an dem ich die Kurse gebe.

Welches ist Ihr bevorzugtes Material und wie verarbeiten Sie es am liebsten?

Mich inspiriert die Teppichwolle am meisten, sie ist um eine Seele gesponnen und gefilzt. Ich verwende sie für Teppiche, auch die Menschen, die am Teppichwebstuhl arbeiten. Ich tüftle auch immer wieder neue Techniken aus, wie zum Beispiel das erste Weben am Webbrett mit der Superschnellmethode.

Das habe ich entwickelt, als meine Kinder in die Schule kamen, wir haben mit diesem wunderbaren Material Sitzauflagen gewebt und daraus hat sich dann das Webbrett und schließlich die Superschnellmethode entwickelt, die inzwischen in vielen Natur- und Waldkindergärten umgesetzt wird für Sitzauflagen.

Das schöne an der Methode ist, dass es jedes Alter anspricht als erstes Weben.

Wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?

Meine Arbeit ist ein Netzwerk zwischen Menschen und Fäden…
Menschen unterstützen auf dem Weg zu den Fäden…
Ich sehe mich eher als Tutor denn als Lehrer…

Wie kreieren Sie ein Stück? Könnten Sie den Prozess von der ersten Idee bis zur Fertigstellung eines Stücks beschreiben?

Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen. Manchmal sehe ich ein Material und in mir reift eine Idee und ich setze mich an den Webstuhl oder Webrahmen und lege los.

Oder ein anderes Beispiel: Als ich zur Bauhaus-Ausstellung in Dachau eingeladen wurde, um etwas Großformatiges zu machen, habe ich mich mit der Thematik gedanklich über mehrere Wochen auseinandergesetzt, es dann zu Papier gebracht, eine Werkszeichnung erstellt, gerechnet, überlegt, wie ich es umsetze, und dann gewebt.

Noch ein weiteres Beispiel: Als die Ausstellung „Feuer und Flamme“ im Raum stand, habe ich auf dem Webrahmen eigens dafür eine Technik erfunden, um das Flammende abbilden zu können und dem Rechtwinkeligen entfliehen zu können.

Ich experimentiere sehr gerne in Technik, Material und Webgerät.

Sie geben neben Webkursen auch Spinn- und Filzkurse. Wo kann man sich darüber informieren und solche Kurse buchen?

Es gibt auf meiner Homepage ein Kursprogramm, darüber hinaus kann man auch Privatkurse buchen. Filzkurse mussten mehr oder weniger den Webkursen weichen. Ein Projekt das mir sehr am Herzen liegt ist, Kokons für totgeborene Kinder zu filzen, wir treffen uns alle ehrenamtlich ca. zweimal im Jahr und filzen diese Kokons.

Einmal im Monat gibt es das Offene Atelier, da kann man dann jeweils an seinem Projekt arbeiten, ob weben, spinnen oder filzen…

Was ich noch nicht erwähnt habe ist, dass ich ausgebildet habe. Eine Auszubildende war drei Jahre in meiner Werkstatt und hat gelernt. Das war auch eine spannende Zeit, mir wurde aber klar, dass ich lieber im Kursbereich ausbilden möchte.

Die Adresse der Website von Ingrid Frank lautet: https://www.gewolltundverwebt.de/

Alle Fotos wurden von Claudia Fy gemacht.