Die außergewöhnlichen Arbeiten von Odile Guichard habe ich auf einer Internet-Plattform gefunden. Ihre halb gemalten, halb gestickten Arbeiten haben es mir angetan. Ich habe sie um ein Interview gebeten.
Vous pouvez lire ici l’interview dans sa version originale française.
Wo sind Sie aufgewachsen und wo leben Sie heute?
Ich bin in Charente und Charente Maritime aufgewachsen. Meine Kindheit verbrachte ich zwischen Angoulême, Royan und einem Familienanwesen namens Civrac, das auf halbem Weg zwischen Saintes und Rochefort liegt. Als Frau eines Seemanns lebte ich später in verschiedenen Hafenstädten in ganz Frankreich. Ich konnte auch um die ganze Welt reisen, aber ich habe immer eine Verbindung zu diesem Familienanwesen bewahrt, in dem ich geheiratet habe und in dem wir unsere Ferien verbrachten. Heute, da mein Mann nicht mehr zur See fährt, sind wir in diese Region zurückgekehrt, nach Rochefort, und kehren regelmäßig in diese alten Mauern zurück, an denen ich sehr hänge. Mich verbindet etwas mit diesem Haus. Es ist Teil meiner Inspiration. Dort habe ich meine ersten alten Leinen- und Hanflaken gefunden, meine ersten künstlerischen Erfahrungen gemacht und die Dachböden nach Schätzen durchsucht. Ich liebe es auch, dort spazieren zu gehen und die verborgenen Schönheiten der Natur zu entdecken.
Hatten Sie eine künstlerische Ausbildung?
Ich bin Autodidaktin, aber soweit ich mich zurückerinnern kann, hatte ich immer eine Nähnadel oder Stricknadeln in der Hand und einen Pinsel in den Fingern. Das ist zweifellos der Einfluss meiner Großeltern. Ich habe meine Großmutter väterlicherseits immer mit einer Stickarbeit gesehen. Ich selbst habe meine ersten Näharbeiten gemacht, als ich erst 8 Jahre alt war. Mein Großvater mütterlicherseits war ein begeisterter Maler. Ich habe ihn kaum gekannt, aber seine Werke, die in diesem Familienhaus zu sehen sind, haben mich als kleines Mädchen geprägt.
Während ich an der Restaurierung dieses Hauses mitarbeitete und die alten Gegenstände, die ich auf den Dachböden gefunden hatte, restaurierte, erkundete ich die Materialien und Farben. Ich versuchte, verschiedene Materialien zu kombinieren, und führte Experimente durch, durch die ich verschiedene Handwerke lernte.
Mein Auge und meine künstlerische Sensibilität entwickelten sich zunächst in Museen, Ausstellungen und Kunstgalerien der vielen Regionen, die ich bereiste. Schnell wollte ich mich mit Kunstwerken umgeben. Das führte dazu, dass ich Künstler traf und dann selbst Ausstellungen organisierte, von denen einige Kunstwerke und Kulturerbe miteinander verbanden. Nach und nach wollte ich all diese Talente zusammenführen und begann, selbst kreativ zu werden.
Was reizt Sie an Textilkunst als Kunstform?
Die Arbeit mit Textilien und insbesondere mit Stickereien bietet eine große Gestaltungsfreiheit. Ein wenig Garn, eine Nadel und ein Stück Stoff lassen sich überallhin mitnehmen. Meine Arbeit ist immer bei mir. Das Sticken isoliert mich nicht. Ich kann es tun, während ich mich unterhalte. Meine Hände arbeiten und mein Geist bleibt frei. Die Bewegung entspannt mich. Ich bin ständig kreativ.
Meine Materialien, alte Laken und Bettwäsche, haben bereits eine Geschichte, sind vom wechselvollen Leben gezeichnet. Es macht mir Freude, sie wiederzuverwenden und ihnen ein zweites Leben zu schenken. Der Faden hat für mich mehrere Bedeutungen. Der Faden ist das Medium. Er stellt in erster Linie die Verbindung zwischen dem Werk, dem Schöpfer und dem Betrachter dar, aber er ist auch der Faden der Zeit und des Lebens, der Faden der Gedanken und der Träume. Er strukturiert das Thema und entflieht, sobald er frei ist, der Leinwand, um eine Form der befreienden Abstraktion zu bieten. Als echte Nabelschnur zum Schöpfer transzendiert der Faden die Materie. Er ermöglicht ein Spiel mit dem scheinbaren Volumen, das das Werk je nach Licht und Wind veränderlich macht. Durch die verschiedenen verwendeten Stiche, durchgehend, punktiert, ausgefranst, strukturiert er den Strich meiner Zeichnung und fesselt die Aufmerksamkeit des Betrachters. Er lädt ihn ein, in das Werk einzutreten, um mit dem Thema in Kontakt zu treten, ohne es einzuschränken.
Sie kombinieren Malerei und Stickerei?
Ja, meine Arbeit beschränkt sich nicht nur auf Stickerei. Die Malerei ergänzt die Stickerei. Sie ist nicht immer notwendig, aber sehr oft vorhanden. Sie ermöglicht es, bestimmte Aspekte des Themas hervorzuheben, die Aussage des Werks zu unterstreichen, aber die Struktur der Stickerei bleibt innerhalb und außerhalb des Werks, innerhalb und außerhalb der Malerei präsent.
Könnten Sie die Entstehung eines Objekts beschreiben, von der Idee bis zur Fertigstellung?
Meine Inspirationsquellen sind vielfältig, und es sind eher meine Technik und die von mir gewählten Themen, die meinem Werk Einheit verleihen. Die Themen, mit denen ich mich beschäftige, haben oft mit dem Vergehen der Zeit, dem Verlassenwerden oder der Natur zu tun. Auch wenn sie auf den ersten Blick eine gewisse Nostalgie oder Zerbrechlichkeit ausdrücken, geht es in meiner Arbeit vor allem um Erinnerung, Wiedergeburt und den Wunsch, dem Thema neues Leben einzuhauchen. Was lächerlich erscheint, was man nicht mehr beachtet, aber auch das, was abgelehnt wird und dennoch verborgene Schönheiten enthält, berührt mich ebenfalls und ist ein Thema, mit dem ich mich häufig beschäftige.
Sobald ich mich für ein Thema entschieden habe, stütze ich mich auf fotografische Arbeiten, die mich während der gesamten Realisierung des Werks begleiten. Zunächst wähle ich eine Leinwand aus, die zum Thema passt. Nach einer Bleistiftskizze beginnt die manuelle Stickarbeit auf freier Leinwand. Der Untergrund wird anschließend behandelt und auf einen Holzrahmen gespannt. Dann kommt der Maler zum Zug.
Erzählen Sie mir über Ihr Werk „Le fauteuil de Pénélope“.
Sitzmöbel und Stühle sind Themen, die mich besonders interessieren und mit denen ich mich gerne beschäftige, vor allem, wenn sie alt, beschädigt und vom Zahn der Zeit gezeichnet sind. In ihnen findet man die Spuren der Menschen, die Geschichten von einst, die Geschichten derer, die sie benutzt haben. Sie stehen für Ruhe, Intimität, laden zum Meditieren und Nachdenken ein. Sie sind viel mehr als nur Möbelstücke. Sie haben eine Seele. Und um den Dichter zu paraphrasieren: „Eine Seele, die sich an unsere Seele bindet und uns die Kraft zu lieben gibt“. Eine Seele, die manchmal ausfranst, sich in ihre Umgebung einfügt, um sie besser zur Geltung zu bringen. Eine Seele, die jeden nach seiner eigenen Erfahrung zu einer eigenen Interpretation herausfordert und anregt.
Auf den Bezugsstoff eines alten Bettrosts gestickt, ein Stoff ohne großen Wert, aber dennoch mit einem Goldmuster reich verziert, wirkt „Le fauteuil de Pénélope“ (Der Sessel der Penelope) wie von den Jahren verbrannt, von der Zeit zerfressen. Ist es diese Arbeit, die die Stickerin unaufhörlich tun und wieder rückgängig machen muss? Ist es eine Anspielung auf das berühmte Werk von Arman, „Ulysse“? Ist es Eitelkeit, eine Allegorie oder vielleicht alles zugleich? Ich kann es nicht sagen und versuche es auch nicht, denn ich möchte, dass sie frei bleiben, frei wie meine Fäden!
Die Website von Odile Guichard ist: https://odileguichard.wordpress.com/
Alle Fotos © Odile Guichard

